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Hilfe für "Knollennasen"

Das Rhinophym, die so genannte "Knollennase", ist eine Form der Hautkrankheit Rosazea. Zur Verzweiflung über das unschöne Riechorgan besteht kein Anlass, denn den Patienten kann geholfen werden.

Von Christiane Raasch | 10.05.2005
    Heinz-Dieter Tietze ist 57 Jahre alt und wohnt in Bad Sobenheim in Rheinland-Pfalz, in der Pubertät litt er unter Akne. Danach hatte er keine Hautprobleme mehr, bis zum 40. Lebensjahr. Allmählich veränderte sich die Außenhaut seiner Nase, das Organ war letztlich von Entzündungen übersät, rot, geschwollen und zerklüftet. Heinz-Dieter Tietze glaubte an eine späte Akne-Attacke, zum Arzt ging er nicht:

    " Die Nase wuchs dann, wurde immer größer, immer zerfurchter und sah zum Schluss aus wie ein Blumenkohl. Ich hatte eine sehr breite und sehr lange Nase, die bis zur Oberlippe herunterhing. "

    Die gigantische Nase ist inzwischen in einer Fotosammlung der Universitätshautklinik Münster dokumentiert. Als Beispiel für eine besonders große Knollennase, einem "ausgeprägten Rhinophym". Das Rhinophym ist eine Form der Hautkrankheit Rosazea, eine Hautkrankheit, die vom Erscheinungsbild oft der Akne ähnelt, das Gesicht eines Rosazea-Patienten ist - genauso wie bei Aknebefall - von Entzündungen übersät. Doch die Rosazea, die Urspungskrankheit des Rhinophyms, erfordert ganz andere Behandlungsmethoden als die Akne und verläuft auch anders. Dr. Dagmar Presser, operative Oberärztin an der Hautklinik Münster:

    " Die Rosazea st eine chronische Krankheit, die in Schüben verläuft, die interessanterweise in den beiden ersten Stadien, also es gibt drei, nur von Frauen vertreten wird, aber dann im dritten, also im schwerwiegenden Stadium der Knollennasen, dann bei den Männern hauptsächlich vorkommt. "

    Warum das so ist, ist wissenschaftlich noch nicht ergründet, die Forscher wissen auch noch nicht, wie eine Rosazea entsteht, es gibt aber bereits Erkenntnisse, Dagmar Presser:

    " Es gibt sicherlich so eine genetische Disposition, also so eine Art Mitveranlagung aus dem Familienumfeld, dass ungefähr bei 15 Prozent der Patienten auch ein anderes Mitglied der Familie entweder Rosazea oder auch schon Knollennase entwickelt. "

    Rosazea- bzw. Rhinophympatienten leiden wahrscheinlich unter einer ererbten Fehlregulation des Nervensystems, das die Gefäße in der Gesichtshaut weit- und eng stellt, also z. B. Blässe und Rötung verursacht. Menschen mit ererbter Disposition sollten die Trigger, die Auslösefaktoren der Rosazea, meiden:

    " Das sind also Temperaturschwankungen, wie eben Kälte und Wärme oder eben auch Feuchtigkeit, Sauna, übermäßige Sportausübung, heiße Getränke. "

    Zudem können scharfe Gewürze, Kosmetika und ein übermäßiges Reizen der Haut eine Rosazea bzw. Rhinophymata bedingen. Auch die Veranlagung zu Magen-Darm-Erkrankungen wie die Schleimhautentzündung, die durch den Keim: helicobacter pylori, ausgelöst wird, gehört offenbar zu den Risiken. Die Rosazea kann im Anfangsstadium oft noch medikamentös behandelt werden.
    Wenn allerdings bereits ein Rhinophym gewachsen ist, muss es operativ entfernt werden. Heinz-Dieter Tietze lebte mit der auffälligen Nasendeformation, zog sich aber immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Doch letztlich brachte ihm die Außenwelt die große Veränderung:

    " Das hing damit zusammen, dass eine Frau sagte: Halloween ist jetzt ja doch schon zuende, wieso haben sie noch die Nase auf? Und da hab ich mir mal Gedanken gemacht. "

    Heinz-Dieter Tietze wußte zwar in all den Jahren, in denen seine Nase blühte und wucherte, dass es Therapiemöglichkeiten gab, doch erst der freche Satz der Fremden motivierte ihn letztlich, ärztliche Hilfe zu suchen. Sein Weg führte ihn zu Dr. Dagmar Presser nach Münster. Dass Rhinophym-Kranke erst jahrelang warten, bis sie sich zu einer Behandlung entschließen, ist nicht ungewöhnlich, sagt die Oberärztin:

    " Ganz erstaunlich für mich oder für uns als Dermatologen, ist die Tatsache, dass diese Rhinophymerkrankung, dass die so in einer Schicksalsergebenheit getragen wird, mit eben auch einem immer mehr Zurücknehmen der eigenen Persönlichkeit aus der Gesellschaft, aus dem familiären oder beruflichen Umfeld, und dann eben auch einem Hadern mit dem Schicksal und der Aussichtslosigkeit einer – finde ich zumindest - verstümmelten Entstellung, die ja nicht sein müsste. "

    Manche Patienten ergeben sich in ihr Schicksal, viele wissen aber auch gar nicht, dass ein Rhinophym abgetragen werden kann. Je nach Stadium und Behandlungsmethode eines Arztes ,geschieht das mit Lasern, Skalpellen und Schleifgeräten. Heinz-Dieter Tietze ließ sich von Dagmar Presser operieren. Das Ergebnis ist beeindruckend. Der Volkswirt sieht heute aus wie jeder gesunde Mensch, seine Nase hat die angeborene Form zurückgewonnen. Sie
    fügt sich heute harmonisch in sein Gesicht.

    " Jetzt kann ich wieder überall hingehen, ohne angegafft zu werden. Und mein Selbstbewusstsein ist natürlich dadurch auch stärker, als es vorher war. Wobei ich vorher schon ein starkes Selbstbewusstsein hatte, aber jetzt ist es um mindestens 50 Prozent stärker würde ich sagen. "