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Hilfe für Kulturschaffende
Gutscheine statt Geld zurück

Wenn eine Veranstaltung wegen der Coronakrise abgesagt wird, sollen Ticketbesitzer nicht ihr Geld zurück, sondern einen Gutschein bekommen. Damit möchte die Große Koalition Kulturschaffende und Veranstalter entlasten. Die Opposition fordert aber direktere Hilfen für die Kultur.

Von Katharina Hamberger | 23.04.2020
Plakatwand des Musik-Klubs SO36 in Berlin-Kreuzberg mit dem Hinweis auf die Absage aller Veranstaltungen.
Wegen der Corona-Pandemie fallen Veranstaltungen aus und die Kulturbranche gerät in finanzielle Engpässe (imago / K.M. Krause)
"Long live Rock ’n’ Roll". Lang lebe der Rock ’n’ Roll wünschte sich SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner in der Bundestagsdebatte, in der es nicht nur um den Rock ’n’ Roll gehen sollte, sondern grundsätzlich um die Frage, wie unter anderem Musikern, Schauspielern, allgemein Kulturschaffenden, aber auch Veranstaltern und Medien finanziell geholfen werden kann, die in diesen Tagen um ihre Existenz bangen, weil keine Konzerte, Festivals oder Theateraufführungen mehr stattfinden können und gleichzeitig Menschen, die dafür bereits Karten erworben haben, ihr Geld zurück verlangen können. Letzteres möchte die große Koalition ändern. Statt Geld zurück, soll es nun Gutscheine geben, die bis Ende kommenden Jahres eingelöst werden können:
"Das ist eine ganz wichtige Maßnahme, dass wir die Liquidität der Veranstalter erhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen", führte Sozialdemokrat Fechner aus.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Der entsprechende Gesetzentwurf kommt aus dem SPD-geführten Justizministerium. Allerdings haben sowohl die Fraktion der Sozialdemokraten als auch die Unionsfraktion – selbst wenn man die Idee unterstützt – bereits Nachbesserungsbedarf angemeldet. Zum Beispiel bei der sogenannten Härtefallklausel. Diese ermöglicht es Menschen, für die es zu finanziellen Problemen führen könnte, wenn sie nur einen Gutschein bekommen, sich das Geld doch zurückzahlen zu lassen:
"Da werden wir im parlamentarischen Verfahren sicherlich prüfen müssen, ob wir noch präziser und genauer die Unzumutbarkeit im Gesetz definieren und regeln und wir wollen auch klar stellen, dass die Gutscheine nicht personenbezogen sind, sondern, dass sie übertragen werden können und sicherlich wird uns auch die Frage beschäftigten ob wir nicht eine Insolvenzsicherung für die Gutscheine brauchen", sagte Fechner.
CDU-Politiker Jan-Marco Luczak meinte außerdem, man sei sich durchaus bewusst, dass dieser Vorschlag ordnungspolitisch nicht ganz unproblematisch sei: "Das ist ein Eingriff in ein bestehendes Vertragsgefüge, das ist nicht unproblematisch, da muten wir den Menschen schon einiges zu."
Kritik der Opposition
Das sieht auch die FDP so – aber damit war es auch vorbei mit der Zustimmung der Liberalen zu den Debattenbeiträgen aus den Koalitionsfraktionen:
"Herr Fechner hat gesagt, es ist ein gutes Gesetz, es ist ein Gutscheingesetz, ein anderer meinte es sei ein gutes Schein Gesetz", sagte der Liberale Jürgen Martens. Die FDP wolle, dass diese, so Martens wörtlich, Zwangsgutscheine nicht verteilt würden. "Wir wollen, dass wir die Verbraucher fair behandeln und wir wollen zugleich, dass die Veranstalter eine reale Chance haben, einer Insolvenz zu entgehen, nämlich indem wir den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auch für solche Unternehmen öffnen, die im Bereich der Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft tätig sind."
Die AfD hingegen spricht von den Gutscheinen als durchaus sinnvolle Notmaßnahmen, allerdings sei es nur Symptombekämpfung, das Problem werde nur in die Zukunft verschoben. Stattdessen solle die Koalition dafür sorgen, dass die Kulturinstitutionen bald wieder öffnen, heißt es von Seiten der AfD.
Die Linke hingegen betrachtet die Gutscheine nicht als sinnvolle Maßnahme. Simone Barrientos berichtete von Hilferufen aus der Kulturbranche. Sie kritisiert unter anderem, dass ein undurchschaubarer Flickenteppich aus Bundes- und Ländermaßnahmen entstanden sei:
"Verunsicherung und Ungerechtigkeiten sind die Folge. Wir können mit den Kulturschaffenden nicht russisch Roulette spielen."
Tatsächlich hängt die Unterstützung auch vom Wohnort ab, da die Förderung und auch die jeweilige Summe in den Ländern ganz unterschiedlich ausfällt. Auch die Grünen finden deutliche Worte für den Entwurf der Bundesregierung, fordern statt Gutscheinen einen Kulturrettungsfonds:
"Um es mit den Worten einer Betroffenen aus der Clubszene zu sagen, Zitat, Gutscheinpflicht ist Mist", sagte Grünen-Politikerin Tabea Rößner. Sie kritisierte zudem die Kulturstaatsministerin Monika Grütters: "Und es ist unverzeihlich, wie wenig Engagement die Kulturstaatsministerin bei direkten Hilfen für Kultureinrichtungen zeigt."