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Hilfen für die Bauern
Eine Milliarde für die Transformation der Landwirtschaft

Die verschärfte Düngeverordnung und das anstehende Insektenschutzprogramm sind nur einige Punkte, die Bauern belasten. Mit zusätzliche Hilfen von einer Milliarde Euro für die kommenden vier Jahre will die Regierung konventionell wirtschaftenden Landwirten nun helfen, umweltgerechter zu wirtschaften.

Von Jule Reimer | 30.01.2020
Ein Bauer bringt mit einem Traktor Gülle auf ein Feld.
Bauer düngt ein Feld mit Gülle. (picture alliance / Bildagentur-online / McPhoto)
Noch ist nicht bekannt, wofür das Geld im Details ausgegeben wird. Aber es ist klar, dass ein Teil dazu dienen wird, die verschärfte Düngeverordnung abzufedern. Wo könnte das Geld eingesetzt werden?
Der Vorwurf der EU-Kommission lautet, dass in Deutschland zu viel Dünger – entweder in Form von Gülle aus der Tierhaltung oder auch als synthetischer Dünger - auf den Feldern ausgebracht wird, den die Pflanzen beziehungsweise der Boden gar nicht aufnehmen können. Der Überschuss landet dann als Nitrat im Grundwasser oder gelangt über die Flüsse in die Nord- und Ostsee, wo die Folge zum Beispiel eine Algenplage sein kann.
Als Maßnahmen gegen diese Überdüngung sollen deshalb Agrarbetriebe in besonders belasteten Gebieten ihre Düngung um 20 Prozent kürzen. Weiter soll die jährliche Frist verkürzt werden, in der Gülle, aber auch Festmist oder Kompost überhaupt ausgebracht werden dürfen – das trifft auch Ökolandwirte. Viele Tierhalter müssen in der Folge ihre Lagerkapazitäten für Gülle ausbauen oder alternativ die Tierbestände reduzieren. Mancher Tierhalter hat bisher in regenreichen Wintern sowieso Probleme mit überlaufenden Güllelagern – für die kämen die Hilfen zur rechten Zeit.
Außerdem muss Gülle künftig bodennah ausgebracht werden, dass bedeutet, die Landwirte müssen auch hier in neue Technik wie Schleppschläuche investieren. Für kleine und mittelgroße Betriebe sind das teure Investitionen, wo staatliche Unterstützung helfen würde.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner setzt zudem große Hoffnungen in die Digitalisierung der Landwirtschaft – computergesteuert sind punktgenaue Messungen möglich, wie hoch der Nährstoffbedarf auf einem Feld ist und entsprechend punktgenau lässt sich dann Dünger ausbringen. Aber diese Form der Präzisionslandwirtschaft ist bislang sehr teuer.
Verbände und Landwirte sowie der bayrische Ministerpräsident Markus Söder haben Änderungen am Entwurf der Düngeverordnung gefordert. Gibt es überhaupt noch Spielräume?
Das ist unwahrscheinlich. Die EU-Kommission hat schlicht die Geduld verloren, weil sie bereits drei Mal gegen die Bundesregierung in Sachen Gewässerschutz geklagt hat, ohne dass aus Deutschland angemessen reagiert wurde. Druck macht auch die Agrarkonkurrenz in den Niederlanden und Dänemark, die sich ärgert, dass bei ihnen die europäischen Gewässerschutzvorgaben eingehalten werden müssen und deutsche Tierhalter sich bislang darüber hinweg setzen konnten, weil die Bundesregierung zu lasche Gesetze machte und die Umsetzung der EU-Nitrat-Richtlinie verschleppte.
Parallel förderte die Bundesregierung nämlich die Tierhaltung und den Export von Fleisch und Milchprodukten. Nun drohen Deutschland in Kürze Strafzahlungen an die EU in Höhe von 800.000 Euro – pro Tag. Deshalb kam das Thema auch im Koalitionsausschuss von CDU und SPD gestern Abend zur Sprache. Derzeit verhandelt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner direkt mit der EU-Kommission über den neuen Entwurf einer schärferen Düngeverordnung. Klöckner muss jetzt die Suppe auslöffeln, die ihre Vorgänger – seit 2005 übrigens alle von der CSU – hinterlassen haben.
Inwieweit werden die Fördergelder dazu dienen, die Auflagen des anstehenden Insektenschutzprogramms abzufedern?
Die Protestbewegung "Land schafft Verbindung" argumentiert, die Landwirte täten schon viel für die Umwelt. Wenn jetzt zusätzliche Auflagen wie ein geringerer Pestizideinsatz oder mehr Blühstreifen dazu kämen, müsste das zusätzliche Risiko, die zusätzliche Leistung extra kompensiert werden. Landwirtschaftsministerin Klöckner möchte die Landwirte für Maßnahmen zugunsten der Biodiversität belohnen.
Insgesamt setzt sie auch hier auf die digitale Technik, zum Beispiel mit Drohnen, die ganz präzise Schädlinge auf dem Feld lokalisieren können, sodass der Landwirt nur noch an ganz bestimmten Stellen spritzt. Auch hier gilt, dass bislang solch computergesteuertes "Precision farming" sehr teuer ist.
Werden diese Ansätze in der Bauernschaft als richtig angesehen?
Den konventionellen Landwirtschaftsverbänden ist bewusst, dass eine schärfere Düngeverordnung kommen muss, da ist es ihnen wichtiger, zusätzliche Förderung zu erhalten. Der Deutsche Bauernverband fordert mittlerweile nur noch die Korrektur bestimmter "fachlicher Mängel" in der Düngeverordnung. Dazu gehört zum Beispiel die Forderung, die Messmethoden der Nitratbelastung in allen Bundesländern einander anzugleichen. Einzelne Gruppen aus der Bewegung "Land schafft Verbindung" sprechen dagegen von einem "Ablasshandel", sie wollen am Aushandeln der neuen Düngeverordnung explizit beteiligt werden.
Die Ökolandverbände klagen zwar auch über zusätzliche Auflagen der Düngeverordnungen. Sie nehmen sich als eine Art Kollateralopfer wahr, ohne selbst für die Grundwasserbelastungen verantwortlich zu sein. Denn auf den Biohöfen gilt: Jeder Betrieb darf nur so viele Tiere halten, wie er auch deren Dung auf der ihm zur Verfügung stehenden Fläche verwerten kann, ohne damit den Boden zu überfrachten. Diese Flächenbindung – maximal 2 Großvieheinheiten pro Hektar (1 Großvieheinheit = 1 ausgewachsenes Rind) - fordern Umweltverbände für die Agrarbranche als Ganzes. Außerdem wollen sie die Agrarsubventionen der EU von insgesamt fast 60 Milliarden Euro pro Jahr künftig mit Auflagen für den Klima- und Umweltschutz verknüpfen.
Mit den Plänen beim Insektenschutz können die Ökobauern hingegen ganz gut leben. Der DBV seinerseits als Hauptvertretung der konventionellen Agrarunternehmen möchte vor allem vermeiden, dass der Einsatz von Pestiziden per Gesetz eingeschränkt wird. Das Bundesumweltministerium möchte Landwirte darauf verpflichten, im Gegenzug für den Pestizideinsatz an der einen Stelle pestizidfreie Flächen an anderer Stelle anzulegen.