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Hilfsaktion
Die Welt verbessern am Tag für Afrika

An rund 600 Schulen bundesweit fehlen heute Schüler im Unterricht. Sie arbeiten am Tag für Afrika arbeiten in ganz verschiedenen Jobs. Über die "Aktion Tagwerk" fließt ihr Lohn in Bildungs- und Hilfsprojekte in afrikanische Länder wie Burundi, Ruanda und Südafrika. Die Initiatorin hat soeben von Bundespräsident Gauck das Bundesverdienstkreuz bekommen.

Von Anke Petermann | 23.06.2015
    Statt Latein und Mathe am Mainzer Rabanus-Maurus-Gymnasium zu pauken, sitzt die 17-jährige Karolin Tuncel neben Stephan Sigmund und nimmt alte PC-Monitore auseinander. Ihr Job bei der Aktion Tagwerk ist Elektro-Recycling in den Werkstätten für behinderte Menschen. Sigmund ist einer der Beschäftigten und hat der Zwölftklässlerin gezeigt, was sie mit der Zange wo abzupfen muss und in welchen Plastikkorb welches Einzelteil kommt:
    "Ja, er hat mir das erklärt. Ich muss hier die Kabel so nah wie möglich an dem Teil abschneiden und dann abtrennen. Ist das richtig, ja oder?"
    "Ja."
    Stephan Sigmund nickt, nicht zum ersten Mal sitzt eine Schülerin im Rahmen von "Aktion Tagwerk" einen Arbeitstag lang neben ihm.
    "Manche verstehen es auf Anhieb, und manche tun sich schwer. Aber das ist nicht schlimm. Wenn man Geduld hat, kann man denen es beibringen."
    Karolin Tuncel und eine weitere Schülerin haben sich auf Anregung ihrer Lehrer dafür entschieden, am Tag für Afrika in der Behinderten-Werkstätte zu jobben. Die Zwölftklässlerin erklärt, warum:
    "Ich wollte bei der Aktion Tagwerk gern mitmachen, weil ich finde, dass man so oft sagt, man kann ja mal die Welt verbessern oder was Besseres machen. Ich finde, die Aktion Tagwerk gibt uns halt die perfekte Möglichkeit dazu, mal was Gutes zu machen , ohne dass wir gleich die Welt großartig verändern müssen, und deshalb ist es ne super Gelegenheit, mal was für andere Menschen zu tun. Deshalb mache ich mit."
    Genau weiß die Zwölftklässlerin nicht, in welche Projekte ihr Tageslohn fließt. Wie ihre 15-jährige Mitschülerin, so vertraut auch die 17-Jährige in die Aktion Tagwerk. Deren Initiatorin Nora Weisbrod hat soeben das Bundesverdienstkreuz bekommen. Mehr als zwei Millionen Schüler haben sie und ihre Mitstreiter seit 2002 für das Projekt eingespannt. Ganzjährig werben die Aktivisten dafür an den Schulen, stellen Eltern und Lehrern die Bildungsprojekte in sechs afrikanischen Ländern vor.

    "Es ist kein Selbstläufer. Es geht jedes Jahr wieder darum, dass Schüler sich anmelden, dass sie sich freiwillig dafür entscheiden, aktiv zu werden. Darum geht's am Aktionstag. Wir haben dieses Jahr 78 Schulen, die zum ersten Mal mitmachen, von insgesamt 618 Schulen, das ist ne Menge. Die Hilfe ist notwendig, sie ist wichtig. Wir sehen die Unruhen beispielsweise in Burundi, die treffen vor allem die jungen Leute die Kinder. Die Schulen sind geschlossen, und darum geht es: Kindern und Jugendlichen zu helfen und Bildungschancen zu ermöglichen."
    Betroffen von der Schließung ist auch die Schule in Burundis Hauptstadt Bujumbura, die Aktion Tagwerk gemeinsam mit einem lokalen Projektpartner unterstützt. In diesem Jahr erwirtschaftet die Aktion Tagwerk vermutlich Lohnspenden von 1,3 Millionen Euro – erstmals wird auch ein Brot-für-die Welt-Projekt in Ghana davon profitieren.

    Fürs Kabel-Zupfen in der Behinderten-Werkstatt haben sich auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling und die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen entschieden. Er vormals Staatssekretär im Schulministerium, sie die Ressortchefin. Die Sozialdemokratin ist von Anfang an dabei und erkennt in dem Projekt auch eine Bildungsdimension:

    "Ja, für die Schüler und Schülerinnen auf jeden Fall, weil es einen Tag die Möglichkeit ist, mal in die Arbeitswelt reinzuschnuppern. Das ist aber nur der eine Teil, der viel wichtiger ist, dass das Aktion Tagwerk ja auch ganz viel Bildungsarbeit macht, im Zusammenhang mit Afrika, den Schülerinnen und Schülern tolle Angebote macht, und insofern ja ist schon auch ein wichtiges bildungspolitisches Projekt."
    Ahnen greift beherzt zum Schraubenzieher. Eine gute Stunde lang jobbt die Finanzministerin heute als Werbeträgerin für die Aktion Tagwerk. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat nichts dagegen. Die Regierungschefin jobbt selbst am Tag für Afrika - in einer Eisdiele. Gebilligt von der CDU-Opposition. Deren Chefin Julia Klöckner spielt heute Bäckerin.