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In Saarbrücken hat Peter Marx, der ehemalige NPD-Landesvorsitzende, den Einzug in den Stadtrat geschafft. Vielen Beobachtern der Szene gilt er als strategischer Kopf, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Partei zu professionalisieren.

Von Tonia Koch | 06.05.2010
    Völklingen ist eine Stadt mit 40.000 Einwohnern und die Hochburg der saarländischen NPD. Nur hier und in der Landeshauptstadt Saarbrücken ist sie im vergangenen Jahr bei den Kommunalwahlen angetreten, obwohl die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr galt. Für den Direktor des saarländischen Verfassungsschutzes, Helmut Albert, ist das ein klares Signal.

    "Das spricht einfach dafür, dass die NPD nicht in der Lage ist, mit vorzeigbarem Personal in mehr Gemeinden anzutreten."

    In Saarbrücken hat Peter Marx, der ehemalige NPD-Landesvorsitzende, den Einzug in den Stadtrat geschafft. In Völklingen gingen zwei Mandate an die NPD, eines davon an den amtierenden Landesvorsitzenden, Frank Franz. Damit sei die Partei jedoch weit unter den Wahlzielen geblieben, die sie sich selbst gesteckt habe, so Verfassungsschützer Albert.

    "Die NPD ging bei den Landtagswahlen davon aus, dass sie drin sein wird, nachdem sie in der Wahl zuvor vier Prozent erreicht hatte. Sie hat jedoch die Hälfte der Stimmen verloren. Sie hat auch auf kommunaler Ebene in den zwei Kommunen, in denen sie angetreten ist, ebenfalls die Hälfte der Stimmen verloren."

    Strategische Fehler habe die NPD im Saarland keine gemacht. Das schlechte Abschneiden der Partei bei Landtags- und Kommunalwahlen sei dem Auftauchen einer zweiten Protestpartei, der Linken geschuldet, glaubt der Saarbrücker NPD-Stadtverordnete Peter Marx.

    "Hier war die Linke zu stark. Das Wählerpotenzial ist durch den Lafontaine-Effekt gebunden worden, und da kamen wir auch nicht richtig ran."

    Marx ist nicht nur Stadtverordneter in Saarbrücken, sondern als Multifunktionär in den Reihen der Partei unterwegs.

    Stationen seiner Parteikarriere führten ihn neben dem Saarland nach Hessen, ins benachbarte Rheinland-Pfalz, nach Sachsen und schließlich nach Mecklenburg-Vorpommern, wo er aktuell als Geschäftsführer der NPD-Landtagsfraktion tätig ist. Vielen Beobachtern der Szene gilt er als strategischer Kopf, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Partei zu professionalisieren, sagt Holger Meuler, Vorsitzender des Landesjugendringes und Mitbegründer des saarländischen Netzwerkes gegen Rassismus.

    "Er ist sehr aktiv, die Kontakte nach Rheinland-Pfalz, nach Sachsen, ins Saarland. Sie bestehen nach wie vor. Er ist einer der Strippenzieher."

    Nicht immer läuft alles nach Plan. Auch für Peter Marx nicht. Eine von ihm angezettelte Palastrevolution gegen den amtierenden NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt vor zwei Jahren scheiterte. Marx kostete diese Aktion das Amt als stellvertretender Bundesvorsitzender. Aber es stört ihn nicht. Im letzten Jahr unternahm er einen erneuten Versuch und unterstützte die Gegenkandidatur des Fraktionsvorsitzenden des Landtages in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, für das Amt des NDP-Bundesvorsitzenden.

    "Eine gewisse Erneuerung an der Parteispitze täte uns sicher gut."

    Um die voranzutreiben, bot er am Aschermittwoch des letzten Jahres seinem Wunschkandidaten Pastörs in Saarbrücken eine Bühne. Mit fremdenfeindlicher und von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken im Nachhinein als Volksverhetzung eingestufter Rhetorik warb Pastörs um die Gunst rechts gesinnter Anhänger aus dem Südwesten.

    Dafür musste sich Pastörs heute vor Gericht verantworten. Geholfen hatte ihm die verbale Entgleisung parteiintern jedoch nicht. Er unterlag gegen den amtierenden NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Ein zweiter Versuch aber könne nicht schaden, glaubt Marx.

    "Udo Pastörs wird Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Und ich gehe mal davon aus, dass dann, wenn er das Ergebnis klar steigern kann, eigentlich kein Weg an ihm vorbeiführt."

    Für den Netzwerker Marx liegt das Potenzial der Rechten in den Ländern. In Sachsen habe die Partei den Wiedereinstieg in den Landtag geschafft, im Norden werde es ebenfalls gelingen. Und im kommenden Jahr in Sachsen-Anhalt rechne sich die NDP was aus, so Marx. Sollte es so kommen, dann dürfte erneut die Stunde des NPD-Multi-Funktionärs schlagen. Seine Erfahrung sei nützlich, um die parlamentarische Arbeit, die Arbeit der Fraktion in Gang zu bringen, urteilt Verfassungsschützer Albert.

    "Von daher wird man immer wieder auf ihn zurückgreifen wollen, wenn es darum geht, in einer neuen Situation eine ordentliche politische Arbeit aufzubauen."

    Außerhalb der Landtage dürfte es der Rechten momentan zumindest kaum gelingen, politische Schlagkraft zu demonstrieren. Schuld daran ist nicht zuletzt die desolate finanzielle Situation der NPD. Die Präsenz in den Landtagen bietet daher die aussichtsreichste Plattform, sich bei der Bevölkerung ins Gespräch zu bringen. Das ist es, was Marx am besten kann.

    "Natürlich machen wir Fundamentalopposition. Wir wissen, dass die anderen Parteien sich abgesprochen haben, dass alles, was von der NPD kommt, abgelehnt wird."

    Leute wie Marx bevorzugen gemäßigte politische Umgangsformen im Stile guter Parlamentarier. Das dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die NPD an rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Lösungsansätzen orientiere, wenn es darum gehe, politische und gesellschaftliche Probleme zu lösen. Davon ist der Verfassungsschutz überzeugt. Überdies steige die Gewaltbereitschaft in der Szene und zwar bei jenen, die nicht oder noch nicht organisiert seien. Helmut Albert.

    "60 Prozent der Gewalttäter werden erstmals durch ihre Tat erkannt. Sie waren zuvor nie auffällig geworden, nie in der Szene oder in einer Partei aktiv. Das zeigt, dass es eine große Anzahl von Personen gibt, die von ihrem Denken her Rechtsextremisten sind, ohne dass sie sich organisiert haben und sogar bereit sind, für ihre Überzeugungen eine Straf- oder Gewalttat zu begehen."