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Hinter dem Kerzenleuchter

Der amerikanische Entertainer und Pianist Liberace war in den 70er-Jahren ein Superstar. Jahrelang lebte er verdeckt homosexuell, bevor er 1987 an Aids starb. Steven Soderbergh hat nun dessen schillernde Lebensgeschichte verfilmt. In der Hauptrolle glänzt Michael Douglas.

Von Josef Schnelle | 03.10.2013
    So trat er stets auf: Wladziu Valentino Liberace wurde in den 70er-Jahren mit weißen Fantasiegewändern und seinen virtuosen Klaviernummern, seinen Fernseh- und Bühnenshows in den größten Arenen zum bestbezahlten Entertainer der Welt. Als Liebling der amerikanischen Schwiegermütter gelang es ihm aber, eines fast perfekt zu verbergen: seine homosexuelle Orientierung. Dabei war es im Show-Gewerbe ein offenes Geheimnis, und auch sein Hang zu tuntigen Kostümen und dicken Klunkern sprach eine deutliche Sprache. Erst mit seinem Aids-Tod 1987 wurden jedoch letzte Zweifel ausgeräumt. Eine seiner zahlreichen Liebschaften hatte ihn vorher fast zu einem unerwünschten Outing gezwungen - als Scott Thorson ihn nach der Trennung ihres jahrelangen Verhältnisses auf eine Abfindung verklagte. Thorson unterlag im Rechtsstreit, Liberace schwor "nicht homosexuell zu sein", doch die veröffentlichte Autobiografie des abservierten Liebhabers hinterließ zahlreiche Kratzer auf dem Bild des glamourösen Meisterpianisten. Auf dieses Buch bezieht sich Steven Soderbergh, der jüngst gegen die mangelnde Kreativität der Hollywoodstudios wetterte und ankündigte, "Liberace" sei sein allerletzter Film.

    Als der junge blonde Tierpfleger Thorson bei Liberace auftaucht, um die zahlreichen Hunde auszuführen, findet Liberace gleich Gefallen an ihm:

    "Ich habe eine großartige Idee. Wieso arbeitest Du nicht für mich?" – "Als was?" – "Du könntest mein Sekretär werden." – "Aber ich kann nicht tippen." - "Na und, zum Tippen kann ich andere engagieren. Ich brauche einen Vertrauten, einen Bodyguard, jemanden, der mir die Leute vom Hals hält. Jemanden, mit dem ich reden kann, so wie mit dir jetzt gerade."

    Letzte Woche wurde Steven Soderbergh triumphal gefeiert für den besten Film, die beste Regie und seinen Hauptdarsteller Michael Douglas, allerdings nicht bei den Oscars, sondern bei den Emmys, den renommierten amerikanischen Fernsehpreisen. Er wurde gefeiert als eine Art Überläufer, denn das Filmprojekt war in Hollywood überall abgelehnt worden und wurde dann vom Fernsehsender HBO produziert, der keine Scheu hatte, das Thema anzufassen. Michael Douglas zelebriert den furchtlosen Showman Liberace nach so vielen Schurken und Liebhaberrolle mit großer Spielfreude und Intensität. Sein Liberace ist ein überlebensgroßer Held der Leidenschaft auf der Bühne und in seinen Prunkgemächern, in denen er Scott Thorson mit Macht, Reichtum und Furchtlosigkeit zu verführen versteht als sexuellen Partner, als "Boy-Toy" und Sohnersatz. Diesen Traum einer gleichgeschlechtlichen Liebe vor der Zeit öffentlicher Anerkennung stellt Soderbergh in den Vordergrund seiner Filmbiografie, die nicht davor zurückschreckt, ausführlich in den Dekors der Zeit zu schwelgen. Dass Matt Damon den jugendlichen Liebhaber Scott spielt, hat fast alle Interviewer zu der Frage verführt, wie das denn war mit dem Küssen. "Ein Filmkuss wie jeder andere" hat der erfahrene Hollywoodmime Douglas darauf geantwortet. Auch das Zerwürfnis nach der Euphorie der neuen Liebe schildert der Film. Liberace will Scott nämlich ganz besitzen. Er will ihn beherrschen, gestalten und verändern. Dem Schönheitschirurgen, der ihn selbst dauernd umgestaltet, präsentiert er eines Tages ein Gemälde, das ihn selbst zeigt.

    "Was hatten Sie sich für Scott vorgestellt. Ich möchte gern, dass Scott so aussieht. Schaffen Sie das?" - "Oh ja, verstehe, den Wunsch denke ich, kann ich Ihnen erfüllen. Wir korrigieren die Nase. Dann muss ich seine Wangenknochen und sein Kinn neu modellieren mit Silikonimplantaten. Alles ist machbar."

    Und so ist "Liberace", den der deutsche Verleih überflüssigerweise mit dem Zusatztitel "Zu viel des Guten ist wundervoll" herausbringt und der im Original sehr viel feinsinniger "Behind the Candelabra" heißt nach dem Kerzenleuchter, den Liberace stets auf seinem Klavier vor sich stehen haben wollte. Ein großer "kleiner Film" über die Liebe und deren Vergänglichkeit. Und wenn das tatsächlich der letzte von Steven Soderbergh gewesen sein sollte, ein würdiger Abschied von der Showbühne. Zu den schönsten Momenten gehört das Liebesgeständnis, dass sich Liberace versteckt hinter einer ganz allgemeinen Liebeserklärung abringt, als Scott ihn wie bei jeder Show wieder einmal mit seinem goldverzierten Rolls Royce auf die Bühne fährt und ihm die Tür öffnet.

    "Ich liebe Dich, weil du alle Leichtfertigkeiten und Schwächen in mir übersiehst. Und dafür alles, was schön und gut ist, zum Vorschein bringst."