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Hintertür zum Papst

Der Vatikan ist mit 44 Hektar der kleinste Staat der Welt. Nicht größer als ein mittelgroßer Bauernhof. Nur dass dieser Bauernhof fast unüberwindbare Mauern zu haben scheint. Nicht einmal in Museen und Kirchen kommt man hinein, wenn man falsch gekleidet ist. Es sei denn, man kennt einige Tricks.

Von Heike Braun | 01.11.2009
    "Der fährt ganz links. Der fährt hier gleich auch vorbei. Da vorne fährt er."

    Wer hier rein will, muss einen Ausweis haben, das Losungswort kennen, oder der Papst sein.

    "Jetzt kommt er. Guck mal, schnell!"

    Immer wenn der weiße, offene Mercedes des Papstes auftaucht sind Pilger und Vatikantouristen happy. Und wenn der "Papa" dann auch noch drin sitzt, ist der Urlaub perfetto.

    "Herrlich, herrlich!"

    Die Mauern hinter denen der Papst verschwindet, scheinen unüberwindbar. Doch sind sie das wirklich?

    "Ich glaube, dass Besondere ist, dass nicht jeder reinkommt. Aber wenn man weiß, wie es geht, kommt man eben doch rein…"

    …sagt Gudrun Sailer. Sie ist Redakteurin bei Radio Vatikan in Rom. Und hat einen Reiseführer über den Kirchenstaat geschrieben. Danach ist es gar kein Kunststück, an den Schweizer Gardisten vorbei, in das Allerheiligste zu kommen:

    "Ich beschreib halt, wie man's macht."

    Und es klappt tatsächlich. Für einen Besuch in den traumhaft schönen vatikanischen Gärten, muss man sich nur 14 Tage vorher per Fax anmelden. Auf den deutschen Friedhof im Vatikan kommen deutschsprachige Besucher auch ohne Anmeldung. Sie müssen nur die Schweizer Gardisten, die alle Eingänge in den Vatikan bewachen, um Erlaubnis fragen.

    Schwester Margit von der Realschule Sankt Klara im thüringischen Rothenburg ist als Pilgerin nach Rom gekommen. Im Handumdrehen ist sie an der Schweizer Garde vorbei und auf dem Gelände des Vatikan. Schwester Margits Zielstrebigkeit lässt vermuten: sie hat ihre Hausaufgaben gemacht:

    "Ja. Campo Santo Teutonico. Da gehen Sie hier durch das Tor. Aber sie müssen vor zwölf Uhr gehen. Danach ist er geschlossen. Der ist sehr bedeutsam. Die Erde kommt aus Jerusalem."

    Auch Ina Daniel, eine Touristin aus Dormund, hat es mit der Erlaubnis der netten Schweizer Herren in den gold, blau und rot gestreiften Pluderhosen in den gut bewachten Vatikanstaat geschafft. Sie studiert die deutschen Namen auf den Grabsteinen.

    "Ich finde, es ist ein sehr beeindruckender und interessanter Friedhof. Wo keine Touristenströme mehr sind. Ein kleines Einod, so eine Oase innerhalb des Vatikan. Auf dem auch bekannte deutsche Persönlichkeiten beerdigt worden sind."

    Der Hinweis mit dem Friedhof findet sich in guten Reiseführern. Auch in dem von Gudrun Sailer. Den Tipp mit der vatikanischen Mensa, bekommt man allerdings nur von ihr.

    "Da kann man gut essen. Und es gibt den billigsten Kaffee von ganz Rom. Die ist sehr hell und der Boden schwingt immer leicht mit, weil er auf Metallstäben liegt."

    Und so kommt man rein: Nicht den Haupteingang der Mensa wählen, sondern die angrenzende Café Bar. Hier gibt es keine Passkontrolle. Und schwupps, drin ist man. Auch der Schweizer Christoph Riedweg isst hier gerne zu Mittag. Vermutlich kommt so ein Eidgenosse - schon wegen des netten Akzentes - leichter an der Schweizer Garde vorbei. Auf jeden Fall ist ein gutes Mittagessen, nach einer anstrengenden Museumstour, genau richtig:

    "Das ist, was der Besucher, Pilger und Tourist braucht."

    Christoph Riedweg ist allerdings kein normaler Tourist. Er ist der Leiter des Schweizer Instituts in Rom. Treffpunkt eidgenössischer Künstler und Wissenschaftler. Seine Villa ist aber auch für Touristen geöffnet. Vom Turm aus hat man einen einzigartigen Blick über den gesamten Vatikanstaat.

    "Das ist der spektakulärste Blick auf den Vatikan. Hier oben habe ich das italienische Wort für atemberaubend gelernt: Mozzafiato!"

    Das findet auch Kathrin Loeser. Sie ist Deutsche und arbeitet seit 20 Jahren als Ärztin in Rom. Den Besuch im Schweizer Institut nutzt sie als kleine Geschichtsstunde für Tochter Giorgia.

    "Schau mal, der Vatikan. Die haben eigene Ministerien, eigene Polizei, eigene Gesetzt. Da kommt man nur mit einem Ausweis vom Vatikan rein."

    Obwohl Kathrin Loeser Ärztin ist, weiß sie wie viele Römer eines nicht:

    Gudrun Sailer: "Keiner weiß, das jeder, der ein italienisches Rezept hat, steuerfrei in der vatikanischen Apotheke einkaufen kann. Parfüms und alle Nettigkeiten, die es sonst noch so gibt. Man muss nur das Rezept zeigen und die Schweizer Garde lässt einen durch."

    Und da man gerade in der Nähe ist, lohnt es sich, auf einen Sprung in der vatikanischen Post vorbei zu schauen. Dieser Tipp könnte sogar einmal bares Geld wert sein. Der Vatikan ist ein souveräner Staat. Es gibt also auch eigene Briefmarken und Stempel. Und die können Sammlerwert bekommen.

    Wer es nicht hinter die Kulissen des Vatikans schafft, den erwarten ja immer noch die frei zugänglichen Attraktionen. Der Petersdom, die vatikanischen Museen und die sixtinische Kapelle sind nach wie vor ein Muss für jeden Rom-Reisenden. Doch es gibt auch Besitztümer außerhalb des Kirchenstaates, die offiziell zum Vatikan gehören. Die Basilika San Paolo fuori le mura zum Beispiel.

    Bekannt ist sie vor allem wegen der Papstportäts an der Decke. Aber vor gar nicht langer Zeit gab es hier eine handfeste Sensation unter der Erde: Das Grab des Apostel Paulus wurde unter dem Boden der Basilika wiederentdeckt. Man hatte es 1000 Jahre lang vergessen. So etwas können sich nur die Römer leisten, meint der Archäologe Giorgio Fillipi. Auf der einen Seite wird der U-Bahnbau monatelang gestoppt, weil eine antike Scherbe gefunden wurde. Auf der anderen Seite wird die Grabstelle eines Apostels vergessen:

    "Das Grab von Apostel Paulus war immer hier. Wir dürfen nicht den Fehler machen zu behaupten, wir hätten es gefunden. Wir haben es vergessen. Und jetzt wurde es wieder entdeckt."

    Giorgio Fillipi ist der Chef-Archäologe des Vatikan. Vor rund drei Jahren wollte er neue elektrische Leitungen für die Basilika verlegen lassen. Dabei stieß er nicht nur auf die Grabplatte und den Sarkophag des Apostel Paulus, sondern auch auf die Gräber früher Christen. Sie wollten so nah wie möglich bei ihrem Heiligen beerdigt sein.

    "Dies sind die Marmorplatten, die den Sarg früher umhüllten. Dem Apostel Paulus gewidmet ist darauf gemeißelt. Das sind die Familiengräber aus frühchristlicher Zeit. Natürlich wurden auch Familienmitglieder nicht zusammen beerdigt. Es galt: In jedem Grab liegt nur ein Körper."

    Der Sarkophag des Apostel Paulus kann wieder besichtigt werden. Die frühchristlichen Gräber, der Basilika nicht. Aber dafür gibt es ja die Katakomben. Tausende früher Christen sind in diesen unterirdischen Gewölben beerdigt worden.

    Die Katakomben Italiens sind ebenfalls in vatikanischer Hand. Alleine in Rom gibt es mehr als 50 davon. Nur fünf sind für Besucher geöffnet. Die Katakomben von San Callisto zum Beispiel. Sie liegen an der Via Appia Antica und sind der Arbeitsplatz von Pater Rainer, einem Kölner Salesianer Mönch:

    "Die unterirdischen Friedhöfe, die Katakomben, das muss man gesehen haben. Wir betreuen Besucher in 40 verschiedenen Sprachen. Wir haben zum Beispiel viele Finnen. Das spricht von uns keiner. Das haben wir dann auf Rekorder. Teilweise mit Hilfe von Radio Vatikan."

    Natürlich hat der Vatikan auch seine eigene Zeitung, seinen eigen Fernsehsender - und: Es gibt 35 verschiedene Redaktionen. Gesendet wird in 47 Sprachen. Besichtigungen sind sogar während der Live Sendung möglich. Nur weiß das kaum einer.

    Eine Stunde dauert ein Rundgang bei Radio Vatikan. Zumindest in der deutschsprachigen Redaktion. Eine Frage stellen deutsche Besucher so gut wie immer:

    "Kommt der Papst oft zu Besuch?"

    "Nein. Viele meinen immer, dass er jeden Tag mal segnend hier durch die Hallen schleicht. So ist das nicht. Ich kann mich nur an einmal erinnern, 2006 zum Geburtstag von Radio Vatikan. Da war der Papst hier."

    Für diejenigen, die den Papst - mit etwas Glück - einmal ganz privat beobachten wollen, hier ein letzter Tipp: Wer es gegen 15 Uhr auf die Aussichtsplattform des Petersdomes geschafft hat, könnte ihn in den vatikanischen Gärten beim Rosenkranz beten beobachten. Die Gärten selbst sind um diese Zeit geschlossen.