Donnerstag, 25. April 2024

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Historische DNA
Malaria-Erreger mit Kolonialgeschichte

Eine Jahrzehnte alte Blutprobe von einem Malaria-Kranken belegt es: Die Europäer haben den Malariaerreger während der Kolonialzeit nach Mittel- und Südamerika gebracht. Das konnte ein Forscherteam ermitteln, das den in Europa ausgestorbenen Erreger mit einem globalen Datensatz abglich.

Von Ada von der Decken | 02.01.2020
Eine Mücke der Gattung Anopheles Gambiae sticht einen Menschen in den Finger.
Malaria wird von Stechmücken übertragen (picture alliance / dpa / NNS /Landov)
Malaria war bis ins 20. Jahrhundert auch in Europa verbreitet. Mit besserer Gesundheitsversorgung und vor allem der Trockenlegung von Sümpfen wurde den Überträger-Mücken allerdings der feuchte Lebensraum geraubt. Die letzte Bastion der Krankheit war Spanien. Dort landete während des 2. Weltkriegs in einem Krankenhaus im Ebro-Tal Blut von Malaria-Kranken auf Objektträgern. 75 Jahre staubten sie vor sich hin. Bis sie in die Labors eines internationalen Forscherteams gelangten, das Lucy van Dorp vom University College London leitet.
"Wir hatten vier Objektträger von vier Menschen, 89 Prozent stammten von einer Probe, die haben wir dann mit der DNA aus den anderen Proben ergänzt, um die bestmöglich Qualität zu erhalten."
So konnten sie die DNA des Malaria-Erregers entschlüsseln: DNA des Malaria-Erregers Plasmodium vivax.
"Das mag ich an ungewöhnlichen Sammlungen. Diese Objektträger haben über Jahre in einer Schublade geschlummert. Und wir lernen durch sie so viel über Malaria. Ich glaube, das ist nur die Spitze des Eisbergs."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Lucy van Dorp ist Genetikerin am University College London (Ada von der Decken)
Weltweiter Vergleich offenbart die Herkunft des Erregers
Heutzutage treten die meisten Fälle von Malaria in Subsahara-Afrika auf. Dort dominiert ein anderer Malaria Erreger, nämlich Plasmodium falciparum. Außerhalb des afrikanischen Kontinents wird Malaria hingegen meist vom Erreger Plasmodium vivax verursacht. Lucy van Dorp nahm sich also den alten europäischen Vivax-Erreger vor und analysierte dessen Struktur:
"Man schaut sich also die 'Plasmodium vivax'-Erreger an, die im Moment weltweit im Umlauf sind, und vergleicht diese mit dem europäischen Strang. Welcher ist ihm am ähnlichsten? Wir haben einen großen Datensatz genommen und die DNA-Sequenzen paarweise verglichen. Und wir sind sofort auf ein Muster gestoßen: Dieser europäische ausgerottete Strang gleicht jenem, der in Mittel- und Südamerika vorherrscht. Auf diese Weise konnten wir eine Verbindung zwischen Europa und Amerika feststellen."
Hilfreich war die historische Probe auch, um die Vivax-Mutationsrate zu ermitteln.
"Ein Vorteil des historischen Erbguts besteht darin, dass es uns einen evolutionären Messpunkt bietet: Es verrät, wie die Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt aussahen."
Resistenzen existierten bereits in der Kolonialzeit
Der einzellige Vivax-Erreger verändert sich im Laufe der Evolution. Durch den Vergleich konnten die Forscher den Zeitpunkt ermitteln, als sich der europäische und der amerikanische Vivax-Strang trennten. Nach Angaben der Forscher geschah dies im 15. Jahrhundert - also zur Kolonialzeit. Die Europäer haben demnach den Malaria-Erreger Plasmodium vivax erst nach Amerika gebracht.
Und noch etwas offenbarte die Analyse: Selbst der alte ausgerottete Vivax-Erreger aus Europa zeigt im Erbgut schon Resistenzen gegen Malaria-Medikamente, die erst eingeführt wurden, als der europäische Vivax-Stamm längst ausgerottet war. Es wäre wertvoll gewesen, dieses Wissen schon bei der Entwicklung der Medikamente gehabt zu haben.
"Das Auftreten von Resistenzen ist eine der größten Herausforderungen im Kampf gegen Malaria. Wenn man sich das Erbgut zu verschiedenen Zeitpunkten anschaut, kann man verfolgen, welche Resistenzen schon da sind, und wie der Erreger sie weiterentwickelt. Das könnte man künftig schon abschätzen, bevor man das Medikament einführt."
Die Forscher mussten sich in diesem Fall mit nur einem Vivax DNA-Satz aus Europa begnügen. Und haben daraus schon viel herauslesen können. Nun hoffen sie auf mehr Daten aus ungewöhnlichen historischen Quellen, um noch mehr über die Verbreitungsgeschichte von Malaria zu erfahren.