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"Hitler besiegen"

Avraham Burg war früher Vorsitzender des Parlaments in Israel und Fraktionsvorsitzender der Arbeiterpartei. Er gilt als engagierter, aber keineswegs radikaler Zionist und er hat sich, seit er vor drei Jahren die Politik aufgab, einen Ruf als "Enfant terrible" der israelischen Publizistik erworben. Jetzt hat Avraham Burg wieder einen publizistischen Sprengsatz lanciert.

Von Joseph Croitoru | 15.06.2007
    Avraham Burg, früherer Parlamentsvorsitzender und davor Leiter der Zionistischen Agentur, ist nach seinem Rückzug aus der Politik vor drei Jahren zum Enfant terrible der israelischen Publizistik geworden. Der heute erfolgreiche Geschäftsmann, der aufgrund seiner früheren Ämter auch noch reichlich Spesen für Büro und Privatwagen erhält, findet noch Zeit, sich als Schriftsteller zu betätigen und kann mittlerweile auf eine steile publizistische Karriere zurückblicken. Burgs erstes Buch, 2004 erschienen, warnte ganz im Trend der Zeit vor religiösem Fanatismus, auch dem jüdischen, und wurde zum Bestseller. Seine Pressekolumnen sorgten immer wieder für Aufruhr, so etwa, als er vor zwei Jahren vorschlug, "Tischa Be-Aw", den religiösen Trauertag für die Zerstörung des Tempels, gleichzeitig auch zu einem Festtag zu erklären, um so als Pendant zur Tempelzerstörung die Gründung des Staates Israel zu feiern.

    Mit seinem soeben in Israel erschienenem Buch "Hitler besiegen", das im Land eine Welle der Entrüstung ausgelöst hat, greift der deutschstämmige Burg auf bislang präzedenzlose Weise den jüdischen Staat und dessen politische Kultur an. Er fordert die Abschaffung des Rückkehrrechts für Juden, was er damit begründet, dass dieses lediglich ein Spiegelbild der rassistischen Politik Hitlers gegenüber den Juden gewesen und heute ebenso wenig zeitgemäß sei wie der damit einhergehende "katastrophisierende Zionismus". Mit letzterem ist nicht nur die Fixierung der israelisch-jüdischen Identität auf den Holocaust gemeint, sondern auch eine geistige und politische Abhängigkeit von dem von den Zionisten eigens geschaffenen Mythos einer angeblich permanenten jüdischen Leidensgeschichte. Diese Sichtweise versperre immer mehr den Blick auf die Zukunft und führe zu einem gefährlichen Abgleiten in den Verfolgungswahn. Er wolle nicht mehr hinnehmen, schreibt Burg, dass Hitler ihm seine Identität vorschreibe, und zieht nun gegen die besonders in Siedlerkreisen häufig gezogenen Parallelen zwischen arabischen Führern und den deutschen Nationalsozialisten zu Felde. Auch die Definition des Staates Israel als jüdisch stört den Autor Burg. Aus seiner Sicht bedeutet sie das Ende des ursprünglich aufgeklärten Zionismus, weil sie die jüdisch-israelische Gesellschaft immer stärker in eine rassistische verwandele und sie ihrer humanistischen Werte beraube: Die jüdische Ausrichtung des Staates habe dem radikalen Messianismus Tür und Tor geöffnet, heute sei daraus politischer Sprengstoff geworden, der mit demokratischen Grundsätzen nicht mehr zu vereinbaren sei.

    Avraham Burgs Kritik richtet sich jedoch nicht nur gegen Israels religiöse Fanatiker. Burg ist der Meinung, dass die israelische Gesellschaft zu militaristisch und kriegerisch ausgerichtet sei und somit radikal mit der jüdischen Tradition der Weltoffenheit und Toleranz breche. Doch wo er andere wegen ihrer Nazi-Vergleiche geißelt, erhebt er selbst einen schwerwiegenden Vorwurf gegen das jüdische Israel: Es sei zunehmend faschistisch und imperialistisch geworden, die Kehrseite sei der wachsende Araberhass.

    Burgs Kritiker, die ihm aufgrund seiner Forderung, jeder Israeli solle sich gleichsam als Absicherung für die Zukunft einen ausländischen Pass besorgen, Staatsverrat vorwerfen, arbeiten schon an einem besonders heiklen Gesetzesentwurf: Dieser soll die künftig vorgesehene Bestattung Burgs in einem speziellen Sektor des staatlichen Herzl-Berg-Friedhofs in Jerusalem verhindern, wo traditionell Präsidenten, Ministerpräsidenten und Leiter der Zionistischen Agentur beigesetzt werden. In der arabischen Presse werden Burgs Äußerungen hingegen gefeiert. Die syrische Zeitung "Teshreen" sieht darin sogar einen Beweis für das nahende Ende des Zionismus und des israelischen Staates, das der mit Syrien verbündete iranische Präsident Ahmadinedschad unlängst bekanntlich verkündet habe.