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Hitzewelle
Speiseeis-Industrie fährt Sonderschichten

Bei Hitze tut Abkühlung gut - die Speiseeisindustrie kann daher momentan nicht klagen. Die Kapazitäten seien voll ausgelastet, sagte Ernst Kammerinke, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie, im Dlf. Zum Teil werde sogar mehr produziert als üblich.

Ernst Kammerinke im Gespräch mit Klemens Kindermann | 02.08.2018
    Verschiedene Eiscreme mit Nüssen und Schokolade.
    In Deutschland herrscht seit April gutes Eiswetter, so die Deutsche Süßwarenindustrie (imago)
    Klemens Kindermann: Die Hitzewelle hat Deutschland fest im Griff. Hier im Programm berichten wir in den letzten Tagen und Wochen immer wieder über die wirtschaftlichen Folgen etwa für die Landwirtschaft, den Verkehr, die Stromproduktion. Eine Branche allerdings kann sich nicht beklagen: die Produzenten von Speiseeis. Dazu kann ich sprechen mit dem Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie, Ernst Kammerinke. Herr Kammerinke: Jeder Deutsche isst - im Durchschnitt - pro Jahr rund 113 Kugeln Speiseeis. Dieses Jahr noch mehr?
    Ernst Kammerinke: Das schöne Sommerwetter wird mit Sicherheit dazu führen, dass der Pro-Kopf-Verbrauch in diesem Jahr ansteigt. Das hat nicht nur was mit dem schönen Sommer jetzt zu tun, sondern wir haben ja schon seit April anhaltend gutes Eiswetter, sodass wir wohl mehr als 113 Kugeln pro Kopf verzehren werden.
    Im Winter wird für den Sommer produziert
    Kindermann: Kommen wir auf einen neuen Rekordwert?
    Kammerinke: Das können wir jetzt noch nicht sagen. Das Jahr ist ja noch lange nicht zu Ende. Wir sprechen da immer von den Litern, also es ist so, dass die 113 Kugeln im vergangenen Jahr 7,9 Liter waren. Wir gehen davon aus, dass wir auf jeden Fall über die Acht-Liter-Marke in diesem Jahr kommen. Viel wird ja jetzt gesprochen über diesen Jahrhundertsommer im Jahr 2003, da hatten wir beispielsweise 8,7 Liter. Aber viel hängt jetzt davon ab, wie die nächsten Monate auch sich entwickeln.
    Kindermann: Wenn so viel Eis gegessen wird, kommen die Hersteller mit der Produktion denn nach?
    Kammerinke: Ja, sie kommen auf jeden Fall nach. Es ist ja so, dass die Speiseeishersteller schon, sag ich mal, quasi im Winter schon anfangen, für die Saison zu produzieren. Das Speiseeis wird dann in große Kühlhäuser eingelagert und an den Handel ausgeliefert. Und bei den derzeitigen Temperaturen wird natürlich mit Hochdruck immer wieder neu produziert. Also die Kapazitäten sind voll ausgelastet und teilweise werden auch Sonderschichten gefahren.
    Kindermann: Wie viel Umsatz in Euro wird mit Eis gemacht und wie viel davon noch in der guten alten Eisdiele?
    Kammerinke: Also, der Umsatz im Jahr 2017 war in der Industrie rund zwei Milliarden Euro im Industriebereich. Für die Speiseeisherstellung in den Eisdielen ist das etwas schwierig, da gibt es keine Zahlen. Von der Menge her kann man aber sagen, dass von dem Absatz her ungefähr 80 Prozent Industrieeis ist und 20 Prozent handwerkliches Eis und Softeis.
    Ist in Vanilleeis auch Vanille drin?
    Kindermann: Vanille, das Gewürz, ist aktuell knapp, drei Monate vor dem Eintreffen der neuen Vanilleernte aus Madagaskar. Der Preis steigt, manche sagen, es ist schon so teuer wie Silber. Wie geht die Industrie damit um?
    Kammerinke: Die Industrie spürt das natürlich auch, dass die Preise hier angezogen sind. Es ist aber nicht so, dass es für die Speiseeisindustrie überhaupt keine Vanille mehr gibt. Es gibt dort langfristige Lieferverträge mit den Aromenhäusern. Und die einzige Auswirkung, die wir im Moment haben, ist also nicht eine Verknappung von Vanille, sondern natürlich ein Preisanstieg. Dieser Preisanstieg macht sich aber im Moment für den Verbraucher noch nicht bemerkbar, weil es bei einem Produkt wie Speiseeis sich ja um ein zusammengesetztes Produkt handelt, mit vielen Rohstoffen, und die Vanille ist ein ganz, ganz kleiner Anteil neben der Milch, der Sahne, Zucker und Fett. Aber langfristig oder mittelfristig muss man natürlich schauen. Das ist aber immer eine Entscheidung dann oder auch eine vertragliche Situation mit den einzelnen Lebensmittelhändlern.
    Kindermann: Kann ich denn als Verbraucher noch sicher sein, dass in meinem Vanilleeis noch Vanille ist?
    Kammerinke: Im Vanilleeis, das unter dieser Verkehrsbezeichnung in Verkehr gebracht wird, kann der Verbraucher sicher sein, dass da auch Vanille drin ist: Das schreiben nämlich die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission vor, dass in einem Vanilleeis nur Vanillearomen stammen dürfen, die auch tatsächlich aus der Vanillepflanze stammen. Also es ist natürliches Vanillearoma, gemahlene Vanilleschoten oder eben ein Vanilleextrakt. Steht auf der Verpackung aber drauf, Eis mit Vanillegeschmack, dann ist das ein komplett anderes Produkt. Und hier dürfen auch synthetische Aromen eingesetzt werden.
    Erdbeereis ist schon lange kein Klassiker mehr
    Kindermann: Das ist der Punkt, wo Verbraucherschützen klagen, dass Speiseeis oft nicht hinreichend gekennzeichnet ist, also dass die sogenannten wertgebenden Zutaten nicht richtig ausgewiesen sind. Ist denn da was dran?
    Kammerinke: Ja, das ist die Sichtweise einiger Verbraucherschützer. Aber man muss sehen, dass die Verbraucherschützer ja auch mit beteiligt waren an der Neufassung der Leitsätze für Speiseeis. Die sind gerade erst Ende 2016 aktualisiert worden. Und hier arbeiten zusammen sowohl die Industrie als auch der Handel und das Handwerk, aber auch die Verbraucherseite und die Wissenschaft. Und es sind klare Vorgaben für die Kennzeichnung gegeben und auf den Speiseeisverpackungen der Industrie findet sich ja auch immer ein ausführliches Zutatenverzeichnis und eine klare Verkehrsbezeichnung.
    Kindermann: So, jetzt zum Schluss noch, kann ich Ihnen nicht ersparen: Die beliebtesten Eissorten, Plätze eins bis drei, sind?
    Kammerinke: Im Lebensmittelhandel bei den Haushaltspackungen ist es unverändert: Vanille, Schokolade und Nuss.
    Kindermann: Erdbeer nicht?
    Kammerinke: Erdbeer schon lange nicht mehr - im Handel, bei den Haushaltspackungen. In der Eisdiele mag es noch etwas anders sein.
    Kindermann: Herr Kammerinke, vielen Dank für das Gespräch!
    Kammerinke: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.