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Hitzlsperger
Homosexualität hat einen Platz im Profisport

Thomas Hitzlsperger will durch sein Coming-out andere noch aktive homosexuelle Sportler unterstützen. "Profisport und Homosexualität schließen sich nicht aus, davon bin ich überzeugt", sagte der Ex-Nationalspieler in einer Videobotschaft.

09.01.2014
    Thomas Hitzlsperger will durch sein Coming-out andere noch aktive homosexuelle Sportler unterstützen. "Ich hoffe, dass ich mit diesem Schritt in die Öffentlichkeit jungen Spielern und Profisportlern Mut machen kann", sagte der frühere Fußball-Nationalspieler in einer Erklärung. "Profisport und Homosexualität schließen sich nicht aus, davon bin ich überzeugt."
    In einer Videobotschaft betonte Hitzlsperger, dass es für ihn selbst und seine Familie unwichtig sei, dass er gerade jetzt an die Öffentlichkeit gehe. "Wichtig ist es nur für die Leute, die homophob sind, andere ausgrenzen aufgrund ihrer Sexualität - und die sollen wissen: Sie haben jetzt einen Gegner mehr."
    Gerüchte über schwule Fußballer in der Bundesliga gibt es seit Jahren - jetzt hat sich Hitzlsperger als erster ehemaliger deutscher Nationalspieler und Profi zu seiner Homosexualität bekannt und damit völlig überraschend ein Tabu gebrochen. Nachdem er vor vier Monaten seine Karriere beendet hatte, wählte er ein Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" für sein Coming-out. "Ich äußere mich zu meiner Homosexualität, weil ich die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranbringen möchte", sagte der Münchner: "Überdies habe ich das Gefühl, dass jetzt ein guter Moment dafür ist. Die Olympischen Spiele von Sotschi stehen bevor, und ich denke, es braucht kritische Stimmen gegen die Kampagnen mehrerer Regierungen gegen Homosexuelle."
    Enormer Gruppenzwang
    Der frühere Bundesliga-Spieler des VfB Stuttgart und des VfL Wolfsburg erklärte, warum er so lange über sein Schwulsein geschwiegen habe. Er habe sich "nie dafür geschämt, dass ich nun mal so bin". Trotzdem seien die Sprüche der Kollegen nicht immer einfach zu ertragen gewesen. "Überlegen Sie doch mal: Da sitzen zwanzig junge Männer an den Tischen und trinken. Da lässt man die Mehrheit gewähren, solange die Witze halbwegs witzig sind und das Gequatsche über Homosexuelle nicht massiv beleidigend wird", sagte der 31-Jährige: "Der Gruppenzwang kann enorm sein."
    Für seinen Schritt erhielt Hitzlsperger viel Lob von der Bundesregierung, Bundestrainer Joachim Löw, Funktionären und ehemaligen Mitspielern.
    Regierungssprecher Steffen Seibert wertete es als gut, "dass er über etwas spricht, was ihm wichtig ist, was ihn möglicherweise auch befreit". Er sagte: "Wir leben in einem Land, in dem niemand Angst haben sollte, seine Sexualität zu bekennen nur aus Angst vor Intoleranz."
    Fokus auf Sotschi
    Bundestrainer Joachim Löw, unter dessen Verantwortung Hitzlsperger 36 seiner 52 Länderspiele bestritt, forderte Respekt für den früheren Nationalspieler. "Thomas hat für sich persönlich entschieden, diesen Schritt zu gehen, und er sollte in einer toleranten Gesellschaft von allen respektiert werden", sagte Löw auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes. Er wünsche sich, ergänzte Löw, "dass sein Bekenntnis bei uns allen zu einem entspannteren Umgang mit dieser Thematik beiträgt."
    Sein Schritt wurde von seinem ehemaligen Nationalmannschaftskollegen Lukas Podolski als "wichtiges Zeichen" bezeichnet. Dies sei eine "mutige und richtige Entscheidung", verbreitete Podolski über Twitter. Ex-Kollege Arne Friedrich twitterte: "Bin stolz auf dich. Gute Entscheidung und aus meiner Sicht richtiger Zeitpunkt."
    Proud of you Thomas! You did the right thing. Bin stolz auf dich. Gute Entscheidung und aus meiner Sicht richtiger Zeitpunkt. #Hitzlsperger— Arne Friedrich (@arnefriedrich) 8. Januar 2014
    Aus England meldete sich Fußball-Legende Gary Lineker: "Herzlichen Glückwunsch! Er ist sehr mutig, dass er als erster Spieler, der in der Premier League gespielt hat, sein Coming-out hat."
    Hitzlspergers Coming-out fällt in die Zeit, in der Homosexualität im Sport durch die in einem Monat beginnenden Winterspiele verstärkt in den Fokus rückt. Die russische Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung hatte weltweit Kritik hervorgerufen. Mehrere Sportler, vor allem in den USA und Großbritannien, machten öffentlich, schwul oder lesbisch zu sein. Neben einigen Wintersportlern erregte vor allem das Coming-out des ehemaligen amerikanischen Fußball-Nationalspielers Robbie Rogers Aufsehen.