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Hochleistungsjet für die Atmosphärenforschung

Klimaforschung. – Die deutsche Klimawissenschaft wartet ungeduldig auf ihr neues Forschungsflugzeug, die HALO. Jetzt kam der US-Jet zum ersten Mal auf Visite nach Deutschland, bevor die für die Wissenschaft notwendigen Umbauten vorgenommen werden.

Von Volker Mrasek | 25.04.2006
    "Wir haben jetzt alles hochgefahren. Wir benutzen hier auch den Bordrechner der Falcon, auf dem wir uns Höhe, Feuchtigkeiten und alle möglichen Flugzeitdaten, Atmosphärendaten abrufen können."

    Eine typische Szene, wie es sie immer wieder gegeben hat an Bord der Falcon 20-E: Der Düsen-Jet ist vollgestopft mit Messapparaten. Forscher steigen mit ihm in höhere Sphären auf...

    "Wir wollen auf jeden Fall über den Wolken messen. Dort, wo der Wasserdampfgehalt so gering ist, dass man gut die Messung durchführen kann."

    Die Falcon ist das profilierteste deutsche Atmosphären-Forschungsflugzeug. Wissenschaftler waren mit ihr in der Arktis, in Australien und in Brasilien. Der Klein-Jet diente Ozon- und Klimaforschern gleichermaßen als robustes Arbeitstier. Doch langsam ist die Maschine reif für die Rente, nach 30 Jahren und fast 7.000 Flugstunden in Diensten des DLR, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

    Der Wissenschaftsrat. Das Bundesforschungsministerium. Die Helmholtz-Gemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft. Sie alle haben sich deshalb für einen neuen Forschungsjet ausgesprochen. In drei Jahren soll der Nachfolger der Falcon voll einsatzbereit sein. Es ist ein umgebautes Geschäftsflugzeug vom Typ "Gulfstream G 550", hergestellt in den USA. Schon jetzt stattet es seinem künftigen Heimatflughafen den ersten Besuch ab. Auf dem DLR-Stützpunkt Oberpfaffenhofen bei München erhält die Maschine spezielle Luft-Einlässe und Instrumentenfenster, bevor sie für weitere Umbauten noch einmal zurück in die Staaten geht.

    "Wir werden damit Forschung durchführen können, wie wir sie bisher nur erträumen konnten. Wir können nämlich übergehen von der Regionalliga zur Champions League, möchte ich mal sagen."

    Forscher aus 30 deutschen Institutionen wollen den zweistrahligen Jet nutzen. Darunter auch Ulrich Schumann, der Direktor des Instituts für Physik der Atmosphäre beim DLR. Der Name der neuen Messplattform steht bereits fest: Sie wird HALO heißen. Das steht für "Höhen- und Langstrecken-Forschungsflugzeug".

    "Hier spricht Ihr Kapitän. Wir haben soeben Nord 75 Ost 30 erreicht und wenden mit Flugrichtung Kiruna."

    Die Falcon kann höchstens fünf Stunden lang in der Luft bleiben. Ihr Nachfolger bringt es auf die doppelte Flugdauer. Damit schafft es HALO nonstop von München bis in die Tropen und wieder zurück.

    "Wir haben jetzt 33.000 Fuß. Entspricht in etwa 10 Kilometer."

    ...und viel höher kommt die Falcon auch nicht hinauf. Ihre Gipfelhöhe liegt bei rund 12.000 Metern. HALO schafft dagegen fast 16.000. Der umfunktionierte Geschäftsflieger hat noch einen dritten großen Vorteil: Seine Nutzlast ist mit drei Tonnen doppelt so hoch wie die der Falcon. Es passen also auch doppelt so viele Instrumente in die Kabine. Das alles mache in Zukunft viel ausgedehntere Messflüge möglich, sagt Ulrich Schumann - zum Beispiel in den Tropen:

    "Dort ist es ja bekanntlich sehr warm. Dort steigt die Luft sehr hoch auf. Und in dem Höhenbereich zwischen etwa zwölf und 17 Kilometern gibt es einen Übergangsbereich, in dem von den Tropen auch zu uns über unsere Köpfe weg Spurengase hintransportiert werden. Eine wichtige Frage ist schlichtweg: Wieviel Wasserdampf wird da transportiert? Wolken, die sich dort oben bilden, haben eine enorme Klimawirksamkeit. Wie diese Transportprozesse sind, davon haben wir bis heute gar keine Ahnung."

    Mit HALO kann diese Wissenslücke vielleicht einmal geschlossen werden - indem sie bis in die Spitze der gewaltigen tropischen Gewitterwolken vordringt. Bei anderen, schon heute geplanten Messflugkampagnen geht es um Fragen der Luftchemie, des Ozonabbaus. Schumann:

    "Und wir werden uns auch mit dem Wetter befassen. Wir haben festgestellt, dass wenn man in der Wetterküche misst, die zum Beispiel bei Neufundland liegt, ganz gezielte bestimmte Messungen vornimmt, man die Wettervorhersage noch mal deutlich verbessert. Das gehört auch zu den Aufgaben von HALO."

    Die ersten Missionen mit dem neuen Flaggschiff der deutschen Forschungs-Luftflotte sind fest eingeplant für den Sommer 2009. Solange genießt die gute alte Falcon noch eine Galgenfrist, ehe sie dann endgültig in Frührente geht. Mit 33!