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Hochschulproteste
Französische Universitäten müssen Prüfungen verschieben

In Frankreich dauern die Proteste gegen die Hochschulreform an - auch während der Prüfungsphase. Vielen Studenten geht das zu weit, schließlich haben sie ein Jahr für die Prüfungen gelernt. Anderen gehen die Proteste nicht weit genug: Sie wollen auf jeden Fall weitermachen.

Von Anne Raith | 17.05.2018
    Studenten protestieren mit Schildern in Frankreich
    Studentenprotest in Paris gegen eine Hochschulreform, den Vidal-ORE Act (dpa / Picture alliance / Julien Mattia )
    Zwei Springbrunnen säumen die Place de la Sorbonne vor der Universitätskapelle. Auf den Mäuerchen der Becken sitzen die Studierenden in kleinen Gruppen während der Mittagspause zusammen, plaudern, lesen, rauchen. In einer Ecke des Platzes haben Lena und Salia Pappschilder vor sich ausgebreitet. Protestplakate für die nächste Demo.
    "Wir wollen zeigen, wie unzufrieden wir sind. Unser Ziel ist es, dass die Regierung das Gesetz wieder zurückzieht und den Studierenden zuhört, die direkt betroffen sind."
    In den vergangenen Tagen mussten überall in Frankreich aus Protest gegen das Reformgesetz schriftliche Examen verlegt oder vorerst verschoben werden: In Grenoble, Lyon, Marseille oder wie heute Morgen in Rennes. Etwa 300 Studierende hatten dort die Prüfungsräume mit Tischen und Stühlen blockiert und Professoren und Prüflingen so den Zugang versperrt.
    Blockaden unter Studierenden umstritten
    Oft ist in den vergangenen Tagen auch die Polizei ausgerückt, um die Blockaden aufzulösen. Ein Großteil der Prüfungen aber, beteuerte Regierungssprecher Benjamin Griveaux, sei schon gelaufen. Die abgesagten Examen sollen jetzt als mündliche Prüfungen oder im Netz nachgeholt werden - wenn sie denn stattfinden können. In Nanterre planen die Reformgegner, die Verwaltungsgebäude zu blockieren.
    Ein paar Meter entfernt von der Gruppe mit Protestplakaten sitzen Caroline und ihre Freundin Claire in ihre Aufzeichnungen vertieft. Die beiden Jurastudentinnen sind genervt. Abgesagt werden mussten ihre Prüfungen nicht, aber sie wurden an einen anderen Ort verlegt.
    "Ich bin absolut gegen die Blockaden, auch wenn die Reform sicher ihre Schwachstellen hat. Aber die Reformgegner haben nicht das Recht, die Unis zu blockieren, Sachen zu beschädigen, die ihnen nicht gehören und anderen, die weiter studieren wollen, ihre Sicht der Dinge aufzuzwingen."
    Laut einer Umfrage der größten französischen Studierendenorganisationen, FAGE, sind gut 72 Prozent gegen die Blockaden. Auch Gabriel, der selbst bei einigen Streiks und Besetzungen dabei war, findet, dass die Reformgegner langsam zu weit gehen:
    "Das bringt unsere Sache nicht weiter. Ich kann verstehen, dass die Leute genervt sind, wenn sie das ganze Jahr gebüffelt haben und dann nicht geprüft werden können. Das ist für uns eher kontraproduktiv."
    Der Dialog sei auch in den Protestgruppen im Netz ziemlich verhärtet, findet der Geschichtsstudent.
    Proteste sollen weiter gehen
    Cécile kümmert sich im Netz um die Organisation der Proteste der Uni Paris Diderot. Sie steht hinter den Blockaden, ist seit der ersten Demonstration gegen die Reform dabei. Gegen die "Selektion". So empfindet sie es, wenn sich die Schüler künftig bei den Hochschulen bewerben müssen.
    "Die Blockade der Examen ist notwendig, um den Studierenden klar zu machen, dass wir jetzt dringend handeln müssen! Zugegebenermaßen war unsere Informationsarbeit nicht immer gut, wir hätten vorher erklären müssen, warum der Streik wirklich wichtig ist."
    Unterstützt sieht sich die Geschichtsstudentin von einem Verbund aus 38 Gewerkschaften und Organisationen: Die rufen dazu auf zu streiken, bis das umstrittene Gesetz zurückgenommen wird und fordern ein Ende der "Repressionen" durch die Polizei in den Unis. Cécile deutet in Richtung Polizeibus, der vor der Sorbonne steht.
    Indiskutabel sei das, dass die Prüfungen unter Polizeipräsenz stattfänden. Immer wieder ist es in den vergangenen Wochen zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Studierenden gekommen, Videos davon kursieren auch in den einzelnen Protestgruppen im Netz. Für sie ist klar, von wem die Provokation ausgeht: von der Polizei.
    Sie hofft, dass sie wieder mehr werden, wenn die ersten Schüler kommende Woche ihre Hochschulzulassungen nach neuem Verfahren bekommen – und nicht da landen, wo sie gerne hinwollten. Und dass sich dann alle zusammenschließen:
    "Es wird gerade in so vielen Bereichen gestreikt: Bei der Bahn, der Post im Departement 92, bei Air France, SUD Commerce. Jetzt müssen wir uns endlich koordinieren. So wie beim Generalstreik 1968. Am 22. Mai werden wir wieder auf die Straße gehen."
    ...und es wird nicht das letzte Mal sein, versichert Cécile.