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Hochwasser in Bosnien
Gefahr durch Landminen

Seit dem Kriegsende 1995 in Bosnien ist die Gefahr durch Landminen allmählich geringer geworden, es kam seltener zu Unfällen. Doch das Hochwasser, das nun die Menschen in mehreren Staaten Südosteuropas in Atem hält, könnte das wieder ändern. Landminen stellen eine unterschätzte Gefahr dar.

Von Ralf Borchard | 20.05.2014
    Zerstörerische Fluten: Hochwasser in der Ortschaft Bosanski im Norden Bosniens.
    Zerstörerische Fluten: Hochwasser in der Ortschaft Bosanski im Norden Bosniens. (dpa / picture alliance / Fehim Demir)
    Achtung, Minen - mit drastischen Fernsehspots wie diesem wird in Kroatien, Bosnien und Serbien seit Jahren vor der Gefahr gewarnt. Dennoch kommt es immer wieder zu tragischen Unfällen, etwa 1.800 Menschen sind allein in Bosnien bis Ende 2012 durch Minen getötet worden - auch spielende Kinder.
    Minen-Unterricht für Viertklässler in der Grundschule Grbavica in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo. Die Lehrerin klatscht in die Hände, damit Ruhe herrscht. Auf dem Tisch Minen und Granaten in allen Größen und Formen. Dzenja Skopljak, Minenexpertin der Europäischen Union, zeigt auf einer Karte des Landes, die mit roten Punkten übersät ist und erklärt:
    "Schaut, seht ihr die roten Punkte?" - Ja, rufen die Kinder - "Jeder Punkt ist ein Minenfeld," erklärt die Expertin weiter. "Und in einem Minenfeld können immer mehrere Minen sein."
    Drei Prozent verminte Fläche
    Drei Prozent der Fläche Bosniens galten vor dem aktuellen Hochwasser als vermint - vor allem Gebiete entlang der alten Frontlinien, die quer durch Bosnien-Herzegowina verlaufen. Mit Wasser und Schlamm ist das ohnehin schwierige Problem noch komplizierter geworden. Niemand kann abschätzen, wohin genau die explosiven Altlasten geschwemmt werden, auch eine feuchte oder durchnässte Mine bleibt gefährlich. Und das offizielle Ziel der bosnischen Regierung, das Land bis 2019 minenfrei zu machen, erscheint noch fraglicher als zuvor:
    "Wenn man bedenkt, dass wir bisher nur geschätzte 70 Prozent der noch bestehenden Minenfelder kennen, und wir in den Jahren seit dem Krieg nur rund die Hälfte der offiziell bestehenden Minenfelder räumen konnten, wird allein dadurch deutlich: Wir werden länger brauchen", sagt Dzenja Skopljak im Interview, "noch 20 bis 30 Jahre mindestens."
    Für viele der mehr als 20 Organisationen, die sich allein in Bosnien an der Minensuche beteiligen, sind sie unerlässlich: Minen-Hunde. Das Trainingszentrum der norwegischen Organisation People's Aid ist in Blagovac bei Sarajevo. Terje Groth Berntsen leitet das Zentrum und nennt seine Tiere "Top-Athleten":
    "Wir haben Hunde, die 11 Jahre alt sind und immer noch jeden Tag arbeiten. Und sich dabei völlig verausgaben. Sie arbeiten Jahre lang vier bis sechs Stunden lang und wedeln immer noch freudig – für sie ist das das Größte."
    Entschärfung per Hand
    Ein Großteil der Minensuche und -entschärfung aber läuft schon immer in mühsamer Handarbeit ab, mit Metalldetektor und einer langen Nadel zum Ertasten der Mine. Oft sind es ehemalige Soldaten, die die gefährliche Arbeit machen, auch deshalb, weil sie gut bezahlt wird - in einem Land mit einer Arbeitslosenrate von mehr als 40 Prozent.
    "Es ist besser keine Angst dabei zu haben", sagt dieser bosnische Vater von zwei Kindern, der seine Frau im Krieg verloren hat. "Aber man braucht Verantwortungsbewusstsein."
    Bei der Einschätzung der neuen Probleme nach der großen Flut stehen die einheimischen und internationalen Experten erst am Anfang. Die Minenzentren in Bosnien, Kroatien und Serbien haben ein gemeinsames Team gebildet, dass die aktuelle Gefahr zunächst analysieren soll. Klar ist: Zur bleibenden Überschwemmungs-, Erdrutsch- und Seuchengefahr kommt die Minengefahr, die nicht kleiner, sondern größer geworden ist.