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Höhenflug des Franken

Der starke Franken schadet den Schweizer Exportunternehmen, denn ihre Produkte sind im Ausland zu teuer. Die Tourismusindustrie ist ebenfalls durch die Stärke des Franken belastet, da die Urlauber bei den hohen Preisen auf die Konsumbremse treten.

Von Mathias Zahn | 04.08.2011
    So überraschend die Intervention kam – so kurz war ihr Erfolg: Schon gestern Nachmittag legte der Franken gegenüber dem Euro wieder zu. Viele Experten sind denn auch skeptisch, ob die Nationalbank den Franken auf Dauer schwächen kann. An der Eurokrise ändert das Eingreifen der Schweizer nämlich nichts, sagt Joachim Klement von der Zürcher Unternehmensberatung Wellershoff und Partners. Er meint, der Effekt wird verpuffen:

    "Ich denke, das einzige wirkliche Mittel, um den Franken auf Dauer gegenüber dem Euro zu schwächen, ist in der Schweiz eine höhere Inflation einzuführen und das wollen wir im Augenblick natürlich nicht. Deshalb denke ich, dass die Nationalbank weitere Interventionen in Zukunft wird machen müssen, wenn sie den Franken entsprechend schwächen will."

    Die Schweizer Wirtschaft hatte die Nationalbank in den vergangenen Wochen immer wieder kritisiert und ein Eingreifen gefordert. Der starke Franken ist Gift für die exportorientierten Unternehmen: Sie sind weniger wettbewerbsfähig. Ihre Produkte sind im Ausland einfach zu teuer. Immer mehr Firmen reagieren: Lassen länger arbeiten - bei gleichem Lohn. Beispiel: der Verpackungskonzern Model AG in Weinfelden. Die 900 Beschäftigten müssen ab September 42 statt wie bisher 40 Stunden arbeiten. Der Urlaub wird um eine Woche gekürzt. Geschäftsführer Daniel Model:

    "Einerseits haben wir diesen Währungszerfall, der sich so auswirkt, dass unsere ausländischen Wettbewerber stärker jetzt in diesen Markt Schweiz hinein liefern können. Auf der anderen Seite sind wir im Export, der Anteil macht circa 35 Prozent aus, nicht mehr konkurrenzfähig."

    Der Chef sagt unverblümt: Wem die Arbeitsverlängerung nicht passt, der kann gehen: Mitarbeiterin Antonella La Piana ist bitter enttäuscht:.

    "Ich war immer sehr positiv eingestellt für diese Firma. Ich finde das nicht okay, dass man das abwälzt auf die Arbeitnehmer."

    Nicht nur die Exportindustrie – auch die Tourismusbetriebe hoffen, dass das Eingreifen der Nationalbank den Höhenflug des Franken dauerhaft stoppt. Für Urlauber aus dem Euroraum ist die Schweiz in einem Jahr um ein Viertel teurer geworden. Deutsche Touristen, die zurzeit in Zermatt Urlaub machen, sind erstaunt bis entsetzt:

    "Die Preise gegen über Deutschland: horrend. Nein, es tut mir einfach leid, für einen Kaffee sechs bis acht Franken auszugeben. Ich finde, das ist nicht angemessen."

    Sechs bis acht Franken – das sind fünf bis sieben Euro für einen Kaffee. Die Kugel Eis kostet umgerechnet knapp drei Euro. Ein Hefeweizen sieben Euro. Die Urlauber treten bei diesen Preisen auf die Konsumbremse: Der Hotelier Pierre André Pannatier betreibt ein 60-Bettenhaus in Zermatt:

    "Beim Essen da wird einfach das billigere genommen. Man teilt sich eine Flasche Mineralwasser. Man nimmt keinen Kaffee mehr dazu, kein Dessert. Es wird einfach viel weniger konsumiert, was auch verständlich ist."

    Die Preise senken – davon rät der Schweizer Hotelverband seinen Mitgliedern ab. Die laufenden Kosten seien zu hoch. Es gebe keinen Spielraum, um günstiger zu werden. Viele Urlauber aus Deutschland haben der Schweiz schon den Rücken gekehrt. Die Zahl der Übernachtungen deutscher Touristen ist in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um acht Prozent zurückgegangen. Susanne Daxelhoffer vom Schweizer Hotelverband:

    "Die Stimmung ist ganz klar angespannt. Der Euro ist für uns ein großes Thema und ich denke, dass wir da noch stärker betroffen sind als von der Wirtschaftskrise."

    Der Verbandspräsident sieht sogar 1000 Hotels durch den starken Franken gefährdet. Der Ruf der Hotels ist nicht der beste. Eine Schweizer Zeitung schrieb kürzlich von der "Service-Hölle Schweiz": "Altertümliche Hotels, freches Personal und Nepp". Viele Hotels werden sich mächtig anstrengen müssen. Das weiß auch Susanne Daxelhoffer:

    "Es ist ganz klar eine Frage des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Der Kunde ist durchaus in der Schweiz bereit, einen Preis zu zahlen, wenn dann auch die Leistung stimmt."