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Höhn sieht Verbraucher "doppelt bestraft"

Heute haben sich Bund und Länder auf einen gemeinsamen Kurs bei der Begrenzung der Strompreise verständigt. Die Umlage für den Ausbau erneuerbarer Energien soll festgeschrieben werden. Bärbel Höhn (Grüne) kritisiert die Pläne: Es handle sich um einen "Ausbaustopp für die erneuerbaren Energien".

Mario Dobovisek im Gespräch mit Bärbel Höhn | 14.02.2013
    Mario Dobovisek: Als geneigter Beobachter kann man schon ins Grübeln geraten ob der Energiewende und der damit verbundenen Ökostrom-Förderung. Die war einst astronomisch hoch, weil sich eben auch die Preise für zum Beispiel Solarmodule in eben solchen Höhen bewegten. Die Preise fallen und das Sonnenkraftwerk auf dem heimischen Dach wird auch für viele Eigenheimbesitzer erschwinglich. So stieg jüngst die Zahl der Solarpaneele verspiegelten Dächer unerwartet stark an und damit wiederum auch die Kosten für die Förderung. Gerade erst drastisch von Schwarz-Gelb erhöht, soll nun die Umlage, die ein jeder Stromkunde für erneuerbare Energien bezahlen muss, gebremst werden – fast ein jeder Kunde übrigens, denn bislang gelten für die Industrie weit reichende Ausnahmen. Diese eine Frage können wir gleich weitergeben, und zwar an Bärbel Höhn, die stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Bundestag. Guten Tag, Frau Höhn!

    Bärbel Höhn: Guten Tag, Herr Dobovisek.

    Dobovisek: Ist es denn möglich, tatsächlich die Zusagen wieder zurückzunehmen, die einst den Solaranlagen-Besitzern auf ihren heimischen Dächern gegeben worden sind?

    Höhn: Eben ist es von Herrn Geers ja schon gesagt worden: da gibt es schon zum Beispiel die Aussage des Bundeswirtschaftsministeriums von letzter Woche, die gesagt haben, das ist verfassungswidrig. Es ist ja auch interessant, dass der Bundeswirtschaftsminister das jetzt anders sieht. Ich glaube, der entscheidende Punkt ist aber, dass das natürlich eine absolute Planungsunsicherheit gibt für auch neue Anlagen, denn in dem Moment, wo klar ist, die Bundesregierung greift auch bisherige Zusagen an, revidiert die wieder, wird es für Neuanlagen natürlich viel schwieriger, zum Beispiel Kredite zu bekommen, weil die Banken sagen, wir wissen ja gar nicht mehr, ob diese Konditionen wirklich gelten, und deshalb verlangen wir viel höhere Zinsen. Also de facto wird sowohl mit diesem Eingriff in die Altanlagen als auch mit diesen zusätzlichen Auflagen bei den Neuanlagen, wird am Ende der Ausbau der erneuerbaren Energien abgewürgt.

    Dobovisek: War es damals falsch, die Förderung mit über 50 Cent je Kilowattstunde geförderter Energie anzusetzen?

    Höhn: Ich glaube, das war schon richtig. Wir müssen vielleicht eher an die Wurzel des Übels. Warum ist die EEG-Umlage jetzt so gestiegen? Das hat ja mit dem Erfolg der erneuerbaren Energien zu tun, und zwar deshalb, weil die erneuerbaren Energien jetzt mittlerweile 22, 23 Prozent des Strommixes, also des Stroms erzeugen, deshalb also die Preise an der Energiebörse sinken und damit auch die Preise für große Teile der Wirtschaft, aber damit erhöhen sich gleichzeitig die Preise für die Verbraucher, weil die werden als Differenz zur Einspeisevergütung berechnet. So, und wir sagen als Grüne, dieser Bonus für die Wirtschaft, für den die nichts können, der unberechtigt ist, weil die Wirtschaft zahlt ja nur einen ganz minimalen Teil für die Erneuerbaren, profitiert aber jetzt exorbitant, den muss man eigentlich abschöpfen - das wollen wir, das ist unser Vorschlag – und damit die Verbraucher entlasten, die jetzt doppelt bestraft werden: einmal für den Bonus, den die Wirtschaft noch bekommt, und zweitens müssen sie ja außerdem auch noch den Ausbau der Erneuerbaren zahlen.

    Dobovisek: Die Beteiligung der Wirtschaft soll ja nun – wir haben es gerade gehört – neu oder vielmehr anders geregelt werden. Die FDP wollte noch am Wochenende einen ganzen Schritt weitergehen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das ja diese Förderungen vorsieht, gleich ganz abschaffen. Gäbe es denn dazu eine Alternative, Frau Höhn?

    Höhn: Aber de facto hat Herr Rösler sich ja durchgesetzt und das, was jetzt auf dem Tisch liegt, wäre ja eine Abschaffung des EEG. Das muss man ja so sagen. De facto würde es damit abgeschafft.

    Dobovisek: Aber die Förderung gibt es schon noch weiter.

    Höhn: Ja, weil einfach die Rahmenbedingungen so schlecht sind, dass dort keiner mehr investieren wird, und insofern hat sich Herr Rösler hier auf voller Linie durchgesetzt. Er hat ja vor einer Woche noch gesagt, die Vorschläge von Herrn Altmaier bedeuten den Ausbaustopp für die erneuerbaren Energien. Jetzt hat er noch weitere Verschärfung reingebracht, und natürlich ist das dann auf jeden Fall ein Ausbaustopp für die erneuerbaren Energien.

    Dobovisek: Was wäre denn schlecht daran – Sie haben die Strombörse in Leipzig ja schon angesprochen; dort gibt es immer die aktuellen Preise je nach Angebot und Nachfrage -, wenn denn alle Strompreise, ganz egal aus welcher Quelle sie stammen, einfach nur über diese Börse gehandelt würden?

    Höhn: Der entscheidende Punkt ist, dass das eigentlich für die Erneuerbaren nicht funktioniert, weil das funktioniert ja folgendermaßen: Wenn der Wind wirklich weht, dann haben wir häufig die Situation, dass sehr, sehr viel Strom im Netz ist, und dann ist der Börsenpreis null. Das heißt, wir haben immer die Situation, oder die Sonne scheint, das ist derselbe Effekt. Sie haben die Situation, wenn die Erneuerbaren Strom liefern, dann kriegt man da für diesen Strom kein Geld mehr.

    Dobovisek: Wie kommen wir aus dieser Zwickmühle heraus?

    Höhn: Man kommt aus meiner Sicht da raus, indem man zum Beispiel diese Absenkung des Börsenstroms, den ja die Erneuerbaren durch diesen Effekt bewirken, nicht einfach der Wirtschaft schenkt, Teilen der Wirtschaft – das sind ja auch noch gar nicht die Klein- und Mittelständler, sondern das sind die sogenannten Sonderkunden -, sondern dass man sagt, ihr müsst das zahlen, weil das ist einfach ein Vorteil, da habt ihr nichts dafür getan, und dass man diesen Bonus, den ungerechtfertigten Bonus als Bonus praktisch den Verbrauchern gibt, die dafür dann nicht doppelt zahlen müssen.

    Dobovisek: Wie weit reicht denn Ihrer Meinung nach der Arm der vier großen Energiekonzerne in den schwarz-gelben Kompromiss hinein?

    Höhn: Ja ich meine, das ist ja klar. Wenn der Ausbau der Erneuerbaren abgestoppt wird, heißt das ja keineswegs mehr, dass die Strompreise nicht mehr steigen, sondern dann haben wir die Situation von vorher: wir haben wieder eine schön gefestigte Monopolstruktur und dann können die großen Energiekonzerne auf ihre Art wieder die Strompreise steigen lassen. Das heißt, der Strompreis wird dann weiter steigen, die Ursache wird dann nur eine andere sein.

    Dobovisek: Wir haben also keine Strompreisbremse?

    Höhn: Wir haben keine Strompreisbremse, sondern wir haben eine Ausbaubremse für die erneuerbaren Energien. Das ist letzten Endes der Vorschlag von Herrn Altmaier.

    Dobovisek: …, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Ich danke Ihnen, Bärbel Höhn, für das Gespräch.

    Höhn: Bitte schön.


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