Freitag, 29. März 2024

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Hörspielpreis für Dlf-Produktion
Wenn die Geschichte die Gegenwart erklärt

Eine Produktion des Deutschlandfunks hat den international wichtigen "Hörspielpreis der Kriegsblinden" gewonnen. „Audio. Space. Machine“ des Duos wittmann/zeitblom erzählt von imaginären Begegnungen am Bauhaus. „Hier wird Sensibilität für Komplexes geschult“, sagte die Jury-Vorsitzende Gaby Hartel im Dlf.

Gaby Hartel im Gespräch mit Michael Köhler | 24.06.2020
Portraits von/of Christian Wittmann & Georg Zeitblom aka wittmann/zeitblom Berlin Wedding, September 2018
Ausgezeichnete Autoren: Christian Wittmann und Georg Zeitblom erhalten in diesem Jahr den "Hörspielpreis der Kriegsblinden". (Martin Walz)
Das 1919 gegründete "Bauhaus" feiert seinen hundertsten Geburtstag, der legendäre Direktor der Kunsthochschule muss deshalb eine Festrede halten. Leider fällt aber selbst Walter Gropius nichts mehr ein. Das ist die Grundkonstruktion des von NDR und SWR mitproduzierten Hörspiels "Audio. Space. Machine", mit dem ihn das Autorenduo wittmann/zeitblom im vergangenen Jahr auf eine imaginäre Reise zu ehemaligen Weimarer Kolleginnen und Kollegen geschickt hat. Gropius trifft Moholy-Nagy, Mies van der Rohe und andere, hofft auf Inspiration - stellt aber fest, dass viele der gemeinsamen Moderne-Ideen in den vergangenen Jahrzehnten Wirklichkeit geworden sind. Seine Künstlerfreunde scheinen dadurch nicht mehr aus Fleisch und Blut. Sie sind Mythen geworden und in den Erwartungen an das Bauhaus aufgegangen.
Der Schriftzug "Bauhaus" am Bauhaus Haupthaus in Dessau.
"Audio. Space. Machine" (Redaktion und Dramaturgie: Sabine Küchler) lief erstmals am 12. Januar 2019 im Deutschlandfunk, eine Wiederholung ist am 11. Juli 2020 um 20.05 Uhr in unserem Programm zu hören. Wer so lange nicht warten will, kann die Produktion, die in Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Rundfunk und dem Südwestrundfunk entstand, zeitunabhängig hier online auf dem DLF-Hörspielportal abrufen.
Labor für die Gegenwart
"Das, was wir im Moment sind, wie unser Alltag bestimmt wird: Sehr sehr vieles davon ist im 'Bauhaus' erfunden, erprobt, als Weiche gestellt worden", begründete die Vorsitzende der Jury, Gaby Hartel, im Deutschlandfunk die Auszeichnung dieses Stückes mit dem "Hörspielpreis der Kriegsblinden". Die Kulturjournalistin, Radioautorin und Übersetzerin bezieht die Aktualität der Produktion ausdrücklich auch auf die aktuellen, von der Pandemie-Situation bestimmten Situationen vieler Menschen:
"In der Jury haben wir uns alle unabhängig während des Lockdowns sehr viele Gedanken über unsere Zeit, über unsere Wirklichkeit, über unsere Welt im Augenblick machen können. Wir fanden es sehr wichtig, dass es einen kulturhistorischen Rückblick gibt und er uns aber gleichzeitig mit sehr emotionalen Mitteln und auch mit Mitteln einer sehr wichtigen Kunstform verständlich macht, was da eigentlich passiert ist - und wo wir eigentlich sind."
"Gründliche Recherche"
Das geschehe "mit Humor und ohne eine Belehrungsperspektive", heißt es in der Begründung der Jury. Eine "sehr sehr gründliche kulturhistorische Recherche" bescheinigte Gaby Hartel dem Autorenduo außerdem. Künstlerisch gestaltete Aussagen wie jene, die Kunst solle aufhören, Traum zu sein, und die Wirklichkeit darstellen, spiegelten die absolut komplexe Wirklichkeit der Gegenwart wider: Während überall versucht werde, Komplexität zu reduzieren und zu behaupten, alles sei eigentlich ganz einfach, versuche das Hörspiel "Audio. Space. Machine", das Gegenteil zu zeigen:
"Wie wichtig es eigentlich ist, sich auf etwas einzulassen, das zu kompliziert ist. Hier wird eine Sensibilität für Komplexes geschult. Und das brauchen wir auf Schritt und Tritt auch in unserem Alltag."