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Hoffen auf neuen Schwung für die Union

Mit Deutschland hat zum Jahreswechsel ein politisches Schwergewicht die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Vom wirtschaftlich größten und bevölkerungsreichsten Land Europas und dessen Kanzlerin erwarten die EU-Mitgliedsstaaten mehr als vom kleinen Finnland oder von Österreich. Und auch mehr, als vom traditionell euroskeptischen Großbritannien, dessen noch amtierender Premierminister Tony Blair während seiner EU-Ratspräsidentschaft viel versprochen, aber wenig erreicht hat.

Von Gerhard Irmler und Ruth Reichstein | 01.01.2007
    Ob ganz Brüssel "im Bann der deutschen EU-Ratspräsidentschaft" steht, wie eine Düsseldorfer Wirtschaftszeitung dieser Tage meinte, darf man bezweifeln. Die Ratspräsidentschaften kommen und gehen, die Brüsseler Nomenklatur bleibt bestehen. Eine einzige EU-Ratspräsidentschaft kann also nur Impulse geben, nie aber eine Entscheidung alleine durchsetzen.

    Von der Komplexität der Brüsseler Administration und ihrer Entscheidungswege kann auch der deutsche Industriekommissar Günter Verheugen ein Lied singen. Er hatte sich bitter darüber beklagt, dass ihn seine Generaldirektion und damit ihm untergebene Beamte ausbremsten, wo es nur gehe - bei seinem Bemühen den von der Kanzlerin gewünschten Bürokratieabbau voranzutreiben. Im Gegenzug war Merkels Brüsseler Mann in die Boulevard-Presse geraten, mit Fotos, die ihn händchenhaltend mit seiner Kabinetts-Chefin zeigten. Später hieß es, es existierten auch Fotos von seiner engsten Mitarbeiterin und ihm, nur mit einer Baseball-Kappe bekleidet. Angela Merkel hat zwar dem deutschen Industriekommissar ihre volle Unterstützung und Solidarität versichert, was die Lippesche Landeszeitung zu der Schlagzeile verführte "Merkel stellt sich vor nackten Verheugen". Doch seit der so genannten "Brüsseler Turtel-Affäre" ist der Kommissar angeschlagen und somit nicht voll einsatzfähig, als Speerspitze vor Ort im Kampf gegen ungeliebte EU-Richtlinien.

    Dabei stehen "Bürokratie-Abbau" und eine "bessere europäische Rechtsetzung" weit oben auf "Angelas Agenda", wie das 27-seitige deutsche EU-Ratspräsidentschafts-Programm bereits genannt wird:

    "Die Frage der Regelungsdichte um nicht das böse Wort Regelungswut zu gebrauchen ist noch nicht vollständig gelöst in Europa. Ob man die Sonnenschirm-Bestückung in Biergärten europaweit einheitlich regeln muss, weil die Beschwernisse einer spanischen Gewerkschaft über zuviel Sonne auf der Insel Rügen nur sehr bedingt geteilt werden können - und in Irland wahrscheinlich überhaupt nicht. Deshalb muss sich Europa auf das konzentrieren, was wichtig und alleine nicht machbar ist."

    Richtig an der eingangs zitierten Einschätzung, Brüssel befinde sich "im Bann der deutschen EU-Ratspräsidentschaft", ist allerdings, dass die EU-Mitgliedsstaaten vom wirtschaftlich größten und bevölkerungsreichsten Land Europas, vom politischen Schwergewicht Deutschland und dessen Kanzlerin mehr erwarten, auch realistisch mehr erwarten dürfen, als vom kleinen Finnland oder von Österreich. Und selbstverständlich auch mehr, als vom traditionell euroskeptischen Großbritannien, dessen noch amtierender Premierminister Tony Blair während seiner EU-Ratspräsidentschaft viel versprochen, aber wenig erreicht hat.

    "Präsident Barroso weist immer darauf hin, dass Deutschland zu den Ländern gehört, die politische und wirtschaftliche Integration wollen. Es gibt welche, die wollen nur wirtschaftliche, die anderen nur politische. Und weil Deutschland aus dieser Sicht heraus schon in der Vergangenheit wichtige Impulse hat setzen können, ist natürlich die Erwartung da, dass das auch diesmal wieder geschieht", "

    sagt Johannes Laitenberger, der Sprecher des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso. Tatsächlich hat es Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder geschafft, erfolgreich zwischen Großen und Kleinen, Europa-Fans und -Skeptikern zu vermitteln. Zum Beispiel bei der Entscheidung über das EU-Budget für die Jahre 2007 bis 2013. Beim entscheidenden Gipfel vor etwas mehr als einem Jahr war es Angela Merkel, gerade frisch im Amt, die Briten, Polen, Niederländer und Spanier schließlich an einem Tisch gebracht und einen Kompromiss herausgeschlagen hat. Ein furioser außenpolitischer Start, der viele Hoffnungen weckt. Kommissionssprecher Johannes Laitenberger, warnt aber vor überzogenen Erwartungen:

    " "Es ist ganz einfach so, dass die deutsche Präsidentschaft, zu einem wichtigen, zu einem strategischen Zeitpunkt stattfindet. Und deshalb ist es ganz natürlich, dass es hier Erwartungen gibt. Allerdings müssen wir fair bleiben. Präsident Barroso sagt immer, eine Präsidentschaft dauert sechs Monate und nicht sechs Jahre. Und das setzt dem, was geleistet werden darf, natürlich auch Grenzen. Man darf nicht erwarten, dass alle Probleme auf einen Schlag gelöst werden."

    Und nach einem mediokren innenpolitischen Jahr ist auch die Kanzlerin selbst bemüht, die zum Teil extrem hohen Erwartungen an ihre EU-Ratspräsidentschaft zu dämpfen.
    Schließlich befindet sich die EU mit ihren inzwischen 27 Mitgliedsstaaten nach dem Verfassungs-Debakel noch immer in einer handfesten Sinn- und Selbstfindungskrise. Uneins, was die politische Ausrichtung, nach Innen wie nach Außen und was die künftigen Grenzen angeht.

    In den meisten Mitgliedsstaaten, nicht zuletzt in Deutschland, wird das "Projekt Europa" von den Geringverdienern und den weniger Ausgebildeten nicht gerade mit Sympathie begleitet, sondern mit massiven Ängsten vor der Erweiterung und der Globalisierung, mit Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und von sozialen Errungenschaften.
    Mit abnehmender Tendenz allerdings, wie es im jüngsten "Eurobarometer" dazu heißt, sagt der Meinungsforscher Carsten Kluth:

    "Gleichwohl halten immer noch 47 Prozent der Deutschen und über 40 Prozent der Europäer die Globalisierung für eine Gefährdung für europäische Unternehmen und nachfolgend Arbeitsplätze. Die EU begreifen immerhin 36 Prozent der Deutschen als Schutz vor dieser Gefährdung."

    Die Kanzlerin will sich entsprechend behutsam verhalten, was zeitweise schon zu der Befürchtung Anlass gab, Angela Merkel wolle die EU führen, wie sie Deutschland derzeit regiert und ihr innenpolitisches Konzept der kleinen Schritte auf die EU-Ratspräsidentschaft übertragen.

    "Wir sind uns bewusst, dass der Ausgangspunkt dieser Präsidentschaft nicht ganz einfach ist. Und zwar besonders weil die Zustimmung zur EU und zur europäischen Integration in den letzten Jahren sehr abgenommen hat."

    Deshalb hat Angela Merkel die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zu einer "nationalen Aufgabe" erklärt. Sie tat dies vor weitgehend leeren Rängen des Deutschen Bundestages. Als einziger Oppositionspolitiker versprach Guido Westerwelle, die Kanzlerin zu unterstützen

    "Ich kann jedenfalls für die liberale Opposition in diesem Hause sagen: Wir werden sie bei ihrem wichtigen Anliegen, diese Ratspräsidentschaft zu einem Erfolg zu machen - und im Interesse unseres Landes zu führen mit Sicherheit unterstützen."

    Auch auf den SPD-Vorsitzenden kann sich die Kanzlerin während ihrer EU-Ratspräsidentschaft verlassen. Kurt Beck lobt das Merkelsche EU-Ratspräsidentschaftsprogramm, kein Wunder, schließlich haben zahlreiche SPD-Minister daran mitgewirkt:

    "Deutschland ist aus meiner Sicht ganz ordentlich vorbereitet. Wir haben uns als Sozialdemokraten eingebracht. Ich habe auch die entsprechenden Reaktionen der Kanzlerin und bin damit einverstanden. Also, wir werden da schon eine vernünftige Rolle spielen."

    Renate Künast, Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen hielt Angela Merkel hingegen in der Bundestags-Debatte zum EU-Ratpräsidentschaftsprogramm vor:

    "Sie sind gar nicht wirklich gut aufgestellt für die Präsidentschaft. Es ist in Brüssel üblich, dass jeder Mitgliedsstaat bevor er in die Präsidentschaft geht tatsächlich dafür Sorge trägt, dass er selbst keinen Konflikt vor sich hat. Sie gehen aber in diese Rolle hinein mit einem blauen Brief für den Emissionshandel, mit einer Abnahmung was die Reduzierung bei ihrem Bericht Treibhausgasemissionen anbetrifft und mit einer, wie ich finde, wirklich unnötigen vorherigen Eskalation bei dem Thema Verhandlungen mit der Türkei - durch sie persönlich vorgenommen."

    Und damit nicht genug: Über die Frage der Verwendung der Rundfunkgebühren hat man sich mit der EU-Kommission in letzter Minute geeinigt und beim Sparkassenstreit schlossen Brüssel und Berlin einen Burgfrieden. Doch an anderen Streitigkeiten herrscht kein Mangel. Gegen das VW-Gesetz klagt Brüssel vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Bei der Tabakwerbung ist Berlin dort vor kurzem unterlegen und was den Bau eines schnellen Glasfasernetzes angeht, so hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das den deutschen Telefonriesen von der Regulierung ausnimmt, auch dagegen wird die EU-Kommission gerichtlich vorgehen.

    Da nützt es auch nichts, dass EU-Kommissionspräsident José Barroso gebetsmühlenhaft die gute Zusammenarbeit mit Deutschland betont:

    "Wenn es eine Regierung in Europa gibt, die die gleichen Vorstellungen hat, wie die EU-Kommission, dann ist dies die Bundesregierung. Für die kommenden 6 Monate haben wir die gleichen Ziele."

    Wenn es um das Gemeinschaftsrecht geht, will Kommissionspräsident Barroso - trotz aller Sympathiebekundungen für Angela Merkel - nicht mit sich handeln lassen.

    "Wir müssen das Gemeinschaftsrecht anwenden, das macht mitunter Probleme, aber was Deutschland angeht, so beobachten wir beachtliche Fortschritte. Natürlich suchen wir in Streitfällen nach konstruktiven Lösungen, aber wir können auch keine allzu flexible Haltung einnehmen."

    Zumeist geht bei den Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission um den Schutz deutscher Besonderheiten. Zwar hat sich die Anti-Brüssel-Rhetorik mit dem Abgang Gerhard Schröders wieder etwas gelegt, aber noch immer empfinden viele Politiker in Deutschland die Ermahnungen, das Gemeinschaftsrechts und die Vorschriften des europäischen Binnenmarktes zu beachten als Zumutung.

    Kein Wunder, dass für das nur schwer regierbare föderale Deutschland der Erhalt des Subsidiaritätsprinzips ein Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sein wird, wie Joachim Wuermeling betont, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

    "Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Vor dem Hintergrund der Erfahrung eines dynamischen Föderalismus halten wir die Rasenmähermethode für Europa nicht für sinnvoll und in diesem Sinne wird auch unsere Präsidentschaft wirken."

    Ein weiteres Kernthema der deutschen Ratspräsidentschaft soll die Weiterentwicklung des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells sein. In der Einleitung zum deutschen EU-Ratspräsidentschaftsprogramm heißt es etwas hochgestochen:

    "Die Europäische Union will ihre Vorstellungen einer nachhaltigen, effizienten und gerechten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung in den globalen Gestaltungsprozess einbringen und damit das europäische Lebensmodell bewahren.

    Aus dem Mund der Bundeskanzlerin klingt das so:

    " Wenn wir wirtschaftlich nicht stark sind, wenn wir den Menschen keine Perspektive geben können, dann wird Europa, dann wird die Europäische Union nach außen hin auch nicht stark auftreten können. "

    Deshalb will Deutschland ein ganzes Paket von Maßnahmen umsetzen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, von Wachstum und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, aber auch von Maßnahmen, wie es im Programm heißt, "die dem sozialen Zusammenhalt dienen".

    Die Erwartungen der verschiedenen Akteure sind auch auf diesem Gebiet groß und oft völlig gegenläufig, ja unvereinbar. Der europäische Verband der Unternehmer zum Beispiel, Unice, hat schon vor Monaten damit angefangen, sich das deutsche Präsidentschaftsprogramm ganz genau anzuschauen. Die Erwartungen der Europäischen Unternehmen an die deutsche Ratspräsidentschaft seien sehr hoch, sagt Folker Franz von Unice:

    "Das liegt ganz einfach an dem ernormen wirtschaftlichen Gewicht, das Deutschland besitzt, wodurch Deutschland sehr großen Einfluss auf alle wirtschaftspolitischen Themen hat. Und das sind in den nächsten sechs Monaten vor allem Energie und bessere Rechtssetzung."

    Während also die Grünen-Politiker im Europäischen Parlament und die europäischen Umweltorganisationen von Deutschland vor allem eine klare Stellungnahme zu erneuerbaren Energien und Klimaschutz erwarten, versprechen sich die Unternehmen vom deutschen Programm vor allem eine Unterstützung des wirtschaftlichen Wachstums in der EU - gerade beim Thema Energiepolitik:

    "Es vereinigt mindestens drei Dimensionen: die umweltpolitische Dimension, die Dimension der Versorgungssicherheit und eben auch die wirtschaftliche Dimension. Und es ist uns sehr wichtig, dass dies auch in den EU-Entscheidungsstrukturen berücksichtigt wird. Wir sehen da eine wichtige Rolle für die deutsche Präsidentschaft, dass zum Beispiel Klimapolitik nicht nur im Umweltrat diskutiert wird, sondern auch im Wettbewerbsfähigkeitsrat."

    Aber neben den Fortschritten in der Wirtschafts- und Energiepolitik wird Angela Merkel vor allem daran gemessen werden, ob es ihr gelingt der im Koma liegenden EU-Verfassung wieder Leben einzuhauchen. Kommissionssprecher Johannes Laitenberger:

    "Die Präsidentschaft wird zwei Teile haben. Bis zum Frühjahrsrat werden wir uns in erster Linie mit wirtschaftlichen Fragen zu beschäftigen haben. Ende März haben wir den 50. Geburtstag der EU-Gründungsverträge und dort wird es ein Treffen der Staats- und Regierungschefs in Berlin geben und dort soll eine Berliner Erklärung verabschiedet werden. Und von dieser Erklärung erwarten wir einen Impuls, neue Energie, neuen Schwung für die europäische Integration. Vielleicht ein bisschen was von der Dynamik, die Deutschland während der Fußball-WM der Welt vorgeführt hat."

    Ähnlich sieht es der Deutsche Martin Schulz, der Chef der Sozialisten im Europa-Parlament. Für ihn birgt die Deutsche Ratspräsidentschaft die Chance, zu zeigen,

    "dass die EU noch eine relativ attraktive 50-Jährige ist, die noch ein langes Leben vor sich hat und in ihrem hohen Alter noch immer neue Reize entwickeln kann. Wenn man es schafft, um den März rum Europa als ein sexy Projekt auch für junge Leute zu entwickeln und darzustellen, dann bringt das auch wieder einen gewissen Drive und einen gewissen Schwung."

    Deutschland soll die Europäische Union also wieder in Fahrt bringen und aus der institutionellen Krise führen. Aufgabe Nummer Eins deshalb der deutschen EU-Ratspräsidentschaft: Die Erstellung eines Fahrplans, einer "road map", zur Wiederbelebung des so genannten Verfassungsprozesses. Keine einfache Aufgabe, sagt der Brüssler Politikwissenschaftler Guillaume Durand:

    "Die Deutschen sind einerseits ehrgeizig und dann wieder sehr vorsichtig. Sie geben kein klares Ziel vor, damit sie hinterher keine Niederlage einstecken müssen. Das ist ziemlich realistisch, weil niemand weiß, wie die politische Lage in sechs Monaten aussehen wird."

    Vor allem die kleineren Parteien im Europäischen Parlament sind aber skeptisch, dass Deutschland in der Verfassungsfrage ein großer Wurf gelingen könnte.

    Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion Monica Frassoni wertet die Zurückhaltung der Deutschen nicht unbedingt positiv:

    "Das Problem ist, dass es in unserer Welt keine Wunder gibt. Wenn man eine Lösung finden will, dann muss man darüber reden, diskutieren. Bisher wissen wir noch gar nichts. Alles bleibt unter der Hand. Die Deutschen bleiben sehr vage, weil sie Angst haben, dass eine offene Diskussion negative Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess haben könnte."

    Immerhin: 18 von 27 EU-Staaten haben die Verfassung ratifiziert, 8 davon nach dem französischen und niederländischen Nein. In Frankreich sind inzwischen wieder 56 Prozent der Befragten für eine europäische Verfassung, in den Niederlanden sind es 59 Prozent. Der derzeitige niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende war beim Dezember-Gipfel trotzdem skeptisch:

    "Wir sind noch in der Phase der Regierungsbildung, aber klar ist - wenn man den Abgeordneten im niederländischen Parlament zuhört - dass die Verfassung in dieser Form keine Zukunft hat. Wir wissen aber auch, dass wir Reformen brauchen. Die Diskussion wird also weiter gehen."

    In Großbritannien hätte der Verfassungstext bei einer Volksbefragung und wohl auch im Parlament derzeit keine Chance, in Polen nur theoretisch. In Frankreich wird erst im Mai ein neuer Präsident gewählt, und deshalb werden die Franzosen erst danach wieder neu über die Zukunft der Verfassung nachdenken können. Zumindest aber kann Angela Merkel in den ersten Monaten ihrer Präsidentschaft mit der Unterstützung von Präsident Jacques Chirac rechnen. Das gleiche gilt für die folgenden EU-Ratspräsidentschaften Portugal und die Slowakei. Mit beiden Ländern hat Deutschland ein gemeinsames Programm ausgearbeitet. Und auch aus dem EU-Parlament muss Merkel kaum mit Widerstand rechnen. Das meint zumindest die Grünen-Chefin Monica Frassoni:

    "Das Problem, das wir haben, ist, dass die beiden großen Gruppen auf keinen Fall die Regierungen in den Mitgliedsstaaten stören wollen - und erst recht nicht eine große Regierung wie die deutsche. Und weil sich die beiden großen Gruppen zusammenschließen, ist es immer schwieriger, eine Opposition zu bilden."

    Damit zumindest einige wichtige Punkte am Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft abgehakt werden können, hat Berlin in Brüssel außerdem seine Präsenz verstärkt. Bereits vor einigen Monaten bezog die dortige ständige Vertretung bei der EU ein neues, größeres Gebäude. Zurzeit sind in Brüssel 70 Beamten mehr stationiert als normalerweise. Dazu kommen natürlich noch einmal zahlreiche Helfer und Helfershelfer in Berlin und in den Bundesländern. Die voraussichtlichen Kosten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und des in Heiligendamm stattfindenden G-8-Gipfels werden mit 140 Millionen Euro veranschlagt und liegen damit durchaus im üblichen Rahmen.

    Ob die Deutsche EU-Ratspräsidentschaft ein Erfolg wird, das wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Bis dahin gilt die Devise der Bundeskanzlerin:

    "Deutschland und auch die Europäische Union dürfen und werde sich nicht überheben. Deutschland kennt seine Möglichkeiten, aber Deutschland kennt auch seine Grenzen."