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Hoffnung auf Kulturaufwind durch georgischen Multimilliardär

In Georgien hat zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ein Machtwechsel auf demokratischem Weg stattgefunden. Die Hoffnungen in den neuen Premierminister, dem Milliardär Bidzina Iwanischwili, sind groß - auch unter Intellektuellen.

Von Gesine Dornblüth | 21.10.2012
    Die Schriftstellerin Naira Gelaschwili strahlt noch immer, wenn sie über den Wahlsieg des Milliardärs Bidzina Iwanischwili Anfang Oktober in Georgien spricht.

    "Ganz unerwartet für uns alle plötzlich ist dieser Mensch erschienen, der immer im Schatten war. Das war irgendwie wie eine mythische Figur. Man wusste das vom Hörensagen, dass ein gewisser Iwanischwili alles hier finanziert in Georgien. Aber er war nicht zu sehen. Es ist sogar die Meinung entstanden, in der Zeitung hat man geschrieben, vielleicht gibt es diesen Menschen überhaupt nicht."

    Doch es gibt ihn. Und nun hofft sie, dass der große Wohltäter auch die Kultur fördert. Naira Gelaschwili leitet das Kaukasushaus in Tiflis. Eine einzigartige Institution, die versucht, das Erbe der vielen kaukasischen Kulturen zu bewahren und die Völker miteinander ins Gespräch zu bringen. Seit dem Ende der Sowjetunion vor gut 20 Jahren ist das immer schwieriger geworden. Denn es sind neue Staaten und neue Grenzen entstanden. Die scheidende Regierung unter Staatspräsident Micheil Saakaschwili hat die Beziehungen Georgiens zu Russland ruiniert. So ist ein Austausch mit den Völkern im russischen Norden des Kaukasus nahezu unmöglich geworden. Der künftige Premierminister Bidzina Iwanischwili will die Beziehungen Georgiens zu Russland wieder verbessern. Die Schriftstellerin Gelaschwili findet das nur vernünftig.

    "Man muss sehr nüchtern sein. Du kannst Nachbarn nicht wechseln. Das ist meine ganz einfache Lebensphilosophie. Dein Nachbar ist Russland. Und Russland ist gefährlich. Deshalb musst du klüger sein. Du musst mit deiner Klugheit, mit deiner Diplomatie, mit deinen Begabungen selbst diese Wege des Zusammenlebens suchen. Nicht Russland wird das suchen, sondern du musst das, ein kleines, schwaches Land darüber denken."

    Gelaschwili war eine klassische sowjetische Dissidentin. Der scheidenden Regierung und vor allem Staatspräsident Saakaschwili wirft sie vor, sie hätten die intellektuelle Elite Georgiens zerstört. Saakaschwili hat in den USA studiert und ist davon geprägt. Naira Gelaschwili meint, seine stürmischen liberalen Reformen der letzten Jahre hätten die eher traditionelle georgische Gesellschaft überfordert und das Land polarisiert.

    "Die Stimmung des Volkes ist nicht für Amerika."

    Viele georgische Intellektuelle haben in Moskau studiert, sprechen fließend Russisch, kennen und lieben die russische Kultur. Sie sehen sich jetzt im Aufwind. Doch ein gewisses Unbehagen bleibt. Iwanischwili hat sein Vermögen in Russland gemacht. Niemand weiß so recht, was ihn motiviert hat, in die Politik zu gehen. Vielleicht hat ihn doch der Kreml geschickt?

    "Ich kann nicht sagen, was Iwanischwili bewegt. Wie er abhängig von Russland sein kann. Ich weiß nicht. Was uns Hoffnung gibt, dass dieser Mensch ... der Ansporn ist nicht Drang nach der Macht, das brauchte er eigentlich nicht. Ihm fehlte nichts."

    Gelaschwili hat sich sogar dazu hinreißen lassen, für den Milliardär Wahlkampf zu machen. Nun hofft sie, nicht enttäuscht zu werden.

    "Die Macht ist immer gefährlich. Die Macht macht die Menschen nicht besser. Umgekehrt. Sie verlieren irgendwie Empfindung für Wirklichkeit. Und so entsteht falsche Sprache, politische Sprache, die überhaupt keinen Zugang zu den Herzen mehr findet, das hasse ich ganz besonders als Schriftstellerin. Und die Macht macht die Menschen auch stupid. Nun ja. Was kann ich sagen. Das ist immer sehr gefährlich, aber ich und meine Freunde werden immer in der Opposition bleiben."