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Hoffnung für die deutsche Wirtschaft

Als die Weltwirtschaftskrise im Sommer 1931 auf ihren Höhepunkt zutrieb, schlug der US-Präsident vor, sowohl die deutschen Reparationszahlungen, als auch den Schuldendienst für die alliierten Kriegsanleihen ein Jahr lang auszusetzen. Am 6. Juli 1931 wurde in Paris, nach einem zähen diplomatischen Ringen, eine Einigung über das "Hoover-Moratorium" erzielt.

Von Volker Ullrich | 06.07.2006
    Am Abend des 20. Juni 1931 ließ der amerikanische Präsident Herbert Hoover über die Presse eine wichtige Botschaft verbreiten:

    "Die amerikanische Regierung schlägt für die Dauer eines Jahres den Aufschub aller Zahlungen zwischenstaatlicher Schulden und Reparationen vor, sowohl für das Kapital als auch für die Zinsen. Es ist das Ziel dieses Schrittes, das kommende Jahr der wirtschaftlichen Gesundung der Welt zu widmen und dazu beizutragen, die Kräfte der Erholung, die sich in den Vereinigten Staaten bereits rühren, von hemmenden Einflüssen zu befreien."

    Hintergrund der Aufsehen erregenden Initiative Hoovers war die Wirtschaftskrise, die mit dem New Yorker Börsenkrach von Ende Oktober 1929 begonnen und sich mittlerweile zu einer weltweiten Depression entwickelt hatte.

    Am schwersten betroffen war Deutschland, denn die wirtschaftliche Erholung der Weimarer Republik seit Mitte der zwanziger Jahre beruhte zum großen Teil auf kurzfristigen ausländischen, vor allem amerikanischen Krediten, die mit Beginn der Krise zurückgezogen wurden. Im Sommer 1931 bewegte sich die Reichsregierung bereits am Rande der Zahlungsunfähigkeit.

    So verheerend die Folgen der Krise auch waren - für den deutschen Reichskanzler Heinrich Brüning boten sie auch eine Chance. Er wollte die Depression nutzen, um Deutschland von allen Reparationslasten zu befreien. Das war der eigentliche Sinn seiner Deflationspolitik. Durch einen Kurs äußerster Sparsamkeit wollte er den Gläubigermächten, allen voran Frankreich, vor Augen führen, dass Deutschland seinen Zahlungsver-pflichtungen nicht mehr nachkommen könne.

    Den Vorschlag Hoovers für ein Moratorium betrachtete Brüning daher auch nur als einen Zwischenschritt auf dem Weg zum angestrebten Ziel, das Reparationsproblem ein für allemal aus der Welt zu schaffen. In einer Rundfunkansprache vom 23. Juni 1931 begrüßte der Reichskanzler die Initiative des amerikanischen Präsidenten.

    "Das deutsche Volk und die deutsche Regierung, haben mit herzlicher Dankbarkeit die Vorschläge des amerikanischen Präsidenten Hoover angenommen. Eine neue Hoffnung für Europa und Deutschland sehen wir aus diesem Vorschlage erwachsen: Er bringt Deutschland eine Hilfe in einem entscheidenden Augenblick seiner Geschichte, in denen Schwierigkeiten bis zum äußersten sich aufgetürmt haben. Der erste wirksame Anfang für eine bessere Zukunft ist erfolgt."

    Zugleich bekräftigte Brüning jedoch seinen wirtschaftspolitischen Kurs.

    "Der Vertrauensbeweis, der in dem weltgeschichtlichen Schritt des Präsidenten Hoover liegt, kann nur Früchte tragen, wenn das deutsche Volk fest entschlossen ist, aus eigener Kraft den Weg der größten Sparsamkeit auf allen Gebieten weiterzugehen."

    Während Hoovers Vorschlag in Deutschland auf breite Zustimmung stieß, fühlte man sich in Paris vor vollendete Tatsachen gestellt. Es bedurfte langwieriger Verhandlungen, um den Widerstand der französischen Regierung zu brechen. Erst am 6. Juli 1931 konnte die Zustimmung aller Beteiligten erreicht werden.

    Infolge der wochenlangen Verzögerung verpufften die günstigen psychologischen Wirkungen, die man sich gerade in Deutschland von der Ankündigung Hoovers versprochen hatte. Am 13. Juli, eine Woche nach Inkrafttreten des Hoover-Moratoriums, brach die Darmstädter und Nationalbank, eine der größten deutschen Geschäftsbanken, zusammen.

    Ein allgemeiner "Run" auf Banken und Sparkassen setzte ein, so dass sich die deutsche Regierung gezwungen sah, für zwei Tage alle Bankschalter zu schließen. In einem dramatischen Appell wandte sich Brüning am 4. August 1931 noch einmal an die Öffentlichkeit.

    "Heute ist die gesamte Welt darüber einig, dass die Geschicke der Völker miteinander auf das Engste verflochten sind, dass Störungen im Organismus eines so großen Wirtschaftskörpers wie Deutschland nicht ohne ernste Folgewirkungen auch im Ausland bleiben können. Kein Politiker kann mehr die Richtigkeit des Satzes bezweifeln, dass die Not eines Volkes nicht der Vorteil der anderen sein könne."

    Tatsächlich hatte die deutsche Bankenkrise zu erheblicher Beunruhigung im Ausland geführt. Nicht nur in den USA, sondern auch in England und Frankreich wuchs die Erkenntnis, dass ein finanzieller Zusammenbruch Deutschlands schwerwiegende Konsequenzen auch für die eigene Wirtschaft nach sich ziehen würde. Eine internationale Konferenz, die Ende Juli 1931 in London tagte, empfahl, die deutsche Finanzlage von einer unabhängigen Expertenkommission prüfen zu lassen.

    Diese kam zu dem Ergebnis, dass eine wirtschaftliche Gesundung Deutschlands ohne eine Lösung des Reparationsproblems nicht zu erwarten sei. Ein historischer Durchbruch im Streit um die Reparationen war damit erzielt. Endgültig verzichteten die Gläubigermächte allerdings erst auf einer Konferenz in Lausanne im Juni und Juli 1932 auf alle weiteren Ansprüche.

    Brüning konnte die teuer bezahlten Früchte seiner Politik nicht mehr selbst ernten. Denn wenige Wochen zuvor, am 29. Mai 1932, hatte ihm Reichspräsident Hindenburg das Vertrauen entzogen und ein neues Kabinett unter Franz von Papen bestellt - eine weitere Stufe auf dem Weg in die Zerstörung der Weimarer Republik.