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Hollywood am Hudson

Großes Kino und Riesen-Publikumsauftrieb in diesen Tagen beim sechsten "Tribeca"-Filmfestival in New York: Auf dem Programm des von Robert de Niro gegründeten Festivals stehen über 200 Spiel- und Dokumentationen aus 41 Ländern. Mit dabei die deutsche Regisseurin Angelina Maccarone: Ihr gefeierter Film "Vivere" ist inzwischen unter Vertrag bei einem amerikanischen Verleih. Außerdem ist sie in der engeren Wahl für den Titel "Bester Spielfilm".

Von Max Böhnel | 03.05.2007
    "Tribeca" ist die amerikanische Abkürzung für "Triangle below Canal", das geographische Dreieck unterhalb der Canal Street in Downtown Manhattan, die Gegend rund um Ground Zero, die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 von Staub und Asche bedeckt und vom einem deprimierenden Bevölkerungsexodus geprägt war - verriegelte Geschäfte, verlassene Wohnungen, gesperrte Strassen. Um Downtown Manhattan wieder zum Leben zu erwecken, rief ein paar Monate später der Tribeca-Bewohner und Schauspieler Robert De Niro, der Trost spenden wollte, das Filmfestival ins Leben. Heute, sechs Jahre später, ist aus dem lokalpatriotischen Kraftakt ein glamouröses Multimillionen-Dollar-Spektakel geworden.

    Ein Beweis dafür, dass "911" in New York Vergangenheitswert hat, war der Höhepunkt des Tribeca-Filmfestivals, die Weltpremiere von "Spider-Man 3" mit Toby McGuire in der Hauptrolle. Mehrere Museen sowie die New Yorker Tourismusbehörde schlossen sich dem Spiderman-Thema mit darauf ausgerichteten Veranstaltungen und Ausstellungen an. Der Sony-Konzern, der das Spinnenmann-Epos finanziert hat, gab sich darüber zufrieden. Denn das Film-Festival diente ihm so als Marketingmaschine, nicht zuletzt wegen des Pressechos, das es hervorruft. Und: die Premiere des Films fand weitab von Tribeca im Stadtteil Queens statt. Das Festival ist weit über sich hinausgewachsen -geographisch wie von seinem Anspruch her. Dass es mit Downtown Manhattan nicht mehr viel zu tun hat, gab Robert De Niro auch ohne Umschweife zu.

    " Ja, klar. Das war damals tragisch, aber es geht darum, in die Zukunft zu schauen und positive Energie herzustellen. Ich möchte ein populäres Filmfestival, in dem jeder etwas Richtiges für sich findet. "

    Zum ersten Mal wagt sich ein amerikanisches Filmfestival von der Größe von Tribeca in der Tat auch an eine Sparte heran, die als filmisches Stiefkind gilt, an den Sport. In Zusammenarbeit mit dem Fernsehsender ESPN werden Sportfilme und -Dokumentationen gezeigt und mit Podiumsdiskussionen angereichert. Das Zielpublikum ist klar: der junge männliche Sportfan, den das herkömmliche Kino bislang nicht anspricht. Eine zweite Zielgruppe: Familien mit Kindern mit einem Tag mit Gratisfilmen im Freien. Die Miterfinderin des Festivals, Jane Rosenthal, verdeutlichte während der Eröffnung, dass es neben diesem so genannten "community development" im Festivalbetrieb auch um Politik geht:

    " Der globale Klimawandel sei in den USA ein so großes Thema geworden, dass man sich mittlerweile davon überwältigt fühle könne, so Rosenthal. Aber einige Filme, die sich damit beschäftigen, wurden den Zuschauern Handlungsanleitungen liefern, wie Politiker zum Einlenken bewegt werden können. "

    So war es denn auch der wohl bekannteste Klimaschutz-Aktivist, Ex-Vizepräsident Al Gore, der den Startschuss gab für eine Kurzfilmserie über globale Erderwärmung. Noch letztes Jahr war an derselben Stelle der Film "United 93", der sich mit den Anschlägen vom 11. September befasst, gezeigt worden. Aber die Filmindustrie und die Festivalorganisatoren versuchen offenbar, die jährliche Schau weit über Ground Zero hinaus als Großereignis mit internationaler Wirkung auf Dauer einzurichten. Schon wird es verglichen mit den Filmfestivals Sundance und Toronto - und als "Hollywood am Hudson" bezeichnet.