Donnerstag, 25. April 2024

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Hommage zum 100. Todestag

Auch noch nach einhundert Jahren ranken sich Spekulationen um den plötzlichen Tod des französischen Kunstkritikers, Journalisten und naturalistischen Schriftstellers Emile Zola. Als er am 28. September 1902 von seinem Wohnsitz auf dem Land für einen kurzen Aufenthalt in seine Wohnung nach Paris zurückkehrt, bemerkt er nicht, dass der Rauchabzug eines Kamins defekt ist. Zola stirbt nachts im Schlaf. Unglücklicher Zufall oder Manipulation? Die Frage bleibt ungeklärt. Seit Januar 1898 waren Zola Drohbriefe ins Haus geflattert, da er sich mit seinem mit "J’accuse" - "Ich klage an" betitelten Artikel in der Tagespresse zu weit aus dem Fenster gelehnt und sich damit als Literat aktiv in die politischen Realitäten der dritten französischen Republik eingemischt hatte. Zolas Artikel markierte den Wendepunkt in einem von offenem Antisemitismus geprägten, polemischen Gefecht um den zu Unrecht des Landesverrats angeklagten jüdischen Offizier Alfred Dreyfuss, der letztlich freigesprochen wurde.

Wie, das sagt Björn Stüben. | 18.10.2002
    Zu den Autoren, die nach ihrem Tod zunächst einmal in Vergessenheit geraten, gehört Zola somit nicht. Es sollten auch nur sechs Jahre vergehen, bis sein Leichnam aus der Nachbarschaft Heinrich Heines auf dem Pariser Montmartre-Friedhof ins Pantheon verlegt wurde, der Ruhestätte für die Größten des Landes. Die Nationalbibliothek in Paris widmet jetzt Emile Zola anlässlich seines einhundersten Todestags eine umfangreiche Ausstellung.

    Mit ihren Kornähren auf dem Schoß wirkt die gemalte Allegorie des Sommers am Eingang etwas steif. Der Besucher traut seinen Augen nicht, denn signiert ist das in stattlichen Maßen ausgeführte Ölbild mit dem Namen des französischen Meisters Ingres. Was sollte zudem diese offensichtlich unreife Skizze Ingres’ mit Emile Zola zu tun haben? Und wie passt das Werk der Bildenden Kunst zur Gedenkfeier an einen großen Literaten? Die Bildlegende klärt auf.

    Natürlich nicht Ingres, sondern der gerade zwanzigjährige, hier frech mit Ingres signierende Paul Cézanne ist Autor des Bildes und zudem ein Schulfreund Zolas aus frühen gemeinsamen Jahren in Aix-en-Provence, wohin es Zolas Familie zunächst von Paris aus verschlagen hatte. Die frühe Begegnung mit Cézanne, den eine spätere Künstlergeneration als den "Vater der modernen Malerei" bezeichnen wird, markiert Zolas Weg zum Kritiker der Kunst seiner Zeit. Der Besucher kann also erleichtert aufatmen. Die Zola-Ausstellung scheint keine Aneinanderreihung unzähliger Manuskriptseiten aus der Feder Zolas zu sein, sondern versucht vielmehr das Portrait einer Epoche nachzuzeichnen, indem sie neben Zola auch dessen Wegbegleiter, Freunde wie Feinde, ins Rampenlicht rückt. Dieses Ausstellungskonzept überrascht natürlich nicht, hatte doch Zola selbst mit seinen Schriften nie etwas anderes im Sinn. Doch noch bevor dies ihm in Form des auf 10 Bände angelegten Romanzyklus "Rougon-Macquart" gelingen soll, in dem er das Zweite französische Kaiserreich aus dem Blickwinkel unterschiedlicher Gesellschaftsschichten unter die Lupe nehmen wird, entdeckt er für sich die Kunst Eduard Manets, die mit malerischen Mitteln die gleichen Ziele verfolgt. Anstatt Historie oder Mythologie unverblümt die Wahrheit, die Realität zu schildern und zudem noch die Handschrift des Künstlers als Stilmittel einzusetzen, das war so ganz nach Zolas Geschmack und so gar nicht nach dem des breiten Publikums, wie der Skandal im Salon von 1865 um Manets Bild der Olympia zeigte. Zu ungeniert schaute hier eine stadtbekannte Prostituierte von der Leinwand ins empörte Publikum. Auch wenn das Musée d’Orsay das weltberühmte und einst von Zola hochgelobte Skandalbild natürlich nicht ausleihen konnte, so überraschen den Besucher in der Schau doch einige ungemein modern ausgeführte Skizzen Manets.

    Umso antiquierter wirkt der kleinformatige Entwurf eines unbekannten Malers für ein pompöses Fresko zur Eröffnung des Suez-Kanals, der den bürgerlichen Kunstgeschmack der Zeit spiegelt. Für Monets "Bahnhof von Argenteuil" interessierte sich im damaligen offiziellen Kunstbetrieb hingegen niemand. Schwere graue Regenwolken verdüstern das Bild. Der von den Lokomotiven aufsteigende Dampf erscheint dagegen um so weißer. Monet feiert den technischen Fortschritt mit malerischen Mitteln. Als "Kathedralen der modernen Zeit" werden die Bahnhöfe von den Impressionisten bezeichnet. Zola stimmte ihnen zu. Sein Landhaus in Médan hat er gekauft, weil die Bahnlinie nach Paris direkt an seinem Grundstück vorbeiführt. Vom Arbeitszimmer aus konnte er sie sehen. Die Pariser Ausstellung macht deutlich, dass das Werk Emile Zolas vor dem Hintergrund der Kunst seiner Zeit noch deutlichere Konturen gewinnt.

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