Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Honecker, Stasi und Co

Die Geschichte der DDR ist in den Schulbüchern immer noch unterbelichtet und wird im Unterricht selten gelehrt. Das liegt zum Teil am Lehrplan und an den älteren Lehrern, die sich mit dem Umgang ihrer eigenen Biografie schwer tun.

Von Blanka Weber | 05.08.2011
    Wenn im Grenzlandmuseum Teistungen Klassen zu Gast sind, schüttelt Horst Dornieden oft den Kopf. Er ist der Bürgermeister des Ortes und kritisiert, dass die DDR–Geschichte, die Diktatur eines Staates, politische Repressionen, inhaltlich zu wenig gelehrt werden im heutigen Geschichtsunterricht.

    "Wir haben sogar festgestellt, dass das Thema gar nicht stattfindet. Wir erleben das immer wieder, dass junge Leute gesagt haben, wir haben 'mal kurz darüber geredet, aber da fehlte dann im Unterricht die Zeit, das zu vertiefen und wir sind jetzt hier, die Ausstellung in Augenschein zu nehmen. Um uns zu informieren."

    Mit dem kritischen Blick in die Klassenzimmer steht er nicht allein. Auch Katharina Lenski vom Archiv für Zeitgeschichte Jena sieht Defizite beim Umgang mit der DDR-Geschichte, vor allem durch ältere Lehrer.

    "Man hat oft den Eindruck, dass es ihnen doch sehr schwer fällt, wenn sie es angehen, ihre eigene Biografie da zu integrieren und da brauchen die Lehrer unbedingt Hilfe. Wenn Lehrer aber ihre eigene Biografie nicht reflektieren können, wie sollen sie dann den Schülern ein Geschichtsbewusstsein vermitteln, was dazu anregt, die eigene Position zu hinterfragen oder Fragen zu stellen oder selbstkritisch zu sein."

    Die Archivarin bezeichnet es als biografisches Problem vor allem der älteren Pädagogen. Wenn beispielsweise bei einer Weiterbildung für Lehrer im Archiv ein illegal gedrehter Film der DDR-Opposition gezeigt wird:

    "In dem Oppositionelle ihr eigenes Leben darstellen und dann solche Stereotype kommen, wie: Das waren alles Asoziale oder subversive Elemente."

    So blickten viele ältere Lehrer auf die DDR, sagt Katharina Lenski, wenn diese Geschichte einen großen Teil der eigenen Biografie ausmache. Junge Lehrer seien kritischer, hätten Abstand und könnten mit dem Thema anders umgehen.

    "Weil sie schon wieder anfangen und fragen, was war denn mit meinen Eltern. Sie sind biografisch nicht so betroffen."

    Ein Problem sei aber auch der Lehrplan. Der sieht vor, dass in der Oberstufe das Thema behandelt werden muss – wie und wann – in welchem Umfang und wie stark das Thema Diktatur reflektiert wird, das bleibt jedem Pädagogen in Thüringen selbst überlassen.

    "Und zugleich ist es ein Problem, dass gerade für die DDR-Geschichte zu wenig Zeit im Lehrplan ist. Sachsen ist da weiter, die haben in der 10.Klasse das gesamte Schuljahr für die Zeitgeschichte reserviert. Das ist in Thüringen nur die Hälfte."

    Die Lehrbücher sind neu, doch meist unbeliebt – ebenso wie die Weiterbildungen – wenn der Westblick auf die Ostbiografie eines Pädagogen trifft:

    "Uns stört, wenn uns die Lehrer aus den alten Bundesländern erzählen wollen, wie unsere eigene Geschichte war, denn wir sind ja aufgewachsen hier, und wir finden das oft inkompetent, statt eben die Zeitzeugen zu befragen, die sie ja in der Weiterbildung vor der Nase haben."

    Wenn an den Universitäten Lehrer ausgebildet werden, so wird der wissenschaftliche Blick gelehrt, sagt Joachim von Puttkammer, Direktor des Imre Kertesz Kollegs und Professor für Osteuropäische Geschichte in Jena:

    "Wir versuchen auch, alle unsere Studierenden sehr stark zu sensibilisieren für die treibenden Kräfte und die Konstellationen der öffentlichen Debatten, wie solche Themen hier geführt werden. Es sind Debatten, die in allen östlichen Bundesländern und letztlich auch in Polen und anderen osteuropäischen Ländern so geführt werden."

    Keine neue Debatte, sagt der Wissenschaftler, und vor allem eine, die Ursachen hat:

    "Es sind in Thüringen in den letzten Jahren nicht sehr viele neue Lehrer eingestellt worden, was dazu führt, dass der Geschichtsunterricht zu erheblichen Teilen immer noch von Lehrern erteilt wird, die einen Teil ihrer Ausbildung zu DDR Zeiten erfahren haben."

    Was nicht schlecht sein muss, wenn sie in der Lage sind, ihre Perspektive von damals zu reflektieren und Kritik am ehemaligen Staat im Unterricht einbeziehen.