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Honnefelder: Börsenverein muss Vielfalt der Bücher erhalten

Ein möglicher Fall der Buchpreisbindung würde die Vielfalt der Buchhandlungen und somit auch die Vielfalt der Bücher gefährden, warnt Gottfried Honnefelder, scheidender Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Nur mit Bestsellern könne niemand auf langer Sicht überleben.

Gottfried Honnefelder im Gespräch mit Karin Fischer | 09.10.2013
    Karin Fischer: Zuerst zu Gottfried Honnefelder, der neben den ganzen schönen Dingen, diesen wichtigen Leuten, den berühmten Schriftstellern für jene Begriffe zuständig ist, die wir als kompliziert und im Wesentlichen unsexy halten. Ich sage mal drei Schlagworte: Urheberrecht, Freihandelsabkommen, Buchpreisbindung.

    Herr Honnefelder, das Buch ist eine Ware. Das weiß niemand besser als Sie, der Sie seit Jahren diese Geschäftsmesse hier in Frankfurt mit eröffnen. In Deutschland ist diese Ware aber noch durch die Buchpreisbindung geschützt. Alle paar Jahre mal wieder steht dieser Schutz nicht zur Disposition, soll aber ein bisschen von außen aufgeweicht werden, im Moment gerade wieder durch das Freihandelsabkommen mit den USA. Wie gefährlich ist das, was genau passiert da?

    Gottfried Honnefelder: Freihandelsabkommen sollten nicht gefährlich sein, sondern sollten Möglichkeiten bieten, für alle Menschen offenen Zugang zu allen Waren, Dingen und Informationen zu erhalten. Deshalb sind solche Abkommen nicht gefährlich, sondern sehr willkommen. Es ist etwas anderes, wenn man unter solche Abkommen, die sich dann auf Schrauben oder Holzspäne oder Ähnliches beziehen, auch Kultur daruntermischt.

    Entweder muss man dann andere Bedingungen für solche Freihandelsabkommen treffen, oder man muss sie außen vor lassen. Wenn von amerikanischer Seite – und darum dreht es sich – große monopolistische Firmen Druck ausüben, dass Errungenschaften, die wir hier in Europa haben, nämlich die Errungenschaft, zum Beispiel das Private vom Öffentlichen getrennt zu halten, wenn wir das wieder einziehen und bleiben lassen, haben wir einen großen Kulturverlust, und an der Stelle wird das Freihandelsabkommen problematisch, und an der Stelle gehen kluge Leute, die es mit Kultur ernst meinen, hin und sagen, das, was unsere Regierung und zumal die EU in dieser Richtung im Augenblick dafür tut, dass die Kultur so erhalten bleibt, wie sie war, ist viel zu wenig. Ich würde gerne Schlimmeres sagen, aber wir sind, glaube ich, auf Sendung und deshalb halte ich mich zurück.

    Fischer: Trotzdem, Gottfried Honnefelder, diesen Zusammenhang, den Sie auch gestern Abend ja bei Ihrer Eröffnungsrede beschworen haben, über das Freihandelsabkommen, oder der mögliche Fall der Buchpreisbindung würde die kleine Buchhandlung ums Eck sozusagen radikal gefährden, diesen Zusammenhang müssen Sie uns noch mal erklären.

    Honnefelder: Sehr gern. Der ist sehr einfach, der Zusammenhang, und er ist gleichzeitig sehr simpel. Wir haben in Deutschland eine Kultureinrichtung – und nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas -, die nennt man Buchpreisbindung. Diese Preisbindung bedeutet, dass Sie ein Buch zum gleichen Preis auch im Westerwald, im tiefsten Wald wie gesagt kaufen können und auch in der großen Stadt.

    Wenn Sie diese Buchpreisbindung nicht mehr haben, werden Sie das nicht mehr können, und wenn Sie das nicht mehr können, werden Sie statt einer großen Vielfalt von Buchhandlungen mit verschiedenen Ausrichtungen nur noch eine kleine Menge von Buchhandlungen haben, und wenn Sie nur noch eine kleine Menge von Buchhandlungen haben, werden Sie bald nur noch Bestseller kaufen können, und damit kann ja kein Mensch auf die lange Sicht überleben.

    Fischer: Was die Buchhandlungen betrifft, so haben wir ein paar bessere und ein paar schlechtere Entwicklungen gesehen in den letzten 10 bis 15 Jahren. Zu den schlechteren gehörte die massive Konzentration von großen Unternehmen. Die scheint jetzt gestoppt zu sein. Thalia hat schon viele seiner Buchläden abgebaut. Groß und viel allein scheint nicht mehr zu reichen.

    Honnefelder: Die Entwicklungen der letzten Jahre, dass große finanzierende Unternehmen Buchhandlungen eröffneten - die haben eine räumliche Ausdehnung von ein paar Tausend Quadratmetern gehabt -, das war eine sehr missliche. Diese Firmen haben Lernprozesse gemacht, an denen heute steht, dass sie solche großen Buchhandlungen in Mengen schließen müssen.

    Man kann kulturelle Ressourcen nicht einfach aufbauen und wieder schließen. Wenn man die wieder schließt, hinterlässt man auch ein bisschen verbrannte Erde, und darin liegt das Missliche an dieser Situation. Ansonsten kann man sagen, na ja, die mittleren und kleineren Buchhandlungen haben ja vielleicht am ehesten recht gehabt.

    Fischer: Was müssen die noch mehr eventuell leisten, um gegen eine Konkurrenz wie Amazon zum Beispiel bestehen zu können?

    Honnefelder: Sie müssen das Wissen von Tante Emma haben. Tante Emma ist für mich eine ganz wichtige Frau. Die hat nämlich Läden in den 50er-Jahren, als ich klein war, geführt, die wussten von ihren Kunden so viel, dass kein Algorithmus unserer großen Verbundfirmen – nehmen Sie meinetwegen Amazon oder Apple oder Microsoft oder Google, wie sie alle heißen – das leisten kann, was Tante Emma geleistet hat. Und wissen Sie, das ist eine wunderbare Vorstellung, dass ich mit jemandem über Bücher sprechen kann, persönlich, der da ist, und von dem lerne ich sehr viel mehr, als ich das über meinen PC kann.

    Fischer: Ganz kurz, Herr Honnefelder, zum Schluss. Ihre Amtszeit endet mit dem Ende dieser Buchmesse. Wenn Sie in einem Satz Ihre Arbeit für oder die größere Problematik des Buches qualifizieren sollten, was würden Sie sagen?

    Honnefelder: In den Jahren, in denen ich den Börsenverein als Vorsteher führen durfte, hatten wir ein Problem, und das werden wir auch weiterhin haben. Das ist, die Vielfalt der Bücher zu erhalten, mit allen Mitteln. Das bezieht sich auf den Buchhandel, das bezieht sich auf das Urheberrecht, auf das geistige Eigentum, auf den gesamten Hintergrund dessen, wo geistige Ware gehandelt wird. Und das ist eine sehr schöne, es ist eine sehr große, aber es ist auch eine sehr schwierige Aufgabe.

    Fischer: Danke sehr, Gottfried Honnefelder, für dieses Gespräch – der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, dessen Amtszeit mit dieser Messe endet.


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