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Hormon wurde erst kürzlich entdeckt

Altersdiabetes ist zur Massenkrankheit geworden. Schon sechs Millionen Menschen sind in Deutschland betroffen. Und ihre Zahl steigt weiter, bis zum Jahre 2025 wird sie sich verdoppeln. Wissenschaftler haben nun einen körpereigenen Mechanismus gefunden, der Diabetes verhindert. Eine zentrale Rolle spielt dabei offensichtlich das erst vor kurzem entdeckte Hormon Adiponectin. Die jüngsten Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten für Diagnose und Therapie.

William Vorsatz | 28.01.2003
    Wer zu viel wiegt, sich kaum bewegt und auch noch das Falsche isst, hat schlechte Karten. Mit jedem Lebensjahr steigt das Risiko, am Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken, dem sogenannten Altersdiabetes. Zahlreiche Forscher suchen nach Auswegen. Vor neun Jahren startete im Land Brandenburg eine Langzeituntersuchung mit mehr als 27 Tausend Probanden. Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rebrücke wollte wissen, welche Faktoren vor dem Entstehen der Krankheit schützen. Professor Andreas Pfeiffer:

    Und da kann man tatsächlich sehen, dass das Adiponectin ein ganz starker Schutzfaktor ist vor Diabetes, ganz besonders bei Leuten, die einen hohen Adiponectinspiegel haben und übergewichtig sind. 0.56 Also wer dick ist, hat an sich ein höheres Diabetisrisiko, was um ein vielfaches hochgeht mit dem Körpergewicht, und wenn man dann noch ein hohes Adiponectin hat, dann hat man doch n relativen Schutz vor der Entwicklung eines Diabetes.

    Offenbar verbessert Adiponectin die Wirkung des Insulins in menschlichen Körper. Dadurch kann die Muskulatur genügend Blutzucker verwerten, der Zuckerspiegel bleibt in einem verträglichen Limit. Auch wenn noch nicht alles bis ins letzte Detail geklärt ist: Die Resultate der Studie sind eindeutig: selbst bei Risikopersonen senkt ein hoher Adiponectinspiegel die Wahrscheinlichkeit, irgendwann an Diabetes zu erkranken, um 70 bis 90 Prozent.

    Und das Adiponectin ist hoch, wenn man dünn ist sozusagen. Das heißt die Körperfettmenge, insbesondere die Bauchfettmenge korreliert invers, also umgekehrt, mit dem Adiponectin. Wer also einen dicken Bauch hat, hat ein niedrigeres Adiponectin, und wenn man abnimmt, da gibt es auch schon Studien drüber, dann geht das Adiponectin auch wieder hoch. Nur trotzdem ist der Bereich, über den diese Werte streuen, relativ groß, und es gibt Leute, die übergewichtig sind, und trotzdem auch hohe Adiponectinspiegel haben

    Trotz Fett sind diese Personen also nicht gefährdet. Pfeiffer denkt nun weiter: So könnte eine frühzeitige Messung des Adiponectinspiegels rechtzeitig vor dem Altersdiabetes-Risiko warnen. Denn bis zum Ausbruch der Zuckerkrankheit vergeht einige Zeit. Zunächst kompensiert der Körper, dass Muskulatur, Fett- und Lebergewebe den Blutzucker schlecht verarbeiten. Die Bauchspeicheldrüse schüttet einfach mehr Insulin aus. Nach Jahren ist sie jedoch erschöpft, der Zuckerspiegel steigt, der Diabetes bricht aus. Mit all den bekannten, verheerenden Folgen. Wer nun schon in jugendlichen Jahren weiß, dass sein Adiponectinspiegel zu niedrig ist, kann bei Zeiten reagieren.

    Das Adiponectin ist ja interessant auf der einen Seite wegen Diabetisprävention, es schein aber auch Arteriosklerose entgegenzuwirken. Und hemmt diese Signalwege, die hinter der Arteriosklerose stecken. Insofern ist also sehr interessant, den Aniponectinspiegel hochzuhalten. Das, was man momentan tun kann, ist, dass man sein Gewicht möglichst normalisiert.

    Vor allem das schädliche Bauchfett muss weg. Hartes Training der Bauchmuskeln hilft dabei jedoch kaum. Das Fettgewebe sitzt nämlich im Bauchraum, hat sich beispielsweise um die Därme gebildet. Wer bei Übergewicht wo wie viel Fett anlegt, ist genetisch bedingt. Helfen kann da nur eine ganz allgemeine Änderung der Lebensführung: Viel Bewegung sowie faserreiche Ernährung mit einem hohem Anteil an Obst und Gemüse, dazu ungesättigte Fettsäuren.

    ... und da kann man sehen, dass man das Auftreten eines Diabetes um ungefähr 60 Prozent reduzieren kann über einen Zeitraum von 3 Jahren mit diesen Massnahmen. Die Studien gingen über drei Jahre. Und das sind die Zahlen, die wir haben: Die Leute haben im Durchschnitt 3,8 Kilo abgenommen. Und diese 3,8 Kilo, bei Leuten, die insgesamt 100 Kilogramm wogen, hatte schon diesen großen Effekt.


    Wichtig ist auch, wie schnell einzelne Nahrungsmittel Energie spenden. Ein Maß für dieses Tempo ist der glykämische Index. Zuckrige Soft Drinks wie Cola beispielsweise sind reine Energie-Infusionen, die sofort ins Blut schießen. Das hat einen rasanten Insulinanstieg zur Folge, die Bauchspeicheldrüse leistet Schwerstarbeit. Professor Pfeifer:

    Also wenn man einen hohen Insulinanstieg hat nach dem Essen zum Beispiel, wenn man einen hohen glykämischen Index isst beispielsweise, dann unterdrückt man wahrscheinlich das Adiponectin durch den starken Insulinanstieg.

    Der Ernährungswissenschaftler vermutet, dass in einigen Jahren ein niedriger glykämischer Index für die Verbraucher genauso wichtig sein wird wie heute schon die ungesättigten Fettsäuren. Erste Joghurts und Müsli-Riegel in Frankreich und der Schweiz tragen bereits Diagramme auf ihren Packungen, die werbewirksam ihre langsame Energieumsetzung zeigen. Naturnahe, pflanzliche Produkte mit vielen Ballaststoffen tun dies auch ohne Diagramm - und schützen so ebenfalls vor Diabetes.

    Beitrag als Real-Audio

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