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Hormone im Hühnchen

Sportler im Reich der Mitte müssen aufpassen, wie sie sich ernähren. Denn gerade Hormon-Rückstände in der Nahrung könnten ihnen als Doping vorgeworfen werden. Obwohl die Spitzensportler des Landes seit zwei Jahren mit eigens für sie angebauten Lebensmitteln ernährt werden, gelten auch diese als nicht sicher.

Von Silke Ballweg | 15.07.2012
    Chinesen essen für ihr Leben gern. Eingelegtes Gemüse, Lammspieße, gebratenen Tofu. In Garküchen und Restaurants ist das Essen meist preiswert, gesund und sicher ist es jedoch nicht. Die Liste der Lebensmittelskandale in China ist lang. Viele Bürger sind mittlerweile misstrauisch, etwa dieses Ehepaar:

    "Wir essen eigentlich kaum mehr auswärts, sondern kochen daheim. Da kann man zwar auch nicht ganz sicher sein, aber dann wissen wir wenigstens, was wir gekauft haben."

    Auch für Chinas Spitzensportler ist beim Essen Vorsicht geboten. Besonders für die Athleten, die allmählich in London eintreffen. Chinas Profi-Sportler werden zwar seit Jahren mit Lebensmitteln von besonderer Qualität versorgt, etwa mit eigens für sie organisch angebautem Gemüse. Mit Fleisch von Tieren, die keine Wachstumshormone und Antibiotika bekommen haben. Dennoch sind auch diese Produkte nicht gesund. Deswegen dürfen Chinas Athleten bereits seit über einem halben Jahr kein Rind-, Lamm- und Schweinefleisch essen. Denn die Sportverbände sorgen sich um die Rückstände im menschlichen Körper. Dabei geht es vor allem um das Kälbermastmittel Clenbuterol. Clenbuterol reduziert bei Tieren den Fettgehalt des Fleisches und lässt es schön rosig aussehen. Doch beim Verzehr geht Clenbuterol auch auf den menschlichen Körper über, sagt Zhou Linguo vom Chonqinger Lebensmittelamt im chinesischen Fernsehen:

    "Clenbuterol ist eine Art Hormon. Bei Menschen kann es den Herzschlag beschleunigen und Auswirkungen auf den Stoffwechsel haben. Es kann zu Leber- und Nierenschäden führen."

    Clenbuterol ist beinahe weltweit verboten – doch in Mexiko und China wird es in der Mast exzessiv verabreicht. Wegen seiner anabolen Wirkungen haben Spitzensportler in der Vergangenheit immer wieder mit Clenbuterol gedopt. Die Schwimmerinnen Ouyang Kunpeng and Jessica Hardy durften wegen positiver Clenbuteroltests 2008 nicht an den Olympischen Spielen in Peking teilnehmen. Chinas Funktionäre haben Angst, dass die Sportler wegen des Fleischverzehrs bei Dopingtests positiv anschlagen könnten, sagt der ehemalige Basketball-Nationalspieler Chen Kai:

    "Die Behörden wollen verhindern, dass China internationale Aufmerksamkeit erregt. Sie haben Angst vor dem internationalen Druck. Ob Clenbuterol den Sportlern schadet, darum geht es nicht unbedingt."

    Internationalen Spitzen-Sportlern wäre der Fleischverzehr in China in der Vergangenheit fast zum Verhängnis geworden. Etwa dem deutschen Tischtennisprofi Dimitrij Ovtcharov. Nach einem China-Aufenthalt schlug Octcharov bei Tests auf Clenbuterol an. Erst nach einer Reihe von Untersuchungen konnte er den Dopingverdacht ausräumen und klarstellen, dass er das Clenbuterol über Lebensmittel in China aufgenommen hatte. Einen wesentlichen Beweis damals lieferte eine Haarprobe. Denn bei dunklem Haar zeigt die Analyse eines etwa ein Zentimeter langen Haares, wann ein Sportler im Monat zuvor begonnen hat, Clenbuterol zu sich zu nehmen. Viele Sportler, etwa Tischtennisprofi Timo Boll, nutzen die Haarprobe nun ganz bewusst als Vorsichtsmaßnahme. Damit auch er im Zweifelsfall den Anti-Doping-Beweis antreten könnte, lässt sich Boll bei längeren China-Aufenthalten mittlerweile die Haare wachsen.