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Horrorserie "NOS4A2"
Langeweile in Christmasland

Die Horrorserie „NOS4A2“ in Anlehnung an Murnaus Filmklassiker „Nosferatu“ verbreitet nur anfangs Schrecken. Daran kann auch der Name Stephen King und ein bizarrer Jahrmarkt der Kuriositäten nichts ändern.

Von Julian Ignatowitsch | 14.06.2019
Zachary Quinto als Charlie Manx vor einer geöffneten Limousinentür
Der Fahrer ins Christmasland - Zachary Quinto als Charlie Manx in "NOS4A2" (www.imago-images.de (Amc Zach Dilgard))
"NOS4A2" steht auf dem Nummernschild des unheimlichen Autos, einem schwarzen Rolls-Royce Wraith, schwere Karosserie, riesige Frontscheinwerfer, Baujahr 1939, das nachts die Kinder abholt und dessen Fahrer noch unheimlicher ist. Ein alter Mann in Chauffeursuniform, faltig, mit grauen Haaren und braunen Zähnen.
"My name is Charlie Manx and I understand what it is to feel lonesome, to feel like you are the only person in the world." Er bringt die Kinder an einen scheinbar glücklichen Ort, was die Sache noch unheimlicher macht, den er Christmasland nennt. "A very special place, where every day is Christmas Day and unhappiness is against the law."
NOS4A2 für Nosferatu
"NOS4A2" ist ein englisches Akronym für die Sagengestalt "Nosferatu", altromanisch "der Unerträgliche". Und spätestens seit Murnaus Film von 1922 und der grandiosen Darbietung Max Schrecks’ eng verknüpft mit dem Dracula-Mythos. Der unheimliche Fahrer, Charlie Manx, gespielt von Zachary Quinto, also ist ein Untoter, eine Art Vampir, der sich mit den Seelen von Kindern in Christmasland am Leben hält. "Your bad time came long ago."
Dieser moderne Nosferatu ist bei weitem nicht die einzige bizarre Figur der Horror-Serie. Da ist die junge Vic McQueen, ein Teenagermädchen aus einer zerstrittenen, sozial schwachen Problemfamilie, der Vater Trinker und Fremdgänger, die Mutter Putzfrau und Cholerikerin: "You drunk selfish bastard!"
Ein Jahrmarkt der Kuriositäten
Dem ständigen Streit entflieht Vic mit ihrem Motorrad in Parallelwelten, über eine alte Holzbrücke, die längst nicht mehr existiert, in denen sie verlorene Dinge wie die Uhr ihres Vaters findet. "Oh, that´s may fathers." Und ein anderes Mädchen trifft, Maggie Leigh, eine Art Orakel, die mit ihren Scrabble-Steinen die Zukunft vorhersieht. Vic und Maggie schließen sich zusammen, um Manx zu besiegen. "I´m looking for him."
Ein Jahrmarkt der Kuriositäten. Das ist anfangs so verwirrend, wunderlich, ja unheimlich, wie es sich anhört. Und in bester Horrormanier in Szene gesetzt, mit starken Farbkontrasten und Sättigungen. Herzrasen kommt auf, wenn die Kamera erst langsam hinter den Protagonisten herschleicht, um dann plötzlich wie eine Achterbahn zu beschleunigen.
Bezüge zur Gegenwart? Fehlanzeige
"NOS4A2" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Joe Hill, und Horrorfans wissen, dass sich hinter diesem Pseudonym der älteste Sohn von Stephen King, Joseph King, verbirgt. Vielleicht deshalb erinnern Buch wie Serie an den Meister des Horrors selbst. Und Stephen King hat die Serie - väterliche Pflicht? - auch schon als "wahnsinnig gruselig" bezeichnet: "…it’s to the balls scary." Allerdings gilt das nur für die ersten beiden Episoden, wenn einen die skurrilen Figuren und Orte noch regelmäßig schaudern lassen und Anspielungen zu "Es" und dem Clown Pennywise auftauchen.
Die Serie "NOS4A2" schafft es aber nicht, diesen Schrecken aufrecht zu erhalten, das schafft nicht einmal der personifizierte Nosferatu Charlie Manx, dessen Name natürlich auch an Massenmörder Charles Manson erinnert. Das Duell zwischen den Teenagern Vic und Maggie auf der einen und Nosferatu Manx auf der anderen Seite kommt nur langsam ins Laufen und zieht sich dann mit repetitiven Aktionen und Motiven in die Länge.
Auch die Coming-of-Age- und Familiendrama-Elemente, die die Serie in die Horrorgeschichte integriert, sind wenig interessant und schon gar nicht überraschend. Bezüge zur Gegenwart? Ebenfalls Fehlanzeige.
Kein erzählerischer Sog
Anders als bei "The Walking Dead" und "Fear The Walking Dead" haben es Showrunner Jami O’Brien und der US-Sender AMC, mit dem Amazon Video kooperiert, hier nicht geschafft, einen erzählerischen Sog aus der dafür durchaus geeigneten Vorlage zu entwickeln.
Schade! So bleibt das Fazit: Wenn jeden Tag Christmas Day ist, ist das eben auch langweilig!