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Horst Seehofers Zukunft
Messerwetzen in der CSU-Landtagsfraktion?

Die CSU hat die Entscheidung über die Zukunft ihres Vorsitzenden Horst Seehofer vertagt. Erst ein Parteitag im November soll die personellen Weichen stellen für die Landtagswahl in Bayern. Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl sind die Christsozialen nervös und fürchten um die Mehrheit im Freistaat.

Von Michael Watzke | 28.09.2017
    Wird Markus Söder (links) Horst Seehofer als CSU-Chef ablösen?
    Wird Markus Söder (links) Horst Seehofer als CSU-Chef ablösen? (dpa / Matthias Balk)
    Nach sechs langen Stunden Ringkampf mit Horst Seehofer geht die Tür auf. Als erster kommt Klaus Stöttner raus, ein eher unbekannter CSU-Landtagsabgeordneter aus Rosenheim. Die Journalisten stürzen sich auf ihn. Wie war’s ? Stöttner, sichtlich überrascht:
    "Wir sind auf einem guten Weg, gemeinsam einen guten Weg zu finden."
    Nochmal zum Mitschreiben: Wir sind auf gutem Weg, gemeinsam einen guten Weg zu finden. Was man halt so sagt nach einer kontroversen, bisweilen harten Fraktionssitzung. Kurze Nachfrage: Warum ist die CSU auf gutem Weg?
    "Mich hat überzeugt, wie die Mannschaft geschlossen steht."
    "Geschlossen bis?"
    "Geschlossen bis zum Parteitag!"
    Unfreiwillig bringt es der Abgeordnete Stöttner auf den Punkt: Die CSU hat sich sieben Wochen Geschlossenheit verschrieben. Burgfrieden. 42 Tage Schonzeit für Parteichef Horst Seehofer, der nach stundenlanger Diskussion müde aussieht. Seine Kritiker gäben die CSU der Lächerlichkeit preis, soll er in der Sitzung gesagt haben.
    "Wie gestern zum Beispiel: Wenn man mit der Kanzlerin, mit der Bundestagsfraktion, mit der Landesgruppe spricht, und gleichzeitig flattern alle paar Minuten Agenturmeldungen über mich in die jeweiligen Besprechungsräume. Das ist eine schwierige Situation nicht nur für mich persönlich, sondern auch für die Durchsetzungsfähigkeit der CSU in Berlin."
    Mehrheitliche Unterstützung für Markus Söder
    Seehofer hat sich für die Fraktionssitzung im Landtag Flankenschutz mitgebracht. Von zwei Bundestags-Abgeordneten. Die linke Flanke schützt Generalsekretär Andreas Scheuer. Die rechte Flanke überwacht der neue Landesgruppen-Chef der CSU, Alexander Dobrindt. Der sagt, er wolle herausfinden, ob CDU und CSU überhaupt noch Schwestern seien. Inhaltlich.
    "Da braucht man alle Kraft dazu, um jetzt unsere Positionen mit der CDU zu klären. Und wir werden diese Positionsklärung mit der CDU mit Horst Seehofer machen."
    Horst Seehofer wirkt genervt, als er aus der Fraktionssitzung kommt. Eine Machtdemonstration war sein Auftritt vor den 101 Abgeordneten nicht. Sie sehen sich als die Herzkammer der CSU - und sie unterstützen mehrheitlich Markus Söder. Der kommt breitbeinig aus der Sitzung. Hi, sagt er zur Begrüßung, wie ein Cowboy. Sein Grinsen sagt: Die Basis steht hinter mir:
    "Man sollte jetzt auch nicht böse sein, wenn nach so einem Wahlergebnis die eine oder andere Stimme mal was Deutlicheres formuliert. Das ist, glaube ich, ganz normal. Man sollte jetzt alle mitnehmen, motivieren und ernst nehmen, was die Leute sagen. Es wird noch ein weites Stück Weg. Es wurde bewusst angesprochen, dass wir uns alle miteinander gut vertragen sollen. Das mach‘ ich sowieso."
    Wieder das Söder-Grinsen, bei dem der Franke seine Augen zu engen Schlitzen zusammenkneift und ein wenig diabolisch aussieht. Jede Faser seiner 1 Meter 95 Körpergröße strahlt Siegesgewissheit aus, keine Bescheidenheit. Auch wenn er beteuert:
    "Ich versuche nur, meinen Beitrag zu bringen. Ich hab‘ im Wahlkampf meinen Beitrag erbracht. Ich versuche, eine starke Stimme der CSU nicht nur in der Finanzpolitik zu sein. Auch bei diesen konservativen Themen bin ich eine wahrnehmbare Stimme."
    Söder nutzt den Auftritt vor den Kameras sogar dazu, die CSU nach rechts zu rücken. Die rechte Flanke zu schließen, wie das neuerdings heißt. Wenn er am Münchner Hauptbahnhof aus dem Zug steige, so Söder, frage er sich schon, ob er noch in Bayern sei.
    "Die Menschen in Deutschland sagen nicht den Satz: 'Deutschland muss bleiben, wie es ist.' Die fragen: 'Ist denn Deutschland noch so, wie es war?' Die Stimmung der Leute, die Art und Weise, wie Leute heute Politik verstehen – das sind nicht einfach nur ein paar Protestwähler, das sind auch völlig neue Wählergruppen, die dazu gekommen sind."
    "Merkel ist schuld" reicht nicht aus
    Und wer sollte diese Wähler besser verstehen, so deutet Söder an, als er, ein Kind der Nürnberger Gosse. Ein Straßenkämpfer. Wenn Seehofer über die rechte Flanke spricht, klingt das eher analytisch-professoral:
    "Rechts heißt nicht rechtsaußen oder rechtsradikal, sondern rechts heißt demokratische Rechte. Also wertegebundene, konservativ-liberale, nationalkonservative Wähler. Aber auf dem Boden des Grundgesetzes stehend."
    Mitte November findet der CSU-Parteitag statt. Wird Seehofer dort erneut als CSU-Chef kandidieren?
    "Ich hab vor einigen Monaten unter großem Beifall meine Bereitschaft erklärt, für beides wieder zu kandidieren. Es gab auch eine öffentliche Erklärung, dass man das unterstützt. Auch von meiner Fraktion. Ich habe keinen Grund, jetzt eine Neu-Orientierung vorzunehmen."
    "Auch 39 Prozent sind kein Grund?"
    "39 Prozent sind wieder was ganz anderes. Das ist ja kein bayerisches Wahlergebnis, sondern dieser Trend ist ein Ergebnis in ganz Deutschland."
    Seehofers Problem: Die Analyse "Merkel ist Schuld" reicht seinen Parteifreunden nicht. Der Parteitag wird ungemütlich werden für den Alten. Ausgerechnet in Nürnberg. Söders Heimatstadt. Erwägt der Herausforderer eine Kampf-Kandidatur? Mal sehen, sagt Söder. Und lenkt schnell ab.
    "Bin erleichtert, dass wir heute eine gute Diskussion geführt haben. Jetzt müssen wir aber auch alles, was besprochen wurde, auch ernst nehmen. Wie gesagt: ich reiche immer die Hand."
    Söder reicht die Hand. Ob Seehofer sie annimmt?