Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Hotel Obersalzberg

Seit heute kann man wohnen, wandern entspannen und golfen, wo sich einst die Nazi-Prominenz traf, auf dem Obersalzberg, oberhalb vom Königssee und Berchtesgaden. Ein Luxushotel ist dort entstanden, in unmittelbarerer Nähe jener längst gesprengten Häuser, in denen sich Hitler mit Mussolini traf und in denen auch der Völkermord an den europäischen Juden geplant wurde. Es hat Proteste gegeben gegen den Bau dieses Hotels, das heute eröffnet wird, Proteste von Opferorganisationen, wie von einzelnen, die fürchten, hier werde ein geschichtsträchtiger Ort verharmlost und Geschichte damit dem Vergessen anheim gegeben.

Moderation: Stefan Koldehoff | 24.02.2005
    Stefan Koldehoff: Christoph Stölzl, ehemaliger Berliner Kultursenator und heute Vizepräsident des dortigen Abgeordnetenhauses ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Dokumentationszentrums Obersalzberg. An ihn, den Historiker die Frage, geht das in Ordnung, ein Hotel auf dem Obersalzberg?

    Christoph Stölzl: Ja, das ist eigentlich wirklich ganz gut, weil dieser Platz, der ja gar nicht banal ist, sondern einer der schönsten Naturplätze, den es in Deutschland überhaupt gibt, mit einer wirklich atemberaubenden wunderbaren Bergsicht, der kann wirklich ganz gut wieder das werden, wofür er eigentlich gedacht ist, dass Menschen sich nämlich an der Natur freuen. Damit wird gar nichts reingewaschen und drum hat vor einigen Jahren die bayrische Staatsregierung, auch eine ich finde hochkarätige Versammlung von Museumsleuten und Zeithistorikern zusammengerufen, die sich überlegen sollte, wie man dort trotzdem festhält, was geschehen ist. Und in einem dieser Nebengebäude, das relativ klein ist, haben wir gemeinsam mit dem Institut für Zeitgeschichte eine knappe und sehr genaue exemplarische, schonungslose all das dokumentierende, was dort geschehen ist auf dem Platz, aber was auch von dort aus ausgedacht worden ist.

    Koldehoff: Ist das, was dort auf dem Obersalzberg geschehen ist, ist das selbst ein Verbrechen gewesen? Oder war es "nur" der Ort, an dem über Verbrechen nachgedacht wurde?

    Stölzl: Beides. Das ist ja zunächst ein Ferienort von Adolf Hitler gewesen und als er 1933 zur vollen Macht gekommen ist, hat er rigoros, brutal dort die Bevölkerung enteignet, die Bauern vertrieben und da dort so eine Art, ich würde sagen, El Dorado für die NS-Prominenz hergestellt, schwer abgezirkelt. Diese Unanständigkeit und die Enteignung, die Brutalität das ist das eine, aber das ist natürlich im Verhältnis zu dem, was dort ausgedacht worden ist, beschlossen worden ist, Angriffskrieg, Judenmord, ist das natürlich sozusagen das kleinere Übel. Nichts desto weniger interessant an dieser Dokumentation ist, dass sie ausgehend von dem Ort, also nicht nur von allgemeinen zeitgeschichtlichen Fragen, sondern ausgehend von dem Ort, sehr genau beschreibt, was das für ein Ort ist. Warum wurde der so ein El Dorado für die Nazis? Das kam daher, weil einer der geistigen Wegbereiter, vor allem des mörderischen Antisemitismus, Dietrich Eckart, dieser völkische Dichter, Denker aus München dort seinen Ferienort hatte. Und dort ist und das ist ja das wirklich paradoxe und immer wieder sozusagen ans Herz greifende an dieser einzigartig schönen Landschaft, sind wirklich die großen Mordgedanken, wie man weiß, aus der Chronologie der Nazi-Herrschaft beschlossen worden. Diesen Widerspruch kriegt man nicht aus der Welt und drum ist es gut, dass dort neben diesem Hotel, nahe und für jeden durchaus begehbar, diese Gedenkstätte, dieser Informationsort stattfindet. Das ist auch deswegen wichtig, weil es ja nach dem Krieg so einen informellen Tourismus gab, von dem man schwer sagen kann, ob es ein Nazi-Tourismus war, oder ob es nur die Sensationsneugierde...

    Koldehoff: Man konnte zumindest Broschüren kaufen, in Frakturschrift gedruckt, in denen dann Fotos des Führers mit den Kindern und so weiter zu sehen waren.

    Stölzl: Ja, an diesen Kiosken. Das war also doch sehr verdächtig und die Frage, die ich jetzt nicht beantworten kann, ist, wie weit die bayrische Staatsregierung und die örtlichen Behörden im Stande waren, diese Kioske mit diesem verdächtigen Memorabilien tatsächlich da wegzukriegen.

    Koldehoff: Können Sie denn ganz grundsätzlich die Kritik derer nachvollziehen, die sich auch heute melden und sagen, ein Ort, an dem so schreckliche Verbrechen ausgedacht wurden, das darf heute nicht wieder ein Ort der Erholung und der Zerstreuung und der Wellness sein?

    Stölzl: Nein, das kann ich eigentlich nicht sehen. Die Natur kann nun wirklich nichts dafür, dass dort diese Bösewichte und Mörder sich eine Zeit lang aufgehalten haben. Und ich finde, das Ganze in diesem ruinösen Zustand zu lassen, wie es dann von den Amerikanern hinterlassen worden ist, halb als Nazi-Architektur, das hätte ich eigentlich gefährlicher gefunden, weil dann sozusagen diese Ruinenriecherei, dieser Hautgout, dieses dämonische die Leute angezogen hätte, was immer von solchen halben Ruinen kommt. Dass da dort ein betont neusachlicher, ja ganz knallmoderner Bau steht und nicht im Alpenlandstil, also etwas, was irgendwie erinnert an diese alte Architektur, das finde ich eigentlich ganz gut. Ich sage es noch einmal, es ist gut, das als Pfahl im Fleisch dieser herrlichen Sonnenuntergänge und dieser Wolkenstimmungen tatsächlich dieser sehr nüchterne, die Mordpraxis des 3. Reiches sehr genau erzählende Ort da ist.