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Hüpfen für die Gesundheit

Medizin. - Nicht nur im menschlichen Erbgut verbergen sich massenhaft blinde Passagiere. Fast die Hälfte unserer DNS besteht aus so genannten Transposons - springende Gene, die vor Urzeiten Kopien zwischen die eigentlichen Gene einfügten. Was als genetischer Müll scheint, könnte sich auch als gentechnischer Segen entpuppen.

Von Volkart Wildermuth | 20.06.2008
    Cut and Paste, ausschneiden und einfügen wie beim Textverarbeitungsprogramm auf dem Computer, so funktionieren Transposons wie "sleeping beauty". Sie können sich selbst im genetischen Text der DNS verschieben und dabei gelegentlich vervielfältigen. Die springenden Gene sind sozusagen DNS-Parasiten, die sich auf Kosten des nützlichen Erbgutes ausbreiten. Die Zellen haben Wege gefunden, sie zu kontrollieren, die Wissenschaftler dagegen wollen sie wieder beleben und ihre speziellen Fähigkeiten für die Gentherapie nutzen. Bei der Gentherapie soll die Ursache einer Krankheit in den Zellen der Patienten selbst behoben werden. Die größte Hürde bei der praktischen Umsetzung dieser attraktiven Idee ist der Transport der heilenden Gene. Die Wissenschaftler verwenden meist Viren als Genfähren, doch dabei gibt es Probleme. Gelegentlich aktiviert so ein Virus nämlich ein Krebsgen der Zellen und löst so selbst eine Krankheit aus. Die Transposons bietet hier eine Alternative, meint Perry Hackett. In seinem Labor in Minneapolis wurde "sleeping beauty" wachgeküsst.

    "In den zehn Jahren seit der Wiederaktivierung von "sleeping beauty” haben wir herausgefunden, dass dieses Transposon nur sehr selten in aktive Gene oder deren Kontrollregionen springt. Das macht es sehr sicher. Denn wenn man künstliche DNS in die Nähe der zellulären Gene bringt, kann das deren Aktivität stören und Mutationen verursachen."

    Anders als Viren sollte "sleeping beauty" deshalb keinen Krebs auslösen. Für eine künftige Gentherapie wollen die Wissenschaftler ihr heilendes Gen in das Transposon hineinsetzen und es von "sleeping beauty" per cut and paste an einen sicheren Ort im Erbgut der Zellen der Patienten einbauen lassen. Das funktioniert im Prinzip, allerdings sind Transposons keine besonders effektiven Genfähren. Am Institut für Biotechnologie in Flandern hat die Arbeitsgruppe von Marinee Chuah deshalb "sleeping beauty" weiter optimiert. Das genetisch verschönerte Transposon springt jetzt hundertmal effektiver.

    "Seit fünfzehn Jahren suche ich nach einer Therapie für die Bluterkrankheit. Wir haben das fehlende Gen in diese neue Transposonsystem eingebaut und es in kranke Mäuse gespritzt. Noch nach Monaten fanden wir sehr hohe Blutspiegel in der Maus, das ist sehr ermutigend."

    Inzwischen lassen sich eine ganze Reihe von Krankheiten per Transposon heilen - im Tiermodell. Viele Forscher glauben, dass die Zeit reif ist, für den Schritt hin zum Patienten. Perry Hackett konnte auf der Berliner Konferenz eine gute Nachricht verkünden. Gerade hat das zuständige Gremium der National Institutes of Health, der amerikanischen Gesundheitsinstitute, einer ersten Studie zugestimmt. Wenn jetzt auch noch die FDA, die Arzneimittelbehörde, grünes Licht gibt, kann es losgehen.

    "Bei der Studie wird Patienten mit Blutkrebs zunächst Blut entnommen. Die Abwehrzellen darin werden mit dem Transposon behandelt und so umgesteuert auf neue Ziele, auf die Krebszellen. Im Körper der Patienten werden sie diese entarteten Zellen suchen und abtöten."

    "Sleeping beauty" soll die Abwehrzellen mit einem speziellen Erkennungsmolekül ausstatten. Sie erhalten sozusagen eine Taschenlampe, mit der sie gezielt Krebszellen ausfindig machen können. Ob das wirklich funktioniert, bleibt abzuwarten. Gerade auf dem Feld der Gentherapie hat es immer wieder Rückschläge gegeben. Das weiß Perry Hackett nur zu genau, aber er sieht aber auch die kleinen Fortschritte. Wenn sich die Gentherapie etabliert, dann wird das wachgeküsste Dornröschen Transposon daran sicher einen Anteil haben, und das schon aus ganz praktischen Gründen.

    "Ein Transposon besteht aus reiner DNS, es ist viel einfacher und billiger zu produzieren als jedes Virus. Transposons bieten die Chance hunderte, tausende, zehntausende von Patienten sicher und effektiv zu behandeln, ohne das man dafür den immensen Aufwand zur Herstellung von Viren betreiben müsste. Wenn man wirklich viele Leute behandeln will, dann müssen letztlich auch die Kosten stimmen."