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Hüter der Unabhängigkeit (3/5)
Die Quasi-Armee Kosovo Security Forces

Deutsche KFOR-Soldaten haben bei Ausbildung und Aufbau der Kosovo Security Forces (KSF) geholfen. Die streitkräfteähnliche Truppe kümmert sich um den Krisen- und Katastrophenschutz. Ein wichtiger Arbeitgeber in einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit.

Von Christoph Kersting | 25.04.2018
    Mitglieder der Sicherheitskräfte des Kosovo (KSF) nehmen am 5. März 2017 an anlässlich des 19. Jahrestags der Tötung des Kommandeurs der Befreiungsarmee der UCK, Adem Jashari, an einer Zeremonie in Pristina teil.
    Die Sicherheitskräfte des Kosovos wurden Ende Januar 2009 gegründet. Sie gelten als Vorstufe zu einer nationalen Armee (AFP / Armend Nimani)
    Ariana Selmanovic kann sich ein lang gezogenes Gähnen nicht verkneifen, versucht das Gesicht hinter dem hohen Kragen ihrer Uniformjacke vor der Kälte zu schützen. Es hat 30 Zentimeter Neuschnee gegeben in der Nacht – ein verspäteter, wohl letzter Wintereinbruch auf dem südlichen Balkan.
    Ariana steht mit einer Kameradin vor einem Kasernentor in Ferizaj, einer 40.000-Einwohner-Stadt 30 Autominuten südlich von Pristina. Ein Militär-Jeep kommt aus der Kaserne gefahren, hält kurz an. Ariana verabschiedet sich von der Kameradin, grüßt kurz den Fahrer und lässt sich fröstelnd auf den Beifahrersitz fallen. Die Mitfahrgelegenheit in die nahe Hauptstadt nutzt sie fast jeden Morgen, wenn nicht fährt die 25-Jährige mit dem eigenen Wagen.
    Ariana ist Soldatin, doch sie dient in keiner Armee: Die sogenannten Kosovo Security Forces, kurz KSF, sind zwar eine bewaffnete, streitkräfteähnliche Truppe – stehen aber unter dem Kommando der KFOR. Unterstützung der Zivilbevölkerung in Krisensituationen und Katastrophenschutz – so lauten offiziell die Aufgaben der KSF. In der Praxis heißt das: Die Soldaten rücken aus, wenn ein Haus brennt, räumen Minen, oder stellen auch schon mal die medizinische Versorgung in entlegenen Dörfern sicher.
    "Ich wollte schon immer meinem Land dienen"
    Ariana zum Beispiel hat eine Logistikausbildung bei den KSF gemacht, und natürlich ein Schießtraining absolviert, betont sie. Vor allem in den ersten Jahren nach ihrer Gründung 2009 erhielten die KSF Unterstützung von der NATO, wenn es um die Ausbildung und Ausrüstung der 2.500 Soldaten ging.
    Ariana Selmanovic, Mitglied der Sicherheitskräfte des Kosovo, steht in Uniform vor einem Militär-Jeep
    Ariana Selmanovic kam mit 19 Jahren zu den Sicherheitskräften (Deutschlandradio / Christoph Kersting)
    Ariana und ihr Fahrer etwa sitzen an diesem Morgen in einem zugigen "MB Wolf", ein in die Jahre gekommener Geländewagen der Bundeswehr. Sie sind auf dem Weg von der KSF-Kaserne in Ferizaj zum Hauptquartier der Truppe in Pristina, wo Ariana in der Lagerverwaltung arbeitet.
    "Ich bin schon bei den KSF, seitdem ich 19 bin. Ich wollte schon immer diese Uniform tragen, Soldatin werden, meinem Land dienen. Eltern und Freunde haben mich dabei unterstützt. Überhaupt ist es sehr angesehen im Kosovo, wenn Du bei den KSF bist, vor allem unter jungen Leuten. Ich jedenfalls bin stolz hier zu sein."
    Angehörige einer slawischen Minderheit im Kosovo
    Ariana ist eine zurückhaltende, fast schüchterne junge Frau, sie braucht einen Moment, um aufzutauen – nicht nur wegen der Morgenkälte. Ihr Vater ist Bosnier, zu Hause im Elternhaus in Ferizaj werden beide Sprachen gesprochen – Albanisch und das mit dem Kroatischen und Serbischen fast identische Bosnisch. Damit zählt die junge Frau offiziell zu einer slawischen Minderheit im albanisch geprägten Kosovo.
    Auch einige Serben gebe es in ihrer Kompanie, berichtet sie, während die Fahrt durch einen Vorort von Pristina geht. Anfeindungen gegenüber serbischen KSF-Soldaten, wie sie immer wieder vorkommen, will und darf die junge Soldatin aber nicht weiter kommentieren. Erst in diesem Februar waren im von Serben bewohnten Norden des Kosovo Plakate geklebt worden: darauf unverhohlene Drohungen gerichtet an jene Serben, die in den KSF oder anderen staatlichen Organen Dienst tun. Man werde diesen "Verrätern die Knochen brechen" und allen, die sie unterstützen, hieß es auf den von einer "Armee des Nordens" unterzeichneten Pamphleten.
    Zehn Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung
    Ariana spricht lieber über die zehn Jahre Unabhängigkeit, die ihr Heimatland vor einigen Wochen gefeiert hat.
    "Wir sind ein junges Land, und, klar, haben wir unsere Probleme hier. Aber ich lebe gerne im Kosovo, inzwischen ist es sicher und stabil, und diese Sicherheit genießen auch die Minderheiten im Land."
    Natürlich kennt auch Ariana viele vor allem junge Menschen aus ihrem Umfeld, die das Land wegen der prekären wirtschaftlichen Lage verlassen und die Daheimgebliebenen dann finanziell aus dem Ausland unterstützen. Auf rund 700.000 wird die Zahl dieser Diaspora-Kosovaren geschätzt – eine ganze Menge für ein Land mit 1,8 Millionen Einwohnern. Ihre Heimat verlassen – das könne sie selbst sich allerdings nicht vorstellen, sagt Ariana, während der Jeep in die Einfahrt zur Adem-Jashari-Kaserne an einer großen Ausfallstraße Pristinas biegt.
    "Ich bleibe im Kosovo, ich will auch weiter bei den KSF dienen. Und ich bin mir sicher: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir eine echte Armee mit einem neuen Namen sein werden."