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Hüterin des nationalen Kulturerbes

Berliner Museen, Bibliotheken und Institute sind unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zusammengefasst. Mit ihrem Etat von über 200 Millionen Euro pro Jahr ist sie die größte Einrichtung dieser Art in Europa. Dabei hat sie sich in 50 Jahren von einer reinen Verwalterin versprengten Kulturgutes zu einer kulturpolitischen Entscheidungsträgerin gewandelt.

Von Matthias Nöther | 25.07.2007
    Am 25. Februar 1947 löste der Alliierte Kontrollrat den Staat Preußen auf - einschließlich aller seiner nachgeordneten Behörden. Damit gab es auch keine Verwaltung mehr für die riesigen Kunstsammlungen, Archive und Bibliotheksbestände, die in und um die Museumsinsel in Berlins historischer Mitte lagerten. Von Alexander und Wilhelm von Humboldt waren sie angelegt, im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem einzigartig dichten Netz kultureller Überlieferung aufgebaut worden. Dieses war nun gefährdet: Bereits vor Kriegsende waren die Bestände von den deutschen Behörden in weit auseinanderliegende Bergwerksstollen ausgelagert worden, 1945 dann wurden sie teilweise von amerikanischen und russischen Soldaten aus Deutschland abtransportiert. Das Gesetz des Kontrollrats brachte die Kulturgüter in deutsche Verwaltung zurück:

    "Preußens Staats- und Verwaltungsfunktionen sowie Vermögen und Verbindlichkeiten sollen auf die beteiligten Länder übertragen werden."

    In Westdeutschland machte der Kontrollrat damit den Weg frei für die Gründung einer Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
    "Die Stiftung soll unter Beachtung der Tradition den sinnvollen Zusammenhang der preußischen Sammlungen erhalten."

    Vor allem dieser Satz war Ursache dafür, dass das Gesetz erst mit zehn Jahren Verzögerung, am 25. Juli 1957, erlassen wurde. Die politischen Vorzeichen ließen es undenkbar erscheinen, diejenigen Kulturschätze, die in den Kriegswirren auf westdeutschen Boden gelangt waren, wieder in ihren ursprünglichen Zusammenhang einzubetten. Denn Pergamonmuseum, Altes und Neues Museum lagen nun in der Sowjetischen Besatzungszone Berlins. Doch auch der Beschluss, die im Westen gelandeten preußischen Kulturgüter in Westberlin zu konzentrieren, stieß bei etlichen Bundesländern, welche die Preußenstiftung ja dauerhaft finanzieren sollten, noch lange auf Widerstand. Erst 1962 konnte die Stiftung unter ihrem ersten Präsidenten Hans-Georg Wormit die Arbeit aufnehmen und begann, in Westberlin neue Museen zu bauen.

    Hans-Georg Wormit: "Die Stiftung ist jetzt arbeitsfähig. Ich möchte meinen, dass die bisher vorliegenden Standortmöglichkeiten Dahlem, dann der Charlottenburger Raum und dann neuerdings ein Raum südlich des Tiergartens dem Stiftungsrat eine gute Basis auch für in weiter Zukunft zu vertretende Entscheidungen bietet."

    Am Rande des Tiergartens wurden ab 1978 Neubauten für Staatsbibliothek, Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett und Kunstgewerbemuseum errichtet. Die historischen Museums- und Bibliotheksbauten, wohin die Sowjetunion die 1945 entnommenen Kulturschätze weitgehend zurückgegeben hatte, erhielten ein Pendant auf Westberliner Seite. Die DDR-Kulturbehörden forderten indessen von der Preußenstiftung, ihren Anteil an den Sammlungen nach Ostberlin rückzuführen. Darauf antwortete der bundesdeutsche Innenminister Gerhart Baum 1978:

    "Die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Rechtsverhältnisse an denjenigen Bestandteilen des Kulturbesitzes des früheren Staates Preußen geordnet, die sich hier in Westberlin oder im westlichen Bundesgebiet befunden haben."

    Was Baum hier nicht sagte, war, dass nach dem Krieg der Zufall diktiert hatte, auf wessen Territorium die preußischen Kulturgüter landeten. Symbol für die politischen Wechselbäder, unter denen die Stiftung stets gearbeitet hat, ist die 3000 Jahre alte Büste der Pharaonengattin Nofretete geworden, die über Nazi-Bunker, ein Thüringisches Salzbergwerk und den Westberliner Bezirk Charlottenburg erst 15 Jahre nach der Wiedervereinigung auf die Museumsinsel zurückkehrte. Museumsdirektor Dietrich Wildung 2005:

    "Der heutige Tag ist für uns das Ende der Nachkriegszeit. Wir sind wieder da, wo das Ägyptische Museum 1850 im Neuen Museum seine große Geschichte begonnen hat."

    Dass nach der Wiedervereinigung 1990 auch die Museumsinsel plötzlich in die Verwaltung der bundesdeutschen Preußenstiftung fiel, stellte diese vor ungeahnte Koordinationsaufgaben. Und der designierte Präsident, der Archäologe Hermann Parzinger, oberster Verwalter von 240 Millionen Euro Jahresetat und mehr als zweitausend Mitarbeitern, wird ab 2008 mitunter auch die heiße Diskussion um die Funktion des zerstörten preußischen Stadtschlosses moderieren müssen, dessen Fassade ab 2010 wiedererrichtet werden soll. Das Kerngeschäft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat sich unmerklich vom nüchternen Verwalten zum nationalen Repräsentieren gewandelt.