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Humor als Druckventil

Sich nicht mit polierten Oberflächen zufriedengeben, sondern dahinter schauen, das ist der Anspruch des österreichischen Cartoonisten Gerhard Haderer. Vorbild ist ihm dabei das Kabarettstück "Herr Karl", das ihn schon sein ganzes Leben begleitet.

Von Marietta Schwarz | 09.07.2013
    Mein Name ist Gerhard Haderer, ich bin Cartoonist, also satirischer Zeichner, lebe in Österreich, und mein Klassiker ist "Herr Karl".

    "Mindestens 20 Mal habe ich mein Leben aufgebaut im Laufe von meinem Leben."

    Herr Karl ist ein Kabarettstück, ein Stück österreichischer politischer Literatur, Kabarettliteratur von Helmut Qualtinger und Karl Merz.
    "Du schwarzer Zigeuner, ach spiel mir was vor …"

    Dieses Stück ist deshalb für mich ein Klassiker, weil es einfach meine gesamte Zeit als Zeichner begleitet hat. Es handelt in sehr kabarettistischen, in sehr humorvollen Szenen eigentlich die politische Nachkriegsgeschichte Österreichs ab. Und das ist deswegen so wichtig, weil diese Geschichte mit Verlogenheiten zu tun hatte und mit Nicht-Eingestehen seiner eigenen Position.

    "War ja 'ne furchtbare Zeit damals, so unruhig. Die Leit waren alle zornig, verhetzt, Fanatiker. Man hat nie gewusst, welche Partei die stärkere ist, man hat sich nicht entscheiden können, wo man sich hinwendet, wo man eintritt."

    Und als Helmut Qualtinger dieses Stück gebracht hat, das war Anfang der 60er Jahre, ging ein Ruck durch die österreichische Öffentlichkeit, und damals habe ich als sehr junger Mensch, ich denke, ich war damals so knapp über zwölf, erkannt, dass man mit Kabarett in Österreich wirklich etwas bewegen kann. Und das hat mich sehr beeindruckt, und aus diesem Grund habe ich mich diesem Stück von Qualtinger immer zugewandt und mach’s heute noch und kann immer noch neue Facetten entdecken.

    "Dann ist eh schon der Hitler gekommen. Ja. Das war ein Jubel. Eine Begeisterung, wie man sie sich überhaupt nicht vorstellen kann nach diesen furchtbaren Jahren, nach diesen traurigen Jahren. Der Wiener hat endlich mal wieder eine Freud gehabt, man hat was gesehen."

    Und Qualtinger hat das geschafft, dass er eine sehr sehr komplizierte Thematik auch mit sehr vielen bösen und wahrhaftigen Aspekten humorvoll und leicht serviert.

    "Haja, da seins einmarschiert, die Deitschen, mit klingendem Spiel, net, die Polizisten sein gestanden mit die Hakenkreizbinden, fesch! Furchtbar! Ein Verbrechen, wie man diese gutglaibigen Menschen in die Irre geführt hat."

    Und dieses leichte Servieren mit schrecklichen, manchmal auch wirklich sehr sperrigen Gegeninhalten, das ist auch Auffassung meiner Arbeit.

    Qualtinger hat mit mir kaum was gemein. Das ist ein genialer Schauspieler und Autor gewesen, der sich über seine Persönlichkeit ausgedrückt hat, und das mache ich ja überhaupt nicht, ich kann mich hinter meinen Bildern verstecken. Aber was wir vielleicht gemeinsam haben, das ist, sich nicht zufrieden zu geben mit bestimmten polierten Oberflächen, sondern dahinter zu schauen. Das ist manchmal schmerzhaft, kann aber hin und wieder dann, wenn der Überdruck im Hirn zu groß wird, dieses Ventil öffnen. Und dieses Ventil kann auch Humor sein.