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"Hunger" zur Eröffnung

Emmed Feigenberg, der neue künstlerische Leiter des jüngst eröffneten Schauspielhauses in Kopenhagen, hat das Programm der kommenden Saison präsentiert. Junge dänische Dramatiker bilden einen Schwerpunkt, die deutschsprachige Theaterwelt einen zweiten. Zur Eröffnung der kleinen Bühne gab es einen Klassiker: Knut Hamsuns "Hunger", inszeniert von Jon Fosse.

Von Marc-Christoph Wagner | 05.03.2008
    Wir müssen eintreten in die Moderne, mehr Menschen erreichen, zeigen, dass das Theater grundmenschliche Anliegen thematisiert, sagt Emmed Feigenberg, seit gestern künstlerischer Leiter des Königlichen Schauspielhauses in Kopenhagen. Theater müsse Sinne öffnen, nach innen, aber auch hinaus in die Welt.

    Dass sich Erneuerung auch mit Klassikern gestalten lässt, dafür ist die Eröffnung der kleinen Bühne des neuen Schauspielhauses der beste Beweis: Knut Hamsuns "Hunger" wird gespielt, erstmals für die Bühne dramatisiert vom norwegischen Schriftsteller und Nestroy-Preisträger Jon Fosse.

    Im Gegensatz zu Hamsun, der einen jungen Künstler durch die Straßen Oslos ziehen lässt, hat Fosse seine Hauptperson anonymisiert. Der Hunger, die Rastlosigkeit, die Marginalisierung, das alles ist vorhanden. Fosse aber gehe es um eine allgemein menschliche Erfahrung, den auf sich gestellten, durch die Kälte der Gesellschaft wandelnden Menschen, so der Regisseur des Stückes, der Schweizer Rolf Heim:

    " Es ist ein Teil seines Untergangs, dass die Menschen, bei denen er sich geborgen fühlt anfangs, ihn dann fallen lassen. Und Fosse ist ja ein Pessimist, ein Misanthrop. Viel Licht gibt es in seiner Welt nicht. "

    Immer wieder keimt Hoffnung auf - bis ins Absurde. Seine Decke will der frierende, obdachlose Namenlose verpfänden, dazu seine Brille, seine Jackenknöpfe. Der Hunger reduziert ihn auf den Moment. Und als selbst das die Menschen um ihn herum kalt lässt, gipfelt das Stück in einem Wutanfall auf Gott:

    " Das ist natürlich Hamsun. Hamsun war zu einer Zeit, wo man sich quasi von der Kirche und Gott losgelöst hat. Hamsun war ja auch sehr beeinflusst von Nietzsche. Und der Mensch war eigentlich der, der jetzt die Zügel in die Hand nehmen soll und diese Welt schaffen und kreieren soll - und Gott brauchen wir nicht mehr, weil auf den können wir sowieso nicht mehr zählen. Es ist interessant, dass einhundert Jahre später dieser Gott wieder einen so große Rolle spielt für genau diese Leute, die sich außerhalb der Gesellschaft befinden. "

    Es ist ein ebenso flottes wie düsteres Stück, mit dem das Königliche Theater seine kleine Szene einweiht. Das minimalistische Bühnenbild, dessen Fundament nach und nach wegbricht, die musikalischen Elemente, die Dialoge verstärken und Raum schaffen für Reflexion - alles Elemente, die der altehrwürdigen Nationalbühne gut tun. Am Ende ist die Hauptperson ganz und gar auf sich selbst reduziert, retten kann nur sie sich selbst. Keine überfrachtende Moral, vielmehr ein Spiegel, die Fosse uns, der Gesellschaft, vorhält.