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Hybrid für die Schiene?

Technik. - Ein Zug setzt beim Bremsen gewaltige Energien frei, die zurzeit weitgehend ungenutzt verpuffen. Mit Fördergeldern des Bundesverkehrsministeriums werden jetzt Konzepte entwickelt, die Bremsenergien teilweise zurückzugewinnen und in Batterien zu speichern. Auf der Messe Innotrans 2010 in Berlin wurden entsprechende Konzepte vorgestellt.

Von Sönke Gäthke | 22.09.2010
    Der Prius macht unter Eisenbahningenieuren Schule. Seit 13 Jahren wird der Hybridwagen schon gebaut und spart Benzin, indem er unter anderem beim Bremsen Strom gewinnt. Den speichert der Wagen in einer Batterie und nutzt ihn zum Anfahren. Eine benzinsparende Lösung – und dennoch hat es lange gedauert, bis sie ihren Weg auf die Schiene gefunden hat.

    "Das Nadelöhr bei dieser Technik ist wie beim Auto heute auch die Batterie. Und beim Zug, das kann man sich, glaube ich, sehr einfach vorstellen, da haben wir sehr große Massen, die bewegt sind, und dementsprechend sehr hohe Leistungen, die zwischengespeichert werden müssen in diesen Batterien. Und hier sind wir inzwischen, durch diese Anstrengungen in den Automotive-Entwicklungen in greifbarer Nähe, dass wir die Technologie auf den Zug bringen können","

    erklärt Peter Rieger, Physiker des Motorenherstellers MTU. Der will jetzt, gemeinsam mit einer DB-Tochter einen Triebwagen mit einem Hybridantrieb nachrüsten. Dafür müssen die Ingenieure ein zweites Getriebe einbauen, das einen Elektromotor ein- oder auskuppeln kann. Der Elektromotor kann dann zusätzlichen Schub geben oder bremsen und dabei Strom erzeugen. Ganz wie das Vorbild auf der Straße. Und doch gibt es einen großen Unterschied, erklärt Ingo Lehmann: Wann welcher Motor zu- oder abgeschaltet, ist vorhersagbar,

    ""weil wir hier einen vordefinierten Fahrweg haben, dass heißt, wir kennen die Haltestelle, wir kennen die Bremswege, wir kennen alle Randbedingungen und können dies in eine Steuerung sehr gut unterbringen."

    Der Physiker und der Ingenieur entwickeln daher zusätzlich ein Fahrerassistenzsystem, das die gesamte Strecke kennt und im Voraus berechnen kann, wann der Elektromotor bremsen oder Gas geben muss, um das Optimum aus dem Treibstoff herauszuholen. Die Vorteile des elektrischen Hybrids sind so groß, dass selbst Voith Turbo, der Hersteller hydraulischer Getriebe inzwischen auch einen Hybrid-Antriebssatz zum Nachrüsten entwickelt, sagt der Entwickler Heinz Tengler.

    "Also, was wir hier haben, das ist ja ein elektrischer Hybrid, ein Parallel-Hybrid-Antrieb, wie man in beispielsweise auch aus Stadtomnibussen oder natürlich aus dem PKW kennt."

    (Anm. d. Red.: Der folgende Abschnitt wurde auf Wunsch des Autors geändert und weicht von der Audioversion ab.) Eigentlich hatte er gehofft, auf den Strom verzichten zu können. Dessen Rolle sollte eine Hydrostatik übernehmen und die beim Bremsen gewonnene Energie speichern: Zieht der Lokführer die Bremse, presst eine an das Getriebe angekuppelte Pumpe Gas in einen Druckbehälter zusammen, und bremst den Zug. Auf diese Weise könnte die Bremsenergie auch gespeichert werden. Fährt der Zug wieder an, öffnet sich ein Ventil und lässt das zusammengepresste Gas durch eine Turbine strömen. Diese wird wieder auf das Getriebe gekuppelt und wirkt wie der Elektrobooster. Tengler:

    "Richtig. Also wir haben diese Idee mit dieser so genannten Hydrostatischen Energiespeicherung weiterentwickelt, mussten allerdings feststellen, dass man, um so ein System einsetzen zu können, von vornherein das gesamte Fahrzeug so konzipiert werden muss, um das optimal unterzubringen. Es eignet sich nicht als Nachrüstlösung."

    Denn die Tanks brauchen Platz. Und sie sind schwer. Die Batterien dagegen bieten in den Augen Tenglers einige Vorteile.

    "Mit diesem elektrischen Speicher sind wir einfach flexibler, was die Speichergröße und das Gewicht betrifft. Daher setzen wir im Moment parallel zu dieser damaligen Entwicklung auf den elektrischen Speicher."

    Allzu schwer dürfen auch die Akkus nicht sein – und müssen trotzdem genug Energie speichern können, um die ungleich schwereren Schienenfahrzeugen vorwärts treiben zu können. Dazu kommt, dass die Lithium Ionen Akkus jetzt erst einmal ihre Eisenbahn-Tauglichkeit beweisen müssen. Bis jetzt gehen Batterieexperten zum Beispiel davon aus, dass sie etwa fünf Jahre halten – viel zu kurz für ein Triebwagenleben, das leicht dreißig Jahre dauern kann.