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Hybride Haie

Biologie. - Wie genau eine Art definiert wird, und worin sich die eine von der anderen unterscheidet, gehört zu den schwierigen Fragen der Biologie. Meeresbiologen in Australien haben jetzt Anzeichen für eine Aufspaltung zweier Arten protokolliert. Die Fragen über den Artbegriff sind dadurch nicht weniger geworden.

Von Michael Stang | 27.01.2012
    Seit zwei Jahren verfolgen Jessica Morgan und ihr Team von der Universität von Queensland in Brisbane die Entwicklung zweier Haiarten vor der australischen Ostküste. Entlang der 2000 Kilometer langen Küstenlinie zwischen dem südlichen New South Wales und dem nördlichen Queensland untersuchen sie im Auftrag der Fischereibehörden das Vorkommen des Australischen Schwarzspitzenhais und des Kleinen Schwarzspitzenhais.

    "Wenn wir diese Haiarten untersuchen, machen wir das einerseits anatomisch, wir messen also die Körperlänge, wiegen die Tiere, zählen die Wirbel und so weiter und dann nehmen wir auch noch Gewebeproben für genetische Analysen. Vor rund einem Jahr hatten wir dann erstmals den Fall, dass wir diese Daten nicht exakt einer Spezies zuordnen konnten, da es einen Widerspruch zwischen Anatomie und Genetik gab."

    Während dieser Hai anhand von Körpergröße, Anzahl der Rückenwirbel und weiteren anatomischen Details wie ein Vertreter des Australischen Schwarzspitzenhais aussah, gehörte er genetisch betrachtet zu den Kleinen Schwarzspitzenhaien. Er blieb aber kein Einzelfall. Binnen Jahresfrist entdeckten die Meeresbiologen um Jessica Morgan insgesamt 57 hybride Haie. Im Gegensatz zu hybriden Nachkommen anderer Tiere, etwa Mulis oder Maultiere, sind diese Haie fruchtbar und bekommen Nachwuchs. Das ist sehr ungewöhnlich. Eigentlich besagt die Lehrbuchmeinung, dass es in diesem Fall keine zwei Arten sein können, sondern dass es lediglich Vertreter derselben Spezies sein müssten, die zu verschiedenen Unterarten, sprich Rassen gehören. Dem widerspricht Jessica Morgan.

    "Wir können genetische Unterschiede zwischen beiden Vertretern ausmachen, die Anzahl der Rückenwirbel variiert und sie sind unterschiedlich groß. Eine Art kommt nur in australischen Gewässern vor, die andere lebt in allen Weltmeeren. Es gibt also zahlreiche Hinweise, dass es sich um zwei Arten handelt. Möglicherweise hat die Artaufspaltung erst vor relativ kurzer Zeit stattgefunden, so, dass sich die beiden genetisch noch so ähnlich genug sind, um gemeinsam fruchtbaren Nachwuchs bekommen zu können. Ob dieser aber in der zweiten Generation vielleicht doch unfruchtbar ist, das wissen wir einfach nicht."

    Vertreter der Kleinen Schwarzspitzenhaie leben nur in tropischen Gewässern. Ihr hybrider Nachwuchs tummelt sich hingegen auch in kühleren Gegenden. Das deutet darauf hin, dass die neue Haiform gut an die Umweltbedingungen angepasst ist, möglicherweise sogar besser als die Eltern- beziehungsweise Großelterngeneration. Ist dies der Fall, dürften sich diese Tiere auf lange Sicht durchsetzen.

    "Wir haben keine Ahnung, warum es überhaupt zu dieser Vermischung gekommen ist, und wie lange sie schon existiert. Mit heutigen genetischen Methoden können wir das noch nicht beantworten, aber wir hoffen, dass wir bald dazu in der Lage sind. Dann können wir vielleicht auch sehen, in welche Richtung sich die Tiere entwickeln, also ob es weiterhin zwei Arten geben wird oder sich alle Tiere zu einer Spezies zusammenschließen."

    Klar ist nur, dass die 57 bekannten Mischhaie an der weiteren Entwicklung nicht mehr teilhaben werden, denn sie wurden bereits verspeist. Jessica Morgan und ihre Kollegen haben die Fische als Beifang der australischen Fischereibehörden untersucht. Nach der Untersuchung wurden die Haie zerteilt: die Flossen gingen direkt nach Asien, das Fleisch wurde auf dem australischen Markt als Delikatesse verkauft.