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Hymne der mexikanischen Protestbewegung

Seit den Unruhen 2012 wird in Mexiko regelmäßig gegen die Regierung demonstiert. Bei den Protesten spielt auch Musik eine wichtige Rolle. Das "Mexican Institute of Sound" um Bandleader Camilo Lara, trägt viel zum Soundtrack der Bewegung bei.

Von Ole Schulz | 27.09.2013
    "Die Musik, die ich mache, kommt von den Straßen Mexikos – Cumbia, aber auch Danzón, Cha Cha Cha, Mambo. Ich wollte immer alle Stile miteinander mischen. Und für mich ist eine Cumbia-Tanzveranstaltung mit einem Techno-Rave vergleichbar."

    Camilo Lara ist der Kopf des "Mexican Institute of Sound". Das Musikprojekt ist sein Einmann-Unternehmen. Der 37-jährige Lara ist DJ, Sänger und Produzent in einem – und einer der Pioniere der wachsenden Elektro-Szene Mexikos. Er mischt traditionelle Musik wie Cumbia, Mariachi-Blasmusik oder Norteño-Folklore mit Techno und Rap zu einem neuen Stil, der manchmal "Mextrónica" genannt wird.

    Über sich selbst sagt Lara, er wollte immer wie "Kraftwerk" klingen, herausgekommen sei aber nur eine moderne Variante der Mambo-Legende Pérez Prado:

    "Ich bin von der deutschen Band "Can" ebenso beeinflusst wie von alter Cumbia, und musikalisch für alles offen. Das hat sich als Konstante meiner Musik erwiesen: viele Einflüsse – von Punk über Cumbia bis Hip-Hop."

    Für einigen Wirbel hat in seiner Heimat im Vorjahr Laras Lied "México" gesorgt. Zu schmetternden Bläsern sind verstörende Zeilen zu hören:

    "Wie viel Zeit muss noch vergehen, bis sich die Lage bessert? Wir sind Opfer eines Staates, der konfisziert wurde, einer Regierung, die vom Drogenhandel profitiert", rappt Lara. Mexiko s Nationalfarben seien "Grün wie Dope, Weiß wie Kokain, Rot dein Blut."

    Es seien die anhaltende Gewalt und das korrupte System gewesen, die ihn "politisiert" haben, sagt Lara. Zu den studentischen Massenprotesten anlässlich der Präsidentschaftswahlen im Vorjahr erschien "Político", das jüngste Album des "Mexican Institute of Sound".

    "Die Proteste waren ein sehr wichtiger, explosiver, emotionaler Moment. Und es waren die Studenten, durch die die Gesellschaft eine Stimme bekam – wie immer in der Geschichte. Es war ein wichtiger Moment für die Gesellschaft zu sagen: "Jetzt reicht es!" Darum nennt sich meine Platte auch "Político", "politisch". Ich spreche nicht von Revolution, sondern von Politik. Und die muss von der Gesellschaft gemacht werden."

    Die Studenten forderten vor allem eine Demokratisierung der Medien und politische Reformen – und Laras Lied "México" wurde zur Hymne der studentischen Protestbewegung.

    Die Songs auf "Político" sind mal schleppend, mal euphorisch. Waren Laras erste drei Alben in erster Linie "nur" partytauglich, ist "Político" vielfältiger – und düsterer.

    "Es ist immer noch Musik zum Tanzen, hat aber auch eine politische, soziale Ader. Meine vorigen Alben waren mehr wie Liebesbriefe an Mexiko. Dieses ist eher eine Kriegserklärung an mein Land."

    "Político" überzeugt aber auch musikalisch – als Soundtrack einer komplexen Gesellschaft:

    "Wer von Mexiko redet, muss im Plural sprechen – es gibt viele schwerwiegende Probleme wie den Drogenhandel. Es ist eine komplexe Situation, es gibt viele Interessen und Faktoren. Auch dass wir der "Dealer" der USA sind, führt dazu, dass wir ein Land voller Armut, Ungleichheit und Ignoranz sind."

    Derzeit tourt Lara mit seiner Band durch Europa, arbeitet an einem neuen Album – und schreibt einen Roman. Doch obwohl er eine der Größen der vielfältigen Alternativ-Musikszene Mexikos ist, ist Camilo Lara in seiner Heimat keine Berühmtheit. Noch nicht.