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Hyperloop
Mit 450 Sachen auf der Hightech-Seifenkiste durch die Röhre

Mit Schallgeschwindigkeit in einer Art Rohrpost von einer Stadt zur anderen reisen, das ist noch eine Zukunftsvision. Doch wie sehr wir uns dieser nähern, zeigen Hightech-Seifenkisten, die Studenten aus der ganzen Welt bei einem Treffen in Los Angeles vorführen. Mit dabei ist auch ein Team aus Norddeutschland.

Von Tim Schröder | 14.08.2017
    Ein Prototyp wird bei der Hyperloop Pod Competition in die Stahlröhre geschoben.
    Stahlröhre mit Vakuum: Hier beschleunigen die Prototypen auf bis zu 450 Kilometer pro Stunde. (imago /Zuma Press)
    Vier Monate lang haben die Studenten in den großen Werkhallen der Hochschule Emden/Leer an ihrem gut drei Meter langen Gefährt gearbeitet – einer Art Hightech-Seifenkiste. HyperpodX heißt das Vehikel aus Norddeutschland. Es wird Ende August beim Raumfahrtunternehmen SpaceX in Los Angeles gegen 23 andere Fahrzeuge antreten. Wenn es denn die einwöchige Testphase bei SpaceX übersteht, sagt Steffen Dasenbrock, Student des Studiengangs "Engineering Physics":
    "Es gibt insgesamt zehn Stufen, die wir durchstehen müssen. Die schauen sich wirklich Details an. Wie stark sind alle Schrauben angezogen. Dürfen die überhaupt so viel Drehmoment haben und so... Dann kommen wir in die Vakuumkammer und dann wird erstmal geguckt, ob unsere Systeme überhaupt funktionieren."
    Hochschulen mit Weltruhm als Konkurrenz
    Nur die besten vier bis fünf Fahrzeuge dürfen bei dem Wettbewerb, der "Hyperloop Pod Competition II", am Ende tatsächlich auf die Rennstrecke. Diese Strecke besteht aus einer 1,6 Kilometer langen Stahlröhre, in der die Fahrzeuge auf einer Aluminiumschiene mit bis zu 450 Kilometer pro Stunde dahingleiten werden. Um den Luftwiderstand zu verringern, herrscht in der Röhre ein Vakuum. Die Studenten rechnen sich gute Chancen aus, obwohl sie gegen Teams von Hochschulen mit Weltruhm antreten müssen - etwa vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). In ihrem HyperpodX haben sie daher einiges an vielversprechender Technik verbaut.
    Studenten arbeiten an ihrem Magnetbahn-Prototypen HyperPodX.
    Letzte Arbeiten am HyperpodX, der beim Wettbewerb in Los Angeles möglichst weit vorne landen soll. (dpa / Ingo Wagner)
    "Wir haben einmal das Schwebesystem, das ist passiv und magnetisch. Dann haben wir das Bremssystem, das ist eine Wirbelstrombremse. Dann haben wir ein Stabilitätssystem. Da benutzen wir Highspeed-Kugellager, um uns in der Mitte auf der Schiene zu halten. Und dann haben wir das Kontrollsystem, um die ganzen Komponenten, die wir benutzen zu steuern und während des Flugs mit Energie versorgen zu können."
    Auf das Gleiten kommt es an
    Über einen Antrieb verfügen nur wenige Fahrzeuge, die ins Rennen gehen. Die meisten werden von einem Katapult in die Röhre geschossen. SpaceX erwartet vor allem, dass die Fahrzeuge zeigen, wie gut sie gleiten. Der norddeutsche HyperpodX hat daher ein besonders ausgetüfteltes Gleitsystem. In der Beschleunigungsphase rollt er auf Rädern. Hat er seine Reisegeschwindigkeit erreicht, fährt er Magnetplatten aus, sodass er berührungslos wie eine Schwebebahn dahinfliegt. Gespeist wird das Gefährt aus einem Lithium-Akku.
    Die schnelle Flugphase dauert nur etwa drei Sekunden, in der der HyperpodX auf mehr als 400 Kilometer pro Stunde beschleunigen soll. Dann wird er schon wieder bremsen müssen. Auf die Zuverlässigkeit der Bremsen legt die Firma SpaceX besonders großen Wert:
    "Ich muss ganz genau wissen, wo ist mein Vehikel, welche Geschwindigkeit hat es, wie bremse ich und wie verkaufe ich das SpaceX nachher, dass die mir glauben, dass das auch wirklich bremst. Wenn da so eine dicke Lithium-Mangan-Batterie mit 450 Sachen hinten in das Tube-Ende rast, ist das Geheule groß und die Competition größtenteils vorbei", sagt der Student Jan Cordes, der im norddeutschen Team für die Steuerungstechnik des HyperpodX zuständig ist. Zusammen mit seinen Kommilitonen musste er die Elektronik in nur vier Monaten widerstandsfähig gegen die starken Magnetfelder und das Vakuum in der Röhre machen – für ihn die eigentliche Herausforderung des Projekts.
    Arbeiten mit empfindlichen elektrischen Komponenten
    "Wenn man mal sein Laptop auf einen Magneten gelegt hat und gemerkt hat, verdammt das Ding läuft nicht mehr, weil die Festplatte zerstört ist, sieht man genau diese Einflüsse auf Elektronik. Da ist ein Magnetfeld Gift. Und das müssen wir irgendwie kompensieren. Da haben wir spezielle Shielding-Techniken zum Beispiel entwickelt."
    Eine Art spezieller Gehäuse, die die empfindlichen elektrischen Komponenten schützen. Und auch das Vakuum haben die Studenten in den Griff bekommen. Dabei besteht das Problem darin, dass ein Computer-Prozessor leicht überhitzt, weil er die Wärme im luftleeren Raum kaum abgeben kann.
    "Wir haben mehrere verteilte Mikrocontroller, die alle ihre Wärme, die sie erzeugen, an das umgebende Material abgeben, an den Rahmen und dadurch eine Aufheizung, die überall gleich stark ist."
    Zwei Professoren nur als Begleiter
    So wird verhindert, dass beim Flug in der Röhre ein Hauptprozessor durchschmort. Das Team aus 52 Studenten von der Hochschule Emden/Leer und der Universität Oldenburg wird von zwei Professoren betreut. Die betonen, dass die Studenten völlig selbständig arbeiten, denn so verlangt es SpaceX:
    "Mein Kollege Thomas Schüning und ich unterstützen das Projekt als Supervisor, aber wir haben nichts an diesem Gerät konstruiert. Das gesamte Design, der gesamte Aufbau, die gesamte Konstruktion ist originär von den Studierenden geleistet worden", sagt Walter Neu, Professor an der Hochschule Emden/Leer. Auch er glaubt an den Erfolg seines Teams.
    "Wir wissen, dass unsere Elektronik vakuumfest ist. Wir haben alle Aktoren getestet, alle Sensoren getestet unter realistischen Vakuumbedingungen. Also da sind wir auf der absolut sicheren Seite. Und bei der ersten Competition sind über die Hälfte der Teams rausgeflogen, weil sie die Vakuumbedingungen nicht haben erfüllen können. Ich glaube, wir haben gute Chancen, auf einen der vorderen Plätze zu fahren."