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Hyperspektrale Fernerkundung
Wie Korallenriffe aus der Luft erkundet werden

Wo sind Korallen intakt, wo sind sie schon abgestorben? Bisher brauchte es Spezialtaucher, um Korallenriffe zu erkunden und ihren Zustand festzuhalten. Ein Forschungsprojekt hat nun eine Möglichkeit gefunden, Riffe aus der Luft zu kartieren. Die neue Technik ist schnell und effizient.

Von Lucian Haas | 30.09.2019
An aerial view above the outer reef and Goofnuw Channel looking south to the island of Yap; Yap, Federated States of Micronesia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: DavexFleetham 12548762
Blick auf ein Korallenriff der Föderierten Staaten von Mikronesien (Design Pics | imago)
Wenn es darum geht, Korallenriffe zu erkunden und ihren Gesundheitszustand zu kartieren, sind bisher erfahrene Taucher gefragt. Sie tauchen zu den Riffen hinab und sammeln dort Beobachtungsdaten. Wo sind die Korallen intakt, wo sind sie schon abgestorben? Wer auf diese Weise alle Riffe der Welt erfassen wollte, wäre allerdings Jahrhunderte lang beschäftigt. Greg Asner will nicht so lange warten.
"Taucher können einfach nicht genug Fläche abdecken. Da gibt es eine große Diskrepanz zu dem, was wir aus der Luft erkunden können. Fliegend kommen wir auf 100.000 bis 150.000 Hektar pro Tag. Tauchend schafft man vielleicht einen oder zwei."
Greg Asner von der Arizona State University ist Projektleiter des Carnegie Airborne Observatory. Das ist ein zweimotoriges Forschungsflugzeug, unter dessen Rumpf eine in ihrer Art weltweit einmalige spektroskopische Spezialkamera installiert ist. Sie dient der sogenannten hyperspektralen Fernerkundung von Korallenriffen. Dafür schießt sie Luftbilder aus Flughöhen von rund 4.000 Metern über der Wasseroberfläche.
Ziel: innerhalb eines Jahres den Zustand aller Riffe erkunden
"Unsere bildgebende Spektroskopie macht es möglich, in Hunderten von Spektralkanälen gleichzeitig zu sehen. Jeder Bildpunkt unterscheidet nicht nur die Grundfarben Rot, Grün und Blau, sondern gewissermaßen 427 Lichtfarben. Für jedes Pixel erhalten wir damit detaillierte spektrale Profile. Anhand solcher Profile können wir nicht nur Korallen eindeutig von Sand und Fels unterscheiden, sondern auch den Gesundheitszustand der Korallen erkennen – und manchmal sogar, um welche Art es sich handelt."
Ein Korallenriff vor der hawaiianischen Küste.
Korallenriff vor der hawaiianischen Küste: Riffe können nun auch aus der Luft kartiert werden. (imago images / imagebroker)
Für die Auswertung der Hyperspektral-Luftbilder nutzt das Team um Greg Asner eine künstliche Intelligenz. Sie ist darauf trainiert, die vom Wasser typischerweise reflektierten Spektren des Sonnenlichts digital auszufiltern. Übrig bleiben die Signale, die von unter der Wasseroberfläche stammen. So lassen sich Korallen selbst noch in 20 Metern Wassertiefe aus der Luft erkennen. Und das bis zu einer Auflösung von weniger als zehn Zentimetern. Aus Tausenden von Luftbildern entstehen am Ende digitale Karten der Verbreitung und des Zustands der Riffe. Seit März 2019 ist das Carnegie Airborne Observatory rund um Hawaii im Einsatz. Ziel ist es, innerhalb eines Jahres die Lage und den Zustand aller dort vorhandenen Riffe detailliert zu erfassen. Darauf basierend will die Regierung von Hawaii künftig bessere Managementpläne entwickeln, um bis 2030 dann 30 Prozent der Korallenriffe unter Schutz zu stellen.
"Man sollte annehmen, dass die Korallenriffe um solche Inseln wie Hawaii schon sehr genau kartiert sind. Aber überraschenderweise haben wir sogar neue, intakte Riffe gefunden, die bisher weder der Forschung noch den Behörden bekannt waren."
Ein Zeichen der Hoffnung
Für Greg Asner sind solche Funde ein Zeichen der Hoffnung. Korallenriffe könnten auch in Zeiten, in denen viel von Korallensterben die Rede ist, eine Überlebenschance haben. Man müsste nur wissen, wo die gesunden Riffe liegen, um sie besser schützen zu können. Am liebsten würde der Forscher gleich eine ganze Flotte seiner fliegenden Spezialkameras in die Luft bringen, um global die dafür nötige Kartierungsarbeit zu leisten.
"Die Nachfrage ist groß. Wir springen jetzt schon von Einsätzen in der Karibik nach Hawaii und dann in den Süd-Pazifik. Wir müssten uns eigentlich selbst vervielfachen. Wir brauchen mehr dieser Technologie. Aber so eine Kamera gibt es aktuell an keinem anderen Ort."
Vielleicht wird sich Greg Asner den Traum eines weltweiten Korallen-Monitorings aus der Luft eines Tages noch erfüllen. Er arbeitet an Plänen, die gleiche spektroskopische Kameratechnik künftig auf einem Satelliten zu installieren. Dieser könnte dann aus einer niedrigen Erdumlaufbahn heraus in allen Meeren nach intakten Korallenriffen Ausschau halten.