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Ich bin eine Stammzelle

Medizin. - Wissenschaftler geraten immer wieder ins Schwärmen, wenn von Stammzellen die Rede ist. Oft geht es dabei um embryonale Stammzellen, die als besonders leistungsfähig gelten, doch in der Medizin sind adulte Stammzellen, die jeder Mensch in seinem Körper trägt, viel gefragter. Niederländische Forscher präsentierten auf der europäischen Stammzellentagung in Stockholm und in der Online-Ausgabe der Zeitschrift "Nature" eine Art natürliches Namensschild für Stammzellen.

Von Michael Lange | 16.10.2007
    Im Innern des Darms wird ständig renoviert. Die innere Zellschicht, die den Dünndarm und den Dickdarm auskleidet wie eine Tapete, wird fast täglich erneuert. Mindestens aber einmal pro Woche. Dazu muss der Darm ständig neue Zellen produzieren, über 200 Gramm täglich. Verantwortlich dafür sind wenige Stammzellen, verborgen in kleinen Höhlen des Darms. Dazu Hans Clevers, Stammzellenforscher an der Universität Utrecht in den Niederlanden.

    "”Lebenslang bleiben die Stammzellen erhalten und produzieren ständig neue Darmzellen. Aber nicht nur im Darm sind diese adulten Stammzellen die Quelle für alle spezialisierten Zellen im Körper.""

    Diese ständig aktiven Zellen zu finden, ist aber gar nicht so leicht. Sie unterscheiden sich kaum von gewöhnlichen Körperzellen. Lediglich Blutstammzellen lassen sich heute einfach im Blut oder im Knochenmark erkennen und aussortieren. Hans Clevers hat mit seinem Team nun eine Markierung entdeckt, eine Art Namensschild aller Stammzellen. Ein Biomolekül das besagt: "Diese Zelle ist eine Stammzelle". Clevers:

    "Wir konnten zeigen, dass diese seltenen Zellen nicht nur im Darm vorkommen. Wir fanden Zellen mit den gleichen Markierungen auch in der Haut, in der Brust, im Magen, im Auge und sogar im Gehirn. Und dann haben wir nachgewiesen, dass genau diese Zellen die zuständigen Stammzellen sind für das jeweilige Organ oder Körpergewebe."

    Ein Gen namens Lgr 5 trägt die Information für die Markierung, also das Namensschild. Seine Funktion in der Zelle ist noch nicht ganz klar. Wahrscheinlich codiert es für einen Hormonrezeptor. Solche Rezeptoren sitzen außen auf der Zellhülle. Sie erkennen bestimmte Hormone und reagieren darauf. So steuern sie die Aktivität der Zelle. Clevers:

    "”Dieser Marker ist der erste und einzige, der ausschließlich Stammzellen kenntlich macht und keine anderen Zellen. Das heißt: Er allein reicht aus, um Stammzellen zu identifizieren, und zwar im lebenden Patienten.""

    Zumindest im Prinzip. Denn nun muss noch eine molekulare Sonde entwickelt werden, die nach dem Namensschild sucht und es zielsicher aufspürt. Mit einer solchen Sonde ließen sich dann auch die gefährlichen Krebsstammzellen erkennen. Das sind Zellen, aus denen sich ein Tumor ständig erneuern kann. Auch sie tragen die gleiche Markierung wie die Stammzellen im Darm. Das wäre dann ein wichtiger Schritt für die Krebstherapie. Eine andere Einsatzmöglichkeit, wäre die direkte Verwendung von adulten Stammzellen für die Heilung von Krankheiten, bei denen Zellen zu Grunde gehen, wie bei Parkinson oder Diabetes. Aber die jetzigen Ergebnisse sind dabei nur ein erster Schritt, weiß Hans Clevers.

    "”Wir müssen die Stammzellen nicht nur finden. Wir müssen sie isolieren und im Labor vermehren. Dann könnten diese Zellen für die Therapie eingesetzt werden, um kranke Körpergewebe zu ersetzen oder zu reparieren. Aber das ist gar nicht so leicht.""

    Also noch kein Durchbruch für die Therapie mit Stammzellen. Aber die Forschungsergebnisse aus den Niederlanden helfen, die adulten Stammzellen besser zu verstehen, damit sie in Zukunft gezielter aufgespürt und eingesetzt werden können.