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Ich Chef, du nix

Zwei Drittel der Befragten sind laut einer Studie von Lorenz S. Forchhammer mit der Entscheidungsfindung in ihren Unternehmen nicht zufrieden. Gründe seien oftmals eine vermutete Scheinbeteiligung der Mitarbeiter und der Zeitdruck, der in den meisten Firmen herrsche - doch es geht auch anders.

Lorenz S. Forchhammer im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 29.06.2010
    Ulrike Burgwinkel: "Gut entschieden? Zur Qualität von Entscheidungsprozessen in Unternehmen", so lautet der Titel einer Studie der ComTeam Academy & Consulting, ist gerade erschienen, basiert auf viel Erfahrung und ausführlicher Befragung. Lorenz Forchhammer ist Leiter der Studie und Vorstand der ComTeam. Guten Tag nach Gmund!

    Lorenz S. Forchhammer: Hallo, Frau Burgwinkel!

    Burgwinkel: Herr Forchhammer, zwei Drittel der Befragten in Ihrer Studie sind mit der Entscheidungsfindung in Unternehmen nicht zufrieden. Warum denn?

    Forchhammer: Ja, dafür machen wir etwa drei Gründe verantwortlich. Das eine ist – unter dem Kurznamen Zeitdruck –, dass viele Lösungen schon in den Köpfen der Manager bestehen, bevor die in den Entscheidungsprozess gehen, und sie wollen es dann nur noch durchsetzen, weil sie auch Wert drauf legen, dass es sehr flott geht. Und eine zweite Einschätzung von vielen Betroffenen lautet, dass viele Entscheidungen nur mit einer Scheinbeteiligung durchgeführt werden. Das heißt, dass eigentlich schon feststeht, was rauskommen muss und man pro forma sie noch befragt. Und dann gibt es natürlich auch eine gewisse Methodenarmut bei den Entscheidern, das heißt, dass die Komplexität, die vielen Entscheidungsprozessen mittlerweile zu eigen ist, nicht gut methodisch beherrscht wird, also vor allem der Umgang mit der sozialen Komplexität ist etwas ungewohnt für die Entscheider.

    Burgwinkel: Wird denn dieser Unmut von den Betroffenen geäußert auch in lauter Kritik?

    Forchhammer: Ja, es ist oft weniger die laute Kritik, sondern es ist meistens der Flurfunk, und da gibt es Kritik einmal an der fachlichen Güte und natürlich auch – hat auch die Studie gezeigt – an den Ertragschancen, die wird von den Betroffenen als ziemlich mittelmäßig bis mau eingeschätzt. Und es gibt natürlich auch hinter vorgehaltener Hand eine Kritik und eine fehlende Akzeptanz und ein Nicht-einverstanden-Sein mit dem Prozess der Entscheidungsfindung.

    Burgwinkel: Ja, aber den könnte man doch zumindest ändern, also da könnte man den Führungskräften was an die Hand geben und auch den Mitarbeitern?

    Forchhammer: Ja, man kann ... Ich denke, so auf drei Schienen kann man versuchen, eine Veränderung herbeizuführen. Das eine ist, dass die Führungskräfte aber auch die Person in der Personalentwicklung, die das Moderieren und das Begleiten von Entscheidungsprozessen auch gelernt haben, also dass die methodisch gut ausgebildet werden in einem vernünftigen Prozess, wie man Entscheidungen vorwärts bringt. Und ein ganz einfaches Mittel, wenn einer Unternehmensführung gut integrierte Entscheidungen wichtig sind, ist, dass sie in ihr Reporting eben nicht nur einbauen, dass sie nach Zeit und Kosten und Aufwänden fragen, sondern auch, dass eine vernünftige Stakeholderanalyse, die die Interessen der Beteiligten und Betroffenen anguckt und wie das Vorgehen gewesen ist im Entscheidungsprozess, mit in das Reporting mit aufnimmt.

    Burgwinkel: So im Alltag denke ich oft, na, ich entscheide nach Kopf oder nach Bauch oder zur Not werfe ich eine Münze, wenn ich es so gar nicht anders weiß. Das passiert nur im Alltag, das ist für Entscheidungsträger unüblich oder machen die das manchmal auch so?

    Forchhammer: Ja, ich fürchte, dass es manchmal auch so passiert. Aber das mit der Intuition oder mit nur der Rationalität ist gerade bei komplexen Entscheidungen ein großes Problem. Alle relevanten unternehmerischen Entscheidungen haben mittlerweile eine Größe, die von einem allein gar nicht mehr überschaut und getragen werden kann. Und dann braucht er ein Bündnis kluger Köpfe, die miteinander überlegen. Und wenn er sich nur auf seine eigene Intuition verlässt – und was ist Institution anderes als die unbewusst gesammelten Erfahrungen aus der eigenen Vergangenheit –, dann bezieht er sich nur auf die Erfahrungen seiner eigenen Geschichte. Und wenn dann fünf beieinander wären, dann kämen sehr viel unterschiedliche Einschätzungen zustande. Und die muss man besprechbar machen und aufgrund derer kann man dann eine vernünftige Entscheidung fällen.

    Burgwinkel: Na, dann muss man sich aber kluge Köpfe zusammensuchen, die nicht unbedingt der eigenen Meinung entsprechen, also nicht nur seine Jasager um sich versammeln.

    Forchhammer: Genauso ist es. Am besten werden Entscheidungen dann, wenn man möglichst kontroverse Stakeholder beieinander hat, weil das ist ja dann auch die Realität. Die Entscheidung zu treffen, ist ja noch einfach, aber wenn Sie so eine Skala von null bis fünf nehmen, wie sehr die Betroffenen zu ihrer Entscheidung zustimmen. Und das haben wir Führungskräfte auch gefragt: Wie hoch muss die Zustimmung sein, damit eine Entscheidung auch unterstützt wird? Und alle sagen zwischen vier und fünf. Das heißt, wenn zu viele Fragen offenbleiben, weil die Betroffenen gar nicht recht verstehen, was denn zu einer Entscheidung geführt hat, dann haben die vielleicht noch mal den Daumen oben und sagen, ja, der Chef hat wohl gut entschieden, aber sie werden nicht aktiv, um das ordentlich mit zu unterstützen.

    Burgwinkel: Das heißt, sie müssen die Entscheidung tragen und sie müssen sich letztlich damit identifizieren?

    Forchhammer: Genauso ist es.

    Burgwinkel: Lorenz Forchhammer war das von der ComTeam AG in Gmund. "Zielsicher entscheiden" heißt das Buch zur Studie. Es ist im Luchterhand-Verlag erschienen 2010.