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"Ich denke schon, dass ein Schuldenschnitt kommen wird"

Unter den aktuellen Bedingungen werde Griechenland möglicherweise gar nicht mehr aus der Rezession heraus finden, sagt Michael Schröder von der Frankfurt School of Finance and Management. Aus diesem Grund werde ein sogenannter Schuldenschnitt immer wahrscheinlicher.

Michael Schröder im Gespräch mit Jasper Barenberg | 09.05.2011
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich Michael Schröder von der Frankfurt School of Finance and Management, er arbeitet auch am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Einen schönen guten Tag, Herr Schröder!

    Michael Schröder: Guten Tag!

    Barenberg: Wird der Schuldenschnitt kommen, ist das auch Ihre Meinung, Herr Schröder?

    Schröder: Ja, ich denke schon, dass ein Schuldenschnitt kommen wird. Nach Ablauf des Rettungspaketes, also der Garantie, die auf die entsprechenden griechischen Schulden abgegeben wurden, wird es mit ganz großer Wahrscheinlichkeit einen solchen Schuldenschnitt geben. Es ist eigentlich nur noch die Frage, wann wird das bekannt gegeben und wie viel wird letztlich zurückgezahlt.

    Barenberg: Warum tun sich Politiker an der Spitze in Europa, die Verantwortung tragen für diese Fragen, so schwer, das ungeschminkt jetzt auch zu sagen?

    Schröder: Ja, also ich denke, das ist ja ein Präzedenzfall für Europa, es ist noch völlig ungeklärt, was dann wirklich passieren wird. Auch das ganze Verfahren ist letztlich noch ungeklärt, wie man zu einem solchen Schuldenschnitt oder einer Umschuldung kommen wird. Da gibt es wahrscheinlich auch einfach prozedurale Gründe: Zunächst mal, das nicht so schnell bekannt zu geben, und wahrscheinlich wird auch einfach auf Zeit gespielt, nach dem Motto: Wir haben ja jetzt vielleicht noch eineinhalb Jahre vor uns, in denen sich Griechenland erholen könnte, und dann entsprechend könnte auch ein Schuldenschnitt vielleicht mit einer geringen Wahrscheinlichkeit dann doch nicht notwendig sein oder geringer ausfallen. Aber ich denke, das Auf-Zeit-Spielen ist natürlich auch gefährlich, weil Griechenland durch die entsprechenden Bedingungen, unter denen es jetzt wirtschaften muss, auch möglicherweise gar nicht mehr aus der Rezession herauskommt.

    Barenberg: Nun hat es eben in dem Beitrag geheißen – vielmehr war das die Einschätzung einer der Fachleute dort –, dass Griechenland am Ende nur 50 Prozent, also nur die Hälfte der Schulden wird zurückzahlen können. Ist das eine Größenordnung, an die wir uns schon mal gewöhnen können?

    Schröder: Das ist natürlich im Moment pure Spekulation, wie dieser Schuldenschnitt dann durchgeführt wird, ob dann am Schluss 70 Prozent oder nur 20 Prozent zurückgezahlt wird, das kann man trefflich spekulieren, aber ich denke, so eine Größenordnung von 50 Prozent ist jetzt nicht abwegig.

    Barenberg: Schuldenschnitt, das bedeutet – so habe ich das jedenfalls bisher verstanden –, dass die Gläubiger auf einen Teil ihrer Schulden werden verzichten müssen, wie muss man sich das im Einzelnen dann vorstellen, wer muss auf was verzichten? Bedeutet das unter Umständen auch etwas für die Bundesregierung und für uns damit als Steuerzahler?

    Schröder: Tja, Schuldenschnitt ist jetzt kein klar definierter Begriff, das reicht von ganz, in Anführungszeichen, "harmlosen" Dingen, dass meinetwegen eine Zinszahlung um ein paar Monate oder Jahre verschoben wird, bis hin dazu, dass eben die Rückzahlung einer Anleihe dann teilweise ausfällt und/oder vielleicht nur zu 20 Prozent zurückgezahlt wird. Das ist ein sehr, sehr weites Spektrum dessen, was alles passieren kann. Letztlich geht es immer um eine Einigung zwischen den Gläubigern und den Schuldnern, oder in diesem Falle jetzt ja auch zwischen Europa und Griechenland, weil ja Europa für einen großen Teil der Schulden einsteht. Es geht um Verhandlungen, und das Ergebnis der Verhandlungen ist sehr weit möglich. Also es ist ein weit gespanntes Feld, und es hängt natürlich dann auch davon ab, wie zum Zeitpunkt der Entscheidung dann auch die makroökonomische Situation Griechenlands sein wird, wie hoch zum Beispiel jetzt der eine Kreditausfall dann sein könnte. Das ist vom jetzigen Zeitpunkt aus sehr schwer zu sagen, es ist wirklich eine sehr große Bandbreite möglich an Problemen, die auf einen Gläubiger dann zukommen können.

    Barenberg: Verhandlungen gibt es ja auch derzeit vor allem um die Auszahlung der nächsten zugesagten Tranchen an Finanzhilfen. Wird Europa den Griechen dabei entgegenkommen, was die Bedingungen angeht?

    Schröder: Davon gehe ich ganz stark aus, einfach deswegen, weil diejenigen, die jetzt für die Garantien aufkommen, dann auch natürlich ein Interesse daran haben, dass es zum Ernstfall gar nicht kommen wird. Und insofern sind auch diejenigen, also die Gläubiger in Europa, dann auch in gewisser Weise erpressbar.

    Barenberg: Welche Verantwortung trägt denn die griechische Seite? Wir hören ja immer wieder, dass sich Griechenland schwertut, die harten Vorgaben aus Europa, auch vom IWF umzusetzen. Warum ist das so in Griechenland?

    Schröder: Zunächst mal, die Gläubiger haben auf jeden Fall das Interesse, dass es letztlich jetzt zum Beispiel zum Garantiefall gar nicht kommen wird. Sie werden es versuchen, Griechenland so leicht wie möglich zu machen, und sie werden versuchen, auch irgendwelche Zahlungen immer weiter zu verschieben, in der Hoffnung, dass es dann irgendwann mal dann eben alles zurückgezahlt ist, wenn auch sehr viel später als vielleicht zunächst gedacht. Griechenland selbst hat eben Probleme mit der Umsetzung des Sparpaketes, das ist ganz klar, das sind hauptsächlich makroökonomische Gründe, aber auch Gründe, die jetzt in bestimmten ... institutionell verankert sind. Und gerade diese Probleme sind ein Grund dafür, dass die Gläubiger in Summe dann versuchen werden, das ganze Problem etwas weiter aufzuschieben und Griechenland eben entgegenzukommen, noch immer mehr eben dieser Schulden selbst zu tragen.

    Barenberg: Und das hat auch damit zu tun, Herr Schröder, dass die Sparauflagen die wirtschaftliche Situation Griechenlands noch weiter verschärfen?

    Schröder: Genau! Genau, das ist ein wesentlicher Grund dafür. Die Sparauflagen selbst führen dazu, dass Griechenland in einer Situation ist, die jetzt eigentlich sehr, sehr starkes Wachstum bräuchte, um die Schulden zurückzuzahlen, dummerweise aber gerade sehr geringes Wachstum beziehungsweise eben eine Rezession hat und entsprechend dann auch die Haushaltskonsolidierung sehr stark erschwert wird. Ein Schuldenschnitt gleich am Anfang hätte dann auch möglicherweise die Rezession erspart.

    Barenberg: Nun wurde ja übers Wochenende dieses Gerücht gestreut und viel darüber diskutiert, dass Griechenland möglicherweise zur Drachme, jedenfalls eine Zeit lang, zurückkehren könnte – das wird von den einen vehement befürwortet, das wird von den anderen vehement abgelehnt. Wo stehen Sie?

    Schröder: Zunächst mal muss man sich auch die rechtlichen Punkte anschauen. Wir können natürlich über Für und Wider ökonomisch diskutieren, aber ich denke, rechtlich gibt es überhaupt keine Handhabe dafür, und Griechenland wird freiwillig nicht aus dem Euro aussteigen, weil es dann vehemente Nachteile hätte. Und Griechenland kann auch nicht dazu gezwungen werden. Deswegen stellt sich die Frage, glaube ich, nicht.

    Barenberg: Michael Schröder von der Frankfurt School of Finance and Management, arbeitet auch am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Herr Schröder, danke für das Gespräch!