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"Ich finde Kitsch sowieso grundsätzlich immer spannend"

Hinter Get well soon steht der Musiker Konstantin Gropper. Auf seinem aktuellen Album zeigt sich seine Faszination für biblische Bilder, italienische Western und Kitsch. Für ihn ist es im Moment eine spannende Zeit, denn sei wieder alles in der Musik erlaubt.

Konstantin Gropper im Corso-Gespräch mit Dennis Kastrup | 18.08.2012
    Konstantin Gropper: Der Albumtitel ist sozusagen zur Hälfte biblische Apokalypse und zum andern italienischer B-Film. Ich habe versucht, einen Titel zu finden, der im Prinzip eigentlich wie ein Filmtitel klingt, weil ich ja schon zwar versucht habe, Filmmusik aufzugreifen und die zu collagieren, aber am Schluss sollte dabei ja auch so etwas rauskommen wie Musik zu einem Film, den es noch nicht gibt. Und es ist eben die Bestie aus der Offenbarung des Johannes. Ich habe ja jetzt mit Religion nichts am Hut, aber ich mag ja gerne solche wuchtigen Bilder.

    Dennis Kastrup: Wie gehen Sie bei der Recherche für solche wuchtigen Bilder vor?

    Gropper: Ich versuche erstmal immer für ein Album so eine Art Themenkatalog zusammen zu stellen. Bis es dann soweit ist, warte ich einfach, bis mir eigentlich mehr oder weniger zufällig irgendetwas über den Weg läuft, was die Sache ins Rollen bringt. Beim letzten Album war das ein Buch, das mir in die Hand gefallen ist. Dieses Mal war es eigentlich eher so diese ganzen 70er Jahre italienischen Filmmusiken, die mich in diese Richtung gebracht haben, auf die ich da gestoßen bin.

    Kastrup: Können Sie mir ein Beispiel dafür geben, wie so eine Suche funktioniert hat?

    Gropper: Ich habe so ein paar Argento Filme angeguckt. Da gibt es ja einerseits eben diese italienische Prog-Rock Gruppe Goblin, die Musik gemacht hat und andererseits aber auch tatsächlich Morricone für die Filme. Und irgendwie so dazwischen hat mich das gereizt, dass ich dann halt weiter recherchiert habe, wie das dann halt immer funktioniert, wenn man einfach ähnliche Künstler anklickt. Das hat eigentlich ganz gut funktioniert.

    Kastrup: Haben Sie bei diesen Filmen und der Musik dazu irgendwelche Muster entdeckt?

    Gropper: Ich habe dann halt angefangen, versucht diese Musik eher analytisch zu hören und rauszufinden, wie die erzeugt ist, also mit welcher Art von Instrumenten und wie die Klänge dann gemacht wurden. Ich habe versucht, das teilweise nachzubauen. Also jetzt weniger mathematisch, als dass man das mit dem Gehör irgendwie hinkriegen muss. Was tatsächlich das Klangbild angeht, habe ich versucht, das ja auch nachzubauen und nicht nur die Instrumentierung, sondern ich habe schon versucht, dass das alt klingt.

    Kastrup: Wenn man das dann alles hört, dann klingt das teilweise ja fast auch schon kitschig. Wie stehen Sie zu Kitsch?

    Gropper: Ich finde Kitsch sowieso grundsätzlich immer spannend. Also dieses Element, Kitsch oder Trash oder wie man es jetzt nennen will. Ich finde auch, dass es im Moment eine sehr spannende Zeit ist, in der wieder alles erlaubt ist, habe ich das Gefühl. Ich meine, das hätte man jetzt nicht vor fünf oder zehn Jahren gedacht, dass das Saxofon so eine Renaissance erlebt. Ich habe Querflöte auf dem Album. Das hätte ich tatsächlich vor zwei Jahren nie gedacht, dass ich jemals wieder eine Querflöte da rein nehme. Aber im Moment finde ich das spannend, dass wieder alles geht und dass man wieder so mit diesem Kitsch-Faktor spielen kann. Das ist auch genau das, was die Musik für mich ausmacht. Letztendlich ist es auch das, was mich daran berührt.

    Kastrup: Das beißt sich dann ja schon ein wenig, da es inhaltlich um sehr schwerwiegende Themen geht. Hilft der Kitsch dabei, mit dem Inhalt unbeschwerter umzugehen?

    Gropper: Grundsätzlich mag ich Kontraste ja auch sehr gerne. Die Filme funktionieren ja auch ein bisschen so. Das sind ja oft sehr kitschige Soundtracks zu Folterszenen oder sonst irgendwas. Das kommt da ja auch gerne mal vor. Ich glaube halt, dass man natürlich auch schon aufpassen muss, dass es nicht kippt. Also es gibt einfach guten und schlechten Kitsch. Am Schluss kann man nur hoffen, dass dabei dann noch etwas rauskommt, das Stil hat. Da muss man halt teilweise so ein bisschen mehr dagegen arbeiten. Es ist eben auch so, dass ich die Kontraste einfach mag und es auch gut finde, den Hörer ab und zu mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen.

    Kastrup: Gibt es für sie im filmischen Bereich Idole?

    Gropper: Wenn man über Film spricht, wer da so für mich eine Künstlerpersönlichkeit ist, dann ist das halt Stanley Kubrick, weil der alles gemacht hat, im Prinzip ja fast alle Genres, außer vielleicht Western oder so etwas, und da immer eine sehr eigene Note gefunden hat und immer sehr subjektive Filme gemacht hat und immer sehr seltsame Filme einfach gemacht hat. Das trifft es eigentlich ganz gut, was so mein ästhetisches Empfinden angeht. Ich finde es immer gut, wenn es sich jemand nicht zu leicht macht und zu offensichtlich ist, sondern da immer sehr viel mit Tiefe arbeitet.

    Kastrup: Wie würden Sie diese Tiefe auf dem Album beschreiben?

    Gropper: Also textlich ist das auf jeden Fall mein persönlichstes Album. Ich habe rückblickend festgestellt, dass ich immer ganz viel "we" und "you" singe, aber ganz selten nur "I". Das habe ich mich auf diesem Album ein bisschen mehr getraut. Es ist jetzt, auch was die textliche Ebene angeht, dieses Mal nicht mehr ganz so ... da habe ich weniger recherchiert. Es geht tatsächlich mehr um mich selbst und vielleicht auch so ein bisschen um das, was so im Moment in der Welt passiert und dass man da als Künstler gegen ankämpfen muss, um nicht dem Zynismus zu verfallen. Das war eine der ersten Ideen zum Album. Ich wollte so ein bisschen ein leichteres Album machen, weil sich das letzte Album ja wirklich explizit mit ernster Thematik auseinander gesetzt hat, also ernste Musik im Sinne von: Das war das Album, das hauptsächlich schon sehr von klassischer Musik beeinflusst war und eben von klassischer Literatur, bis hin zu Philosophie eben auch. Da bin ich jetzt so ein bisschen auf dem Album wieder von weg und wieder ein bisschen mehr an die Oberfläche, wenn man so will. Ich hoffe jetzt nicht, dass es jetzt platt geworden ist, aber schon ein bisschen einfacher, grade was Text angeht.

    Kastrup: Seit dem Vorgänger ist ja auch weltpolitisch sehr viel passiert. Hat das auch eine Auswirkung auf den Inhalt gehabt?

    Gropper: Ja. Also ich verstehe mich jetzt nicht als politischen Künstler oder so was, aber natürlich nimmt man ja immer eine gewisse Haltung ein. Wenn man Kunst macht, nimmt man eine Haltung gegenüber der Welt ein. In meinem Fall ist das schon immer so ein bisschen eher eine kritische oder von mir aus melancholische Haltung. Ich habe nur immer gesagt, bei dem Album war es wirklich schwierig, nicht komplett eben dieser Melancholie und diesem Zynismus zu verfallen, weil es im Moment ja goldene Zeiten für Pessimisten sind. Ich habe mich dann eher so sehr subjektiv diesem Thema genähert. Da gibt es diese Textzeile, dass ich jeden Tag gegen den Zynismus ankämpfe und versuche, immer noch die Ruhe zu bewahren bzw. flüchtet sich das Album da eher so in die Ironie. Ich meine, das ist natürlich auch kein lustiges Album, aber es hat weit mehr Humor. Ich glaube schon, dass das auch ein Therapieansatz ist. In so ausweglosen Situationen bleibt einem nicht mehr viel übrig außer die Sache vielleicht noch ein bisschen mit Humor zu nehmen.

    Kastrup: Sie besingen auf dem Album viele Namen. Der Schriftsteller und Künstler Henry Darger wird genauso benannt wie auch die Musikerin Wendy Carlos. Wie sind Sie auf diese Personen gestoßen?

    Gropper: Die Menschen kommen ja eher zu mir. Das ist wirklich was, das mir einfach entweder so mal inspirierend über den Weg läuft, zum Beispiel wenn ich jetzt konkret in einer Ausstellung von Henry Darger bin. Dann hat mich dass so nachhaltig beschäftigt, dass ich da regelrecht was drüber machen musste. Eine Wendy-Carlos-Hommage wollte ich schon immer machen und Roland Emmerich hat mich auch schon immer fasziniert, also er und nicht seine Filme. Ich fand das immer so faszinierend, dass er so eine Energie drauf verwendet, die Welt in seinen Filmen zu zerstören. Irgendwie habe ich gedacht, mich würde interessieren, was da für ein Mensch dahinter steht. Der kommt auch aus der gleichen Gegend wie ich. Das hat mich immer fasziniert. Ich weiß nicht warum.

    Kastrup: Gibt es etwas, das für Sie bei anderen Künstlern besonders wichtig ist, damit es sie fasziniert?

    Gropper: Es ist wirklich schwierig, das zu benennen, aber ich glaube ich habe da schon so einen Hang zu eher abseitigen Themen. Wenn ich mir das so angucke, dann interessieren mich dann immer eher die Leute, die sehr spezielle oder eigene Sachen machen bzw. fasziniert mich immer auch das, was seltsam ist. Das Wort "seltsam" sage ich in letzter Zeit öfter, aber irgendwie üben Dinge auf mich eine Faszination aus, die ich nicht auf den ersten Blick verstehe und die auch erstmal vielleicht auch ein bisschen befremdlich sind. Das ist jetzt sehr allgemein und abstrakt gesagt, aber das kann auch wirklich alles sein. Das kann vom italienischen B-Movie Horrorfilm bis zum französischen Kunstkino sein, wenn es irgendwie ... die Faszination von dem Unbekannten ist es vielleicht auch.