Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


"Ich finde, unsere Politiker können auch mal als Narren behandelt werden"

Politiker sind die Narren der Konzerne, meint Schauspielerin Katharina Thalbach. Dennoch hatte sie Respekt davor, Angela Merkel für die Politisatire "Der Minister" darzustellen. Schließlich habe die Kanzlerin Humor und sei eine gute Zuhörerin.

Das Gespräch führte Eric Leimann | 11.03.2013
    Eric Leimann: Sie spielen Angela Murkel oder Angela Merkel – wie immer man es nehmen will – wie die reale Vorlage. Würden Sie sagen: Das ist eine Person, die leicht zu spielen ist oder eher schwierig?

    Katharina Thalbach: Ach, man hat ja immer einen gewissen Respekt vor realen Figuren. Ob sie tot sind oder – ich finde es besonders schwierig, wenn sie noch leben. Also ist die Vergleichbarkeit natürlich immer sehr groß und es kann gesagt werden: Na ja, so ist das ja nun nicht. Es lag mir sehr fern, irgendwie die Frau Murkel als Karikatur hinzustellen. Also ich finde die Bundeskanzlerin eine eher interessante Persönlichkeit – ohne jetzt eine Politik zu werten. Aber allein der Umstand, dass sie aus der Physik kommt, fasziniert mich sehr. Und der Umstand, dass sie aus der DDR kommt und die erste Frau ist auf diesem Posten. Klar – man hat da einen gewissen Respekt, würde ich sagen.

    Leimann: Es gibt ja dann vielleicht so bestimmte Punkte, wo man sagt: Ah – das ist eine wichtige Eigenschaft. Die würde ich gern in irgendeiner Form aufgreifen bei meiner Darstellung. Wie sind Sie da vorgegangen?

    Thalbach: Das ist jetzt für mich schwer aufzudröseln. Manchmal sind es ja auch einfach Gedankengänge, die einen interessieren. Etwas, das immer wieder kam, immer wieder über sie gesagt wurde, war a) dass sie Humor hat, b) dass sie sehr gut zuhören kann, dass das wirklich einer ihrer herausragenden Eigenschaften ist und dann waren es natürlich immer diese angezogenen Schultern, was für mich wirklich ein Bild dafür ist, wie die Macht auch ein Druck sein kann und eine Last. Aber vor allen Dingen eben also auch: Wie sieht jemand, der von der Physik kommt und die Physik ja nun die Welt in andere, in viele kleine Teilchen aufdröselt und trotzdem weiß, dass sie sie immer noch nicht erklären kann und sich mit der Endlichkeit und der Unendlichkeit beschäftigt – wie sieht so jemand auf einmal aus solchem Blickwinkel die Politik an, die Tagespolitik. Und weiß aber auch, was für eine Vergänglichkeit das hat. Und für Verfallsdaten. Und was ist Zeit? Wie lange kann man sitzen und muss nur abwarten? Und....und was ist Demut? Solche Überlegungen haben mich sehr interessiert, als ich mich mit ihr beschäftigt habe.

    Leimann: Ist sie denn die klassische Antagonistin zu dieser Politikerfigur, des Guttenbergs oder Donnersbergs, wie er in dem Film heißt? Auf der einen Seite der Schaumschläger, auf der anderen Seite die Spröde, Sachliche?

    Thalbach: Ich würde es eher so sehen – um mal ein anderen Bild zu nehmen – vielleicht wie die wunderbaren Piratenfilme aus den 50er-Jahren. Wenn dann die wilden, englischen Piraten zwischendurch mal zu Elisabeth I. kommen und Bericht erstatten und so. Also von der Wertigkeit der Figur ist sie eher eine Nebenfigur in dem Film. Das finde ich auch sehr angenehm. Weil, ich glaube, wenn man wirklich einen Film über die Bundeskanzlerin hätte machen wollen, dann hätten mich sehr viel mehr Aspekte interessiert. Aber ich finde – so wie wir die Chance hatten, es in der Kürze zu machen, fand ich es schon von der Dorothee Schön ziemlich clever geschrieben.

    Leimann: Ein gutes Drehbuch ist wirklich der Anfang und viel zu selten wird das beherzigt im Film! Macht das einfach mehr Spaß so etwas zu spielen, wenn das gut geschrieben ist?

    Thalbach: Das ist das A und O. Ich meine, als Schauspieler ist man von dem abhängig, was Autoren geschrieben haben. Ob das auf der Bühne ist oder im Film. Und wenn man da schwache Texte hat und schwache Dialoge, ist man eigentlich verloren. Weil das kriegt man auch mit Improvisation nicht wirklich hin.

    Leimann: Wird da zu wenig Sorgfalt drauf gelegt bei den Menschen, die Filme und Fernsehfilme produzieren?

    Thalbach: Ich glaube, das ist wie immer eine Frage des Geldes. Wenn Sachen zu schnell gehen müssen oder wenn Leute zu schlecht bezahlt werden, dann kommt manchmal auch nicht so viel gutes dabei heraus. Ich glaube, dass ist schon bewusst – den Leuten, die arbeiten im fiktionalen Bereich – dass gute Bücher ein A und O sind, aber manchmal ist einfach nicht die Zeit. Und ich glaube, manchmal verkauft man die Leute auch für blöd. Denkt man, das Publikum ist dumm und man hat ein gewisses zynisches Verhalten dazu. Dass glaube ich allerdings – ja. Und das finde ich sehr schade, weil ich glaube, die Leute sind nicht blöd. Sondern teilweise werden sie auch wirklich blöd gemacht.

    Leimann: Kommen wir noch mal zurück zum Film. Kann man denn aus dem Film – meinetwegen neben einem karthatischen Lachen – etwas mitnehmen, auch etwas lernen? Verdeutlicht er etwas?

    Thalbach: Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, kann man immer wieder nur sagen. Und: Glaub nicht alles, was geschrieben steht...

    Leimann: Also Sie sehen die Guttenberg-Figur vor allem als Medienfigur?

    Thalbach: Ja, wenn ich ganz herzlich bin: Ich habe mich damals für Herrn Guttenberg äußerst....herzlich wenig interessiert. Mir war der immer zu allglatt. Also ich fand den keine charismatische Figur. Es ging mir – auf Deutsch gesagt – am Arsch vorbei. Als das dann kam, hab ich schon damals lachen müssen. Also das passte so für mich wie die Faust aufs Auge. Aber ich habe den Medienrummel nicht wirklich verfolgt.

    Leimann: Kann man trotzdem erklären, warum diese Figur, die mir persönlich zum Beispiel auch eher dröge...und schwierig zuzuhören fand ich das, seinem Duktus. Warum hat die so viele Leute fasziniert?

    Thalbach: Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Weil er so oft in der Zeitung war – vielleicht wirklich deswegen. Oder weil er nicht so hässlich war wie alle anderen. Also an seiner Politik kann es ja nicht gelegen haben. Oder an seiner Doktorarbeit.

    Leimann: Dieses Genre, das der Film bedient, also diese Polit-Satire, ist ein extrem rares Genre in Deutschland. Es gibt, wenn man jetzt mal zurückdenkt vielleicht an "Schtonk", was ein großer Meilenstein in diesem Genre war. Aber ansonsten gibt es kaum Filme. Woran liegt das eigentlich?

    Thalbach: Vielleicht ist das Untertanen-Denken noch ein bisschen zu sehr ausgeprägt. Also ich würde es lieber haben, wie die Engländer es machen. Das finde ich ja immer sehr schön. Also auf der einen Seite lieben sie ihre Queen, auf der anderen Seite aber werden die so was von den Kakao gezogen. Und das ist da ja wirklich auf die Spitze getrieben, zu sagen: Ihr seid auch unsere Clowns! Wir drehen die Geschichte mal um. Also jetzt ist im Grunde die Monarchie, also das sind unsere Narren. Das finde ich ja auch einen sehr schönen Gedanken. Und ich finde auch, unsere Politiker können durchaus auch mal als Narren behandelt werden. Weil sie sind ja wiederum die Narren der Konzerne. Die wirkliche Macht sitzt ja ganz woanders.

    Leimann: Es gibt ja in Deutschland eine große Tradition im Cabaret und jetzt meinetwegen auch Comedy seit 20 Jahren, wo auch viel Politik stattfindet. Aber im fiktionalen Bereich - Fernsehfilm, Spielfilm, Serie – wird Politik eigentlich kaum behandelt. Woran liegt das eigentlich?

    Thalbach: Naja, ich glaub schon – die ernsteren Geschichten, da sind ja schon sehr viele – also diese "Mogadischu"-Geschichten, da fand ich, sind ja schon einige tolle Sachen gemacht worden. Aber, was Satire betrifft, nicht. Und das , um jetzt mal ein ganz großes Beispiel zu geben, halte ich es ja da mit Umberto Eco, also ich meine: eine Katharsis durch Lachen ist sehr erstrebenswert. Und das beste Bespiel dafür ist immer wieder "Der große Diktator". Und das befreit auf eine bestimmte Weise auch von Ängsten und Komplexen und ich meine so ganz unschuldig waren wir ja alle auch nicht an dieser Guttenberg-Geschichte – also, da einem äußeren Bild zu verfallen.

    Leimann: Natürlich gibt es wunderbare Fernsehspiele, die politische Themen aufgreifen. Aber es gibt wenig Filme, wenig Fiktionales über den Politikbetrieb.

    Thalbach: Ja, es war immer mal so ein Traum von mir. Das wollte ich eigentlich mal übers Theater machen, da haben wir um die Ecke vom Bundestag im Maxim Gorki-Theater gespielt. Da gab es für mich immer den großen Traum von "Familie Gorki". Man müsste eigentlich eine Daily- oder eine Wochen-Soap machen über die ganzen Angestellten. Also die Putzfrau im Bundestag. Als das wäre zum Beispiel....ich wäre fürchterlich gerne eine Putzfrau beim Kanzler. Oder bei der Kanzlerin. Was so eine Frau zu erzählen hat, das würde mich wirklich interessieren (lacht). Aus ihrem Blick – also sozusagen aus dem unteren Blickwinkel – aber tätig in der oberen Klasse.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.