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"Ich freue mich in erster Linie für den Verbraucher"

Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Heinz-Günter Wolf, hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg begrüßt, nachdem Apothekenketten auch weiterhin in Deutschland verboten bleiben. Damit bleibe die unabhängige Beratung der Patienten erhalten, da Apotheken als Familienunternehmen hierzulande nicht Umsatz- und Sortimentsvorgaben folgen müssten.

Heinz-Günter Wolf im Gespräch mit Mario Dobovisek | 19.05.2009
    Mario Dobovisek: Wer in Deutschland Medikamente verkauft, der sollte Pharmazie studiert haben. Wer jedoch eine Apotheke besitzt, der muss ein entsprechendes Staatsexamen abgelegt haben. So sieht es das Deutsche Apothekergesetz vor. Doch das schränkt ausländische Anbieter wie Doc Morris ein. Das niederländische Versandhaus für Medikamente zog deshalb vor den Europäischen Gerichtshof. Heute Vormittag erging das Urteil.

    Am Telefon begrüße ich Heinz-Günter Wolf, er ist Präsident des Bundesverbandes Deutscher Apothekerverbände. Guten Tag, Herr Wolf.

    Heinz-Günter Wolf: Guten Tag!

    Dobovisek: Apothekenketten bleiben in Deutschland also weiter unzulässig. Freuen Sie sich über das Urteil?

    Wolf: Ja, natürlich. Ich freue mich in erster Linie für den Verbraucher und den Patienten, denn dem bleibt so die unabhängige Apotheke mit der fachlich qualifizierten und wirklich unabhängigen Betreuung erhalten.

    Dobovisek: Wie viele Apotheken darf denn ein deutscher Apotheker nach deutschem Recht herkömmlich besitzen?

    Wolf: Er darf drei Filialen haben neben seiner Hauptapotheke.

    Dobovisek: Und wo liegt dann der Unterschied?

    Wolf: Die müssen alle in der Nähe sein und der Gesetzgeber hat das so konzipiert, dass der Apothekenleiter die Filialen, die in der Nähe sind, selbst fachlich beaufsichtigen kann und auch die Verantwortung hat.

    Dobovisek: Und wo liegt dann der Unterschied zu dem, was zum Beispiel Doc Morris derzeit umsetzt und auch betreiben möchte?

    Wolf: Das ist ein entscheidender Unterschied, weil bei Doc Morris der Besitzer kein Apotheker ist und auch der Konzern weit weg ist. Das ist eine völlig andere Interessenslage. Die Familienbetriebe Apotheken sind persönlich für die Patienten da, die Familienbetriebe Apotheken sind unabhängig von Konzernen, von Arzneimittelherstellern, von Großhändlern und insofern brauchen sie auch nicht Vorgaben, Umsatzvorgaben und Sortimentsvorgaben folgen.

    Dobovisek: Diejenigen, die uns Patienten in den Apotheken beraten, sind aber ohnehin sehr häufig bloß Angestellte, nicht selten nur wenig informiert, reichen einfach nur den Beipackzettel weiter. Was können die mit einem deutschen Chef besser als zum Beispiel mit einem niederländischen?

    Wolf: Die sind für die Patienten in der Tat da. Die sind wirklich da und die reichen nicht nur den Beipackzettel weiter, sondern wenn Sie das mal vergleichen mit einem niederländischen Chef, da ist eine Beratung im Versand zum Beispiel überhaupt nicht vorgesehen. Selbst wenn der Patient eine Information möchte, hat er überhaupt keine Chance. Bei seinem Apotheker - wir sind nun 21.500; jeder hat eine Apotheke um die Hausecke - kann er mit dem in Dialog treten und der ist auch im Notdienst für ihn da.

    Dobovisek: Nun ist das aber doch deutlich teuerer als das, was zum Beispiel Versandapotheken oder große Ketten anbieten können. Was bringt es dann den deutschen Apothekern und auch den Patienten am Ende, wenn immer mehr Patienten aufgrund des Kostendruckes ihre Rezepte an Versandapotheken schicken?

    Wolf: Sie sprachen Kosten und Kettenapotheken an. Kettenapotheken haben wir ja in den USA und wenn wir in den USA gucken: da ist die sogenannte Liberalisierung da, da gibt es freien sogenannten Wettbewerb, allerdings der Konzerne, und die Arzneimittel sind in den USA um ein Vielfaches teuerer. Der deutsche Apotheker, der hat kein Interesse am Preis eines Arzneimittels, wenn es um verschreibungspflichtige geht. Er kümmert sich ausschließlich darum, dass der Patient das für ihn Richtige kriegt.

    Dobovisek: Heute beginnt in Mainz der Deutsche Ärztetag. Debattiert wird, um auch noch mal bei den Kosten zu bleiben, unter anderem die Unterfinanzierung des deutschen Gesundheitssystems. Wie sehr spüren die deutschen Apotheker denn den Kostendruck der Krankenkassen?

    Wolf: Ganz enorm. Ein Gesundheitssystem wie unseres ist immer unterfinanziert, weil die Bevölkerungsentwicklung, der Anteil der Alten und derjenigen, die Leistung brauchen, wird immer mehr steigen. Der Kostendruck wird bei uns ganz deutlich dadurch gespürt, dass die Krankenkassen Rabattverträge mit den Herstellern machen und die Apotheker oft nicht genug Arzneimittel zur Auswahl haben, um den Patienten das richtige geben zu können. Da sind wir aber in Gesprächen mit der Regierung und mit den einzelnen Krankenkassen, um das auch in den Griff zu kriegen.

    Dobovisek: Sie sprechen auch damit unter anderem die Verträge an, die ja ein Apotheker beziehungsweise eine Krankenkasse mit den Pharmaverbänden schließt. Gibt es denn schon jetzt eine Art Mehrklassengesellschaft an der Theke unserer Apotheken?

    Wolf: Nein. Nein, das würde ich nicht sagen, denn alle Krankenkassen machen ihre eigenen Verträge und ich kann nicht sagen, dass der eine Patient in einer Krankenkasse besser aufgehoben ist als in einer anderen Krankenkasse.

    Dobovisek: Dennoch bleibt es teuer. Was ist denn dann so schlecht daran, wenn zum Beispiel bei Ketten durch Vertriebswege, die optimiert werden, doch erheblich Kosten gespart werden können?

    Wolf: Es ist ja so, dass Ketten - und das ist weltweit zu beobachten - keine Wohltätigkeitsvereine sind. Selbst wenn die durch Rationalisierung, durch die Größe der Betriebe Kosten sparen, werden die nicht (vielleicht sogar gegen Empfang einer Spendenquittung) das an die Krankenkassen weiterreichen, sondern die Kosten, die sie sparen, die wird der Aktieninhaber natürlich für sich einfordern.

    Dobovisek: Und wo sehen Sie nach dem herkömmlichen System der jeweils persönlich betreuten Apotheken möglicherweise noch Luft einzusparen?

    Wolf: Wir nehmen den Ball des Deutschen Ärztetages - Sie sprachen ihn eben an - auf, wo die Ärzte beschlossen haben, dass sie eigentlich keine Lust mehr haben, verantwortlich für die Arzneikosten zu sein. Das ist für uns ein Signal, hier in Gespräche sowohl mit den Ärzten wie auch mit den Krankenkassen wie mit der Regierung einzusteigen, ob hier die Apotheker noch mehr machen können, denn die haben sich abgekoppelt vom Arzneipreis. Wir sind nicht interessiert an teueren Arzneimitteln. Wir werden für die Betreuung der Kunden bezahlt. Da sehe ich noch Möglichkeiten, unser System weiterzuentwickeln.

    Dobovisek: Wie könnten die zum Beispiel aussehen?

    Wolf: Dass zum Beispiel Verträge mit der Industrie und den Krankenkassen unter Hinzuziehung der Apotheker gemacht werden, dass da die richtigen Arzneimittel zum richtigen Preis für den richtigen Patienten dann auch von der Krankenkasse bezahlt werden.

    Dobovisek: Wird es dann mit einem sozusagen dritten Vertragspartner nicht am Ende noch komplizierter?

    Wolf: Wenn wir uns zum Ziel setzen, etwas zu verbessern, dann müssen wir alles ausprobieren und zum Schluss zeigt sich, ob das dann praktikabel und richtig ist. Manche Wege muss man einfach mal ausprobieren, zumindest muss man auch darüber nachdenken dürfen.

    Dobovisek: Heinz-Günter Wolf, er ist Präsident des Deutschen Apothekerverbandes. Vielen Dank für das Gespräch.

    Wolf: Gerne!