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"Ich habe immer viel gearbeitet"

David Fjodorowitsch Oistrach, der heute vor 100 Jahren in Odessa geboren wurde, gilt neben Jascha Heifetz und Nathan Milstein als der dritte überragende Vertreter der legendären russisch-jüdischen Geigenschule. Sein kraftvoller Spiel ist bis heute unerreicht geblieben.

Von Michael Stegemann | 30.09.2008
    Wer diesen Geigenton einmal gehört hat, erkennt ihn unter Hunderten und wird ihn nicht wieder vergessen. So kraftvoll und doch elegant, so klangintensiv spielte nur einer: David Fjodorowitsch Oistrach, geboren am 30. September 1908 in Odessa. Neben dem neun Jahre älteren Jascha Heifetz und dem vier Jahre älteren Nathan Milstein war Oistrach der dritte überragende Vertreter der legendären russisch-jüdischen Geigen-Schule. Doch während Heifetz und Milstein ihre Heimat schon früh verlassen hatten, ist Oistrach in Russland geblieben und gehörte bald zu den Vorzeigekünstlern des sowjetischen Musiksystems - ein gefährliches Leben.

    "Das Leben ist immer gefährlich - aber die größte Gefahr ist ein Leben ohne die Arbeit, welche man liebt. Das ist die größte Gefahr, die es gibt für den Menschen. Wenn man viel macht, dann ist das besser, als wenn man gar nichts macht; und ich habe immer viel gearbeitet in meinem Leben."

    Sehr viel: als Geiger, als Dirigent seit 1958 und als Pädagoge; von 1934 bis zu seinem allzu frühen Tod - Oistrach starb, erst 66 Jahre alt, am 24. Oktober 1974 in Amsterdam - bekleidete er eine Professur am Moskauer Konservatorium. Und kaum ein anderer hat eine so reiche Diskographie hinterlassen, deren Spektrum vom Barock bis in die Moderne reicht und neben den großen Solokonzerten auch sehr viel Kammermusik enthält.

    Dabei fand Oistrach für jede Epoche und für jedes Werk den eigenen und passenden Ton: "Kein Virtuosenfirlefanz, keine Mimosenhaftigkeit, kein Schwanken zwischen Marotte oder Geniestreich", wie der Geigenkenner Harald Eggebrecht schreibt.

    "Er versammelte in seinem Spiel technische Perfektion, Schönheit, Größe und Wandelbarkeit des Tons, individuelle Expressivität und Selbstkontrolle, darstellerische Disziplin und Spontaneität."

    So waren und bleiben seine Interpretationen makellos und zeitlos gültig - von wahrhaft "klassischer" Vollkommenheit, nicht nur bei Mozart, dessen Violinkonzerte er als Solist und Dirigent mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen hat.

    Nach seinem Studium bei Piotr Stoljarsky in Odessa war Oistrach 1928 nach Moskau gegangen und hatte von dort aus seine internationale Karriere begonnen. Schon früh war er in Verbindung zu Komponisten wie Aram Chatschaturjan, Nikolai Miaskowsky oder Sergej Prokofjew getreten - vor allem aber zu Dmitri Schostakowitsch, der für Oistrach seine beiden Violinkonzerte komponierte.

    Er war ein eher stiller, unauffälliger Mensch: klein und rundlich, ein Katzenliebhaber und leidenschaftlicher Schachspieler, der sich für Fußball und fürs Fotografieren begeisterte. Kein Podium-Star, sondern ein Künstler von seltener Integrität und Noblesse, der Musik als ein "Lebensbekenntnis" verstand.

    "Und ich glaube, meine Musik - das, was ich fühle in der Musik - hat auch viel Romantisches."