Donnerstag, 25. April 2024

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"Ich habe schon meine Sorgen, wie man jetzt die Politik gestalten wird"

Bernhard Kaster (CDU) ist Vorsitzender der deutsch-russischen Parlamentariergruppe. Zum 63-Prozent Sieg von Wladimir Putin sagt er, die Bürger in Russland werden es nicht hinnehmen, dass mit einem zu starken autoritären Führungsstil weiter regiert wird. Das wisse auch der neue Präsident.

Bernhard Kaster im Gespräch mit Peter Kapern | 05.03.2012
    Peter Kapern: 63,75 Prozent für Wladimir Putin – das ließ die russische Wahlkommission heute wissen. Da waren gut 99 Prozent der Stimmen ausgezählt. Der Zweitplatzierte, Gennadi Sjuganow von der Kommunistischen Partei, landete abgeschlagen bei ganzen 17 Prozent. Bei uns am Telefon ist nun Bernhard Kaster von der CDU, der Vorsitzende der deutsch-russischen Parlamentariergruppe. Guten Tag, Herr Kaster.

    Bernhard Kaster: Ja, schönen guten Tag.

    Kapern: Noch mal sechs Jahre Putin. Sind das für Sie verlockende Aussichten?

    Kaster: Ich denke, es hat in Russland schon seit längerem eine Entwicklung eingesetzt von einer Gesellschaft hin zu einer Bürgergesellschaft. Ich bin der Überzeugung, dass in den nächsten Jahren man sehen wird, dass diese Entwicklung anhält. Die Bürgerschaft, die Bürger in Russland werden es nicht hinnehmen, dass mit einem zu starken autoritären Führungsstil weiter regiert wird, und das wird auch Präsident Putin, denke ich, wissen. Da ist was angewachsen, eine Mittelschicht, eine Bürgerschicht, besonders in den Städten und vor allen Dingen auch in der jungen Generation, so dass ich denke, dass in Russland kein Weg daran vorbeiführen wird zu mehr Demokratisierung, mehr hin zu freien Medien. Ich denke, dass dieser Prozess nicht umkehrbar sein wird, und wenn man darauf nicht Rücksicht nimmt und wenn auch Präsident Putin dann darauf nicht Rücksicht nimmt, wird das zu großer Unruhe führen. Aber ich denke, dass dieser Prozess weiter voranschreiten wird.

    Kapern: Was bedeutet das denn Ihrer eigentlich optimistischen Annahme nach für den Umgang der deutschen Politik mit dem alten neuen Präsidenten Putin?

    Kaster: Ich sehe das jetzt nicht als ganz optimistische Aussichten. Ich habe schon meine Sorgen, wie man jetzt die Politik gestalten wird. Ich sage nur, von der Bürgerschaft wird man hin zu einer Bürgergesellschaft drängen. Für uns auch in Deutschland und in Europa ist es ganz entscheidend, dass wir das, was wir auch Modernisierungspartnerschaft nennen, dass wir das fortsetzen. Es ist oft von dem Begriff auch der strategischen Partnerschaft die Rede; da sind wir, denke ich, aber noch weit von weg, weil eine strategische Partnerschaft setzt voraus, dass man auf einem gleichen Wertefundament arbeitet. So weit sind wir lange noch nicht, aber die Partnerschaft hat auch an Offenheit zugenommen, wenn ich beispielsweise sehe, wie offen auch unter den Parlamentariern zwischen Duma und Bundestag der Dialog ist. Da werden auch diese Dinge kritisch anzusprechen sein. Und ich denke, auf den Gebieten der Wirtschaftspolitik, der Gesellschaftspolitik müssen wir im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Europa und Russland und Deutschland und Russland da schon uns engagieren.

    Kapern: Nun hat ja auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle dazu aufgerufen, gut mit Putin zusammenzuarbeiten. Sie bieten eine Modernisierungspartnerschaft an. Gibt es da nicht, Herr Kaster, eine seltsame Diskrepanz, dass man dem Wahlfälscher Putin eine gute Partnerschaft anbietet und der sozialistische Präsidentschaftskandidat in Frankreich, Francois Hollande, darf nicht mal auf eine Tasse Kaffee im Kanzleramt vorbeikommen?

    Kaster: Ich würde jetzt mal sagen, was auch den Wahlfälscher angeht: Wir müssen jetzt wirklich das auch sehr ernst nehmen, was es hier an Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gegeben hat. Das ist zu kritisieren und anzuprangern und darüber muss gesprochen werden. Aber ich stimme auch der Kommentierung eben zu, dass Putin eine Mehrheit der Stimmen bekommen hat. Das Entscheidende war ja, dass überhaupt keine echte Alternative zur Wahl stand. Jetzt gilt es, in Sachen Modernisierungspartnerschaft das zu nutzen. Das heißt ja auch, dass beispielsweise Präsident Putin sagt, er möchte Russland wirtschaftlich voranbringen, und das wird man in Russland auch sehen, dass wirtschaftlicher Fortschritt ohne gesellschaftlichen Fortschritt überhaupt nicht geht, und da, denke ich, ist diese Modernisierungspartnerschaft schon ein wichtiger Bestandteil. Wenn man wirtschaftlich vorankommen will, dann braucht man beispielsweise auch Auslandsinvestitionen, und das funktioniert nur erfolgreich, wenn Korruption eingedämmt wird, wenn Rechtssicherheit da ist, und all diese Faktoren spielen eine Rolle, und qualifizierter Nachwuchs aus Russland selbst. Und da, denke ich, ist es schon eine wichtige Rolle, die Deutschland dort einnehmen kann und auch schon die letzten Jahre eingenommen hat.

    Kapern: Abgesehen von den Präsidentschaftswahlen gestern, stehen ja auch noch die Vorwürfe der Wahlfälschung bei den Duma-Wahlen im Raum. Nimmt die Tatsache, dass Wladimir Putin auch ohne Fälschungen die Präsidentschaftswahl gewonnen hätte, diesen Fälschungsvorwürfen die Durchschlagskraft?

    Kaster: Nein. Das muss angeprangert werden und das muss auch immer wieder angesprochen werden. Gerade im Bereich der Demokratisierung, da müssen wir stark ansetzen, denn da liegen ja die Grundübel des ganzen. Die Grundübel liegen in der Zulassung von Parteien, in der Aufstellung von Kandidaten. Die Rückschläge, die es da in den letzten Jahren auch gegeben hat, als man das Wahlrecht wieder verändert hat, da müssen wir ansetzen und da gehört eben auch dazu, das was an Wahlfälschungen hier stattgefunden hat, und das muss aufgearbeitet werden, das muss kritisiert und offen angesprochen werden. Wir brauchen vor allen Dingen im Bereich der Demokratiebewegung, im Bereich der Demokratie hier neue Regelungen, was die Zulassung von Parteien angeht, das Aufstellen von Kandidaten etc.

    Kapern: Hat Ihre Parlamentariergruppe, Herr Kaster, eigentlich auch Kontakt zu der Anti-Putin-Opposition, die in den letzten Wochen so sehr auf sich aufmerksam gemacht hat?

    Kaster: Die Parlamentariergruppe legt immer Wert darauf, auch bei Besuchen, die stattfinden, dass wir einerseits mit den Kollegen der Duma sprechen, aber immer Wert darauf legen, mit Oppositionskräften im Gespräch zu bleiben, sowohl politischen Oppositionskräften wie aber auch im Bereich der Medien, der Medien, die kritisch die Politik begleiten, sofern sie das eben können. Da legen wir als Parlamentariergruppe immer sehr großen Wert darauf, diese Gespräche fortzuführen, auch was Gäste in Berlin angeht, um uns hier ein komplettes Bild zu verschaffen.

    Kapern: Bernhard Kaster war das von der CDU, der Vorsitzende der deutsch-russischen Parlamentariergruppe, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Kaster, danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Kaster: Ja, ich danke. Auf Wiederhören.

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