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"Ich hoffe doch, dass wir da relativ zügig fertig werden"

Trotz Parteimitgliedschaft will Susanne Kastner von der SPD, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und damit designierte Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, eine "moderierende Rolle" spielen. Dennoch kommt aus ihrer Sicht der wichtigste Zeuge aus der Union.

Susanne Kastner im Gespräch mit Silvia Engels | 16.12.2009
    Silvia Engels: Der Verteidigungsausschuss des Bundestages wandelt sich heute in einen Untersuchungsausschuss um, um die Hintergründe des Angriffs auf zwei Tanklastwagen auf deutschen Befehl in Afghanistan Anfang September aufzuklären. Parallel dazu kommen neue Berichte auf den Tisch, welche Informationslücken offenbar im Kanzleramt bestanden.
    Gerade klang es schon an: der Verteidigungsausschuss wandelt sich heute in einen Untersuchungsausschuss um, um die Hintergründe des Angriffs auf zwei Tanklastwagen in Kundus aufzuklären. Die Vorsitzende des einen wie des anderen Ausschusses ist Susanne Kastner von der SPD. Wir wollen sie fragen zu ihren Vorstellungen. Guten Morgen, Frau Kastner.

    Susanne Kastner: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Frau Kastner, Sie als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses werden heute automatisch Vorsitzende des neuen Untersuchungsausschusses zu den Vorfällen von Kundus werden. Wie würden Sie Ihre künftige Rolle beschreiben? Was haben Sie vor?

    Kastner: Ich habe zuerst einmal eine moderierende Rolle, aber natürlich auch die Rolle der Fragestellerin, und zwar kann ich als Erste Fragen stellen. Ich sehe meine Rolle aber auch schon sehr moderierend, weil ich Vorsitzende des Verteidigungsausschusses bin, der ja gleichzeitig dann Untersuchungsausschuss wird, und das ergibt sich aus dieser Aufgabenstellung.

    Engels: Sie sagen, Sie wollen moderierend sein. Schon jetzt sind aber ja parteipolitische Grabenkämpfe rund um diesen Untersuchungsausschuss zu erkennen. FDP und Union wollen vor allem die Rolle des damaligen Außenministers Steinmeier klären. SPD, Grüne und Linkspartei schauen auf Kanzlerin und den aktuellen Verteidigungsminister zu Guttenberg. Wie wollen Sie da praktisch diese Neutralität, diese Moderationsrolle wahren?

    Kastner: Das kann man, das kann man ganz einfach, wenn man für sich entscheidet, ich moderiere diesen Untersuchungsausschuss bei allen kritischen Fragestellungen, die natürlich auch ein Untersuchungsausschuss, gerade ein Untersuchungsausschuss, die Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben. Das kann man ohne weiteres, das ist nicht schlimm.

    Engels: Wird denn das meiste öffentlich verhandelt werden, oder wird wegen möglicher Geheimdienstverwicklungen vieles im Geheimen besprochen werden müssen?

    Kastner: Das ist jetzt noch offen, das werden wir heute Morgen klären. Sie wissen ja, dass SPD und Grüne die politische Seite öffentlich haben wollen. Was mit dem Militärischen zu tun hat, wird wahrscheinlich geheim verhandelt werden müssen, vielleicht auch nicht alles... Generalinspekteur a.D., das ist alles die Frage, aber wir hoffen, dass wir da heute Morgen in unserer Obleuterunde zu einer guten Lösung kommen.

    Engels: Wird denn in dieser Obleuterunde auch schon festgelegt, in welcher Reihenfolge welche Zeugen vorgeladen werden?

    Kastner: Ich glaube, so weit sind wir noch nicht ganz. Es könnte sein, dass wir es andiskutieren, aber festlegen, so weit sind wir noch nicht ganz.

    Engels: Welche sind denn Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Zeugen, die jetzt als erste gehört werden müssen?

    Kastner: Ich denke natürlich der Verteidigungsminister, der amtierende, und dann schauen wir mal, wie es weitergeht.

    Engels: Welches, Frau Kastner, ist denn Ihrer Ansicht nach die wichtigste Frage?

    Kastner: Auch dieses kann ich Ihnen noch nicht beantworten. Sie wissen, dass es heute im Bundestag in der Fragestellung doch einige Fragen gibt, auch an den Verteidigungsminister, und da ergeben sich ja aus dem heraus auch wahrscheinlich neue Fragen gegenüber dem… Aber was er natürlich schon machen muss, die vielen Widersprüchlichkeiten, die in der Vergangenheit doch gelaufen sind, aufzuklären.

    Engels: Da ist der Blick auf Herrn zu Guttenberg. Welche Rolle wird denn dann die Frage spielen, ob Militärs, oder auch die alte Bundesregierung möglicherweise gegen das Afghanistanmandat des Bundestages verstoßen hat, vielleicht indem möglicherweise gezielt Taliban-Führer getötet werden sollten?

    Kastner: Ja, das ist natürlich eine ganz wichtige Frage, die auch geklärt werden muss, die auch in einer relativ kurzen Zeitschiene besprochen wird. Das ist ganz, ganz wichtig. Aber ich vermute, das wird dann schon eine geheime Sitzung werden.

    Engels: Wie sehen Sie denn in diesem Zusammenhang die Rolle von Frank-Walter Steinmeier (SPD)? Er war damals immerhin Außenminister.

    Kastner: Auch der ist in den Beweisanträgen mit drin, wird vorgeladen werden. Ich denke zwar nicht, dass er besonders involviert ist, aber er wird vorgeladen.

    Engels: Und all diese prominenten politischen Zeugen, die werden auf jeden Fall öffentlich gehört werden?

    Kastner: Das habe ich Ihnen ja gerade schon vorhin gesagt. Das entscheiden wir heute um acht. Ich denke, es ist wichtig, weil wenn die Union - und das hat sie ja auch versprochen - lückenlose Aufklärung verspricht, dann muss man diese Seite auch öffentlich machen.

    Engels: Bundeskanzlerin Merkel hat ja entgegen der Forderung der SPD bislang nicht angekündigt, dass sie auch eine Regierungserklärung zum Fall Kundus halten will. Bedauern Sie das, oder sagen Sie, das ist jetzt vergleichsweise nachrangig, weil sie ja ohnehin im Untersuchungsausschuss aussagen wird?

    Kastner: Nein. Ich persönlich hätte es schon gut geheißen, wenn sie eine Regierungserklärung abgegeben hätte. Sie haben jetzt das Zugeständnis gemacht, dass eine aktuelle Stunde kommt, wo sie aber nicht spricht, und dass Fragen in der Fragestunde auch noch beantwortet werden, aber das ist natürlich weitaus weniger als eine Regierungserklärung.

    Engels: Die "Süddeutsche Zeitung" meldet heute, dass möglicherweise das Kanzleramt sich auch schon frühzeitig schlecht informiert sah durch das Verteidigungsministerium. Da schließt sich die Frage an: haben Sie denn Einblick in alle wichtigen Akten? Ist das schon klar?

    Kastner: Ich weiß ja nicht, welche die wichtigen Akten sind. Herr zu Guttenberg hat uns in einer der vorausgegangenen Sitzungen versprochen, dass er uns alle Akten zur Verfügung stellt. Wir fordern die Akten jetzt auch an, im Rahmen des Untersuchungsausschusses, und dann werden wir sehen, ob wir auch wirklich alle Akten kriegen. Ich denke schon.

    Engels: Wie steht es denn um einen Namen, der bis jetzt in der öffentlichen Debatte noch wenig vorkam, den damaligen Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, heute Innenminister? Muss auch er Stellung nehmen?

    Kastner: Ja. Ja, der muss Stellung nehmen.

    Engels: Gut! - Dann schauen wir noch rasch auf die Perspektive dieses Ausschusses. Es ist ja ein großes Thema zu verhandeln. Denken Sie, das wird die ganze Legislaturperiode in Anspruch nehmen?

    Kastner: Das hoffe ich doch nicht. Ich hoffe doch, dass wir da relativ zügig fertig werden, weil ein Thema, das über eine ganze Legislaturperiode läuft, das erschöpft sich ja auch. Es erschöpft sich in der Öffentlichkeit, es erschöpft sich im Untersuchungsausschuss. Nein, wir müssen da schon sehr zügig arbeiten.

    Engels: Frau Kastner, als langjährige Parlamentarierin wissen Sie, dass bei einem solchen Untersuchungsausschuss, der ein ganz zentrales Thema behandelt, was auch möglicherweise Regierungsämter gefährdet, natürlich ein großes politisches Gewicht hat. Freuen Sie sich auf diese Rolle, oder sorgen Sie sich, dass Sie vor allen Dingen diese Grabenkämpfe, die zwischen den politischen Gruppen entstehen werden, zuschütten müssen?

    Kastner: Ich nehme diese Aufgabe gern an. Es ist sicher eine Herausforderung für mich. So sehe ich halt auch gerade meine Rolle. Deswegen habe ich eingangs gesagt, ich möchte eine moderierende Rolle spielen, weil der Verteidigungsausschuss, die Mitglieder des Verteidigungsausschusses auch nach dem Untersuchungsausschuss wieder zusammenarbeiten müssen und ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann, dass sie gut zusammenarbeiten.

    Engels: Susanne Kastner, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, und sie wird ab heute auch dem Untersuchungsausschuss zu den Vorfällen von Kundus vorsitzen. Vielen Dank für das Gespräch.

    Kastner: Bitte schön.