Mittwoch, 24. April 2024

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"Ich kann keine Revolution erkennen"

Franziskus sei zwar ein sehr sympathischer Papst, in der Sache rücke er jedoch keinen Millimeter von der katholischen Lehre ab, betont der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke. Homosexuelle Handlungen gelten weiterhin als "schwer sündhaft" und das Priesteramt bleibt Frauen versperrt.

Norbert Lüdecke im Gespräch mit Martin Zagatta | 21.09.2013
    Martin Zagatta: Ein halbes Jahr ist Papst Franziskus jetzt im Amt, und im Gegensatz zu seinem Vorgänger Benedikt XVI. gilt der Argentinier als Reformer, gemeinhin jedenfalls. Diesem Ruf scheint er jetzt auch mit einem Interviewgerecht zu werden, in dem der Papst Barmherzigkeit fordert für Homosexuelle und Geschiedene und auch mehr Wertschätzung für die Frauen in der katholischen Kirche.

    Ein revolutionärer Aufruf, ein sensationelles Interview, so das Urteil in italienischen und auch in deutschen Blättern. Aber ändern diese Aussagen denn irgendetwas in der Praxis an der Stellung von Homosexuellen oder auch von Frauen in der katholischen Kirche? Norbert Lüdecke ist Professor für Kirchenrecht an der Universität in Bonn und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Lüdecke!

    Norbert Lüdecke: Guten Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Lüdecke, wenn wir das so hören – was ist denn so sensationell an diesem Interview?

    Lüdecke: Ehrlich gesagt bin ich gar nicht überzeugt, dass das so sensationell ist. Manchmal muss ich mich fragen, ob ich das gleiche Interview gelesen habe wie die meisten Berichterstatter. In meinen Augen ist das Wesentliche, dass er einen neuen Stil hat, Traditionelles zu vermitteln. Also ich kann keine Revolution erkennen.

    Zagatta: Ändert das denn irgendwas in der Praxis, was er da jetzt gesagt hat. Also, ist er irgendwie von der amtlichen Position der Kirche bisher abgerückt?

    "Eine wesentliche Änderung in der Lehre kann ich nicht erkennen"
    Lüdecke: Nein, das kann ich überhaupt nicht sehen. Was man wahrnehmen kann, ist, und was ja nicht zu bezweifeln ist, dass er sicherlich ein sehr sympathischer Papst ist, der in seiner natürlichen Bescheidenheit den direkten Kontakt mit den Menschen sucht, und das auch in der Art, wie er die Werte der Kirche und auch die Doktrin der Kirche vermittelt in einer sehr einfachen und zugänglichen Sprache, denke ich. Aber eine wesentliche Änderung weder in der Lehre noch im Recht – kann ich nicht erkennen.

    Zagatta: Wenn er jetzt fordert, barmherziger mit Homosexuellen umzugehen ¬– wie geht denn die katholische Kirche im Moment mit Homosexuellen um?

    Lüdecke: Genau so eigentlich, wie er das beschreibt. Denn er sagt ja, dass er nichts anderes sagt als das, was im Katechismus steht. Die Position der katholischen Kirche ist ganz klar. Natürlich verurteilt sie nicht Homosexuelle als Person, weil sie die gleichgeschlechtliche Orientierung als solche nicht verurteilt. Was Papst und Bischöfe als immer schwer sündhaft verurteilen, nach wie vor, das sind homosexuelle Handlungen und homosexuelle Partnerschaften.

    Zagatta: Und dabei bleibt es?

    Lüdecke: Dabei bleibt es. Ich habe kein einziges Zitat, das daran etwas ändert.

    Zagatta: Das klingt aber nach Diskriminierung, oder?

    Lüdecke: Diskriminierung mag das im gesellschaftlichen Empfinden und nach staatlicher Rechtsordnung sein. Man muss aber sehen, dass die katholische Kirche für sich in Anspruch nimmt, selbst nach eigenen Maßstäben zu bestimmen, was Diskriminierung ist und was nicht.

    Zagatta: Diese Barmherzigkeit, die fordert er jetzt auch für Geschiedene. Was bedeutet das? Hat das irgendwelche Auswirkungen?

    "Wer in zweiter Ehe lebt, verharrt in hartnäckiger, offenkundiger Sünde"
    Lüdecke: Noch einmal: Die Positionen zu wiederverheirateten Geschiedenen ist ebenfalls klar. Wenn jemand in einer zweiten Ehe lebt, also nicht in einer gültigen Ehe, dann wird er vom Papst und Bischöfen als jemand betrachtet, der in einer hartnäckigen offenkundigen Sünde verharrt und deshalb von der Kommunion ausgeschlossen ist.

    Es gibt davon nur eine Ausnahme, wenn aus der neuen Verbindung sittliche Verpflichtungen entstanden sind, etwa Kinder, die ein Auseinandergehen, eine Trennung, die eigentlich gefordert ist, moralisch nicht erlauben. Dann dürfen die Partner – nicht in der eigenen Pfarrei, sondern dort, wo ihre Situation nicht bekannt ist, also geheim – zur Kommunion gehen, wenn sie eine zentrale Bedingung erfüllen, nämlich auf sexuelle Zuwendung in ihrer Beziehung verzichten. Das ist die Position der Kirche.

    Der Papst hat jetzt erklärt, man solle Barmherzigkeit üben. Da muss man aber klar fragen, was bedeutet das denn konkret? Dass ab sofort Wiederverheiratete, Geschiedene einfach zur Kommunion zugelassen sind? Oder heißt es weiterhin, was Johannes Paul II. schon erklärt hat, dass nämlich der Ausschluss von der Kommunion gar nicht unbarmherzig ist, sondern eine Verteidigung von Liebe und Treue. Und dass man das nur in seelsorglicher Zuwendung vermitteln muss, und dann werden die Betroffenen den Kommunionsausschluss schon verstehen und von innen her annehmen können. Und nichts anderes kann ich in den Äußerungen Papst Franziskus' erkennen.

    Zagatta: Gilt Ihre Skepsis da auch für das, was er jetzt da zu den Frauen gesagt hat? Er hat in diesem Interview ja gesagt, Frauen sollten mehr Bedeutung gewinnen, ihre Rolle in der katholischen Kirche sei sogar wichtiger als die von Bischöfen – wird sich da denn jetzt irgendetwas ändern? Ist es vorstellbar, mit diesem Papst zum Beispiel, dass es irgendwann zu diesem Schritt kommt, dass Frauen zur Priesterweihe zugelassen werden?

    "Frauen werden in der katholischen Kirche gelobt, aber nicht geweiht"
    Lüdecke: Nein, auf keinen Fall! Denn die Doktrin über die Unmöglichkeit der Priesterweihe für Frauen gilt seit Johannes Paul II. als unfehlbare Lehre aller Bischöfe. Die kann von niemandem, keinem Papst und keinem Konzil geändert werden. Da protestieren manche gegen, das ist nachvollziehbar, aber entsprechend hat er ja selbst schon auf dem Rückfluginterview nach dem Weltjugendtag erklärt, Papst Franziskus: "Die Tür ist zu."

    Was er ansonsten sagt, dass er betont, dass die Frauen mehr Präsenz in der Kirche bekommen müssten, ist so neu ja auch nicht. Man muss weiter sehen, dass im gleichen Kontext auch steht, dass er sich vor etwas fürchtet, nämlich vor einer Männlichkeit im Rock. Weil die Frau eine ganz andere Struktur habe. Und es käme darauf an, den weiblichen Genius in die Entscheidungen der Kleriker mit einzubeziehen.

    Was heißt das? Das ist ein eingefahrener Weg. Mann und Frau sind nach katholischer Überzeugung als Personen würdegleich, aber aufgrund ihres Geschlechts so unterschiedlich, dass ihnen verschiedene soziale Rollen zukommen. Der Genius der Frau besteht nach amtlicher Lehre primär in ihrer Mutterrolle und in ihrer Sorge um andere. Aber durch ihren Ausschluss von der Weihe wird sie weder verbindlich lehren von Gesetze erlassen.

    Und wenn er sagt, Maria ist wichtiger als die Apostel, dann ist das doch so, als wenn man sagt: Die Hausfrau ist doch viel wichtiger als ein Manager. Frauen werden in der katholischen Kirche gelobt, aber nicht geweiht. Das muss man gar nicht kritisieren, aber das einfach zu übergehen, wird den etwaigen Hoffnungen von Frauen meines Erachtens nicht gerecht.

    Zagatta: Norbert Lüdecke war das, Professor für Kirchenrecht an der Universität in Bonn. Herr Lüdecke, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!

    Lüdecke: Gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.