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"Ich mag es, dass die Liebe manchmal schrecklich kompliziert ist"

Sie habe sich nie besonders gut anpassen und unterordnen können, erzählt Autorin Meg Rosoff. Von diesen Erfahrungen profitieren ihre Bücher übers Erwachsenwerden. Sie interessiere weniger der Teenager als Publikum, sondern vielmehr Jugend als Seelenzustand.

Meg Rosoff und ihre Übersetzerin Brigitte Jakobeit im Gespräch mit Ute Wegmann | 11.05.2013
    Ute Wegmann: Alle ihre Bücher waren auf der Bestenliste des Deutschlandfunk vertreten. Sie war nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Ihre außergewöhnlichen Jugendromane haben einen festen Platz in Buchhandlungen und Bibliotheken. Ich begrüße heute als Gast im Studio in Köln die Schriftstellerin Meg Rosoff und ihre Übersetzerin Brigitte Jakobeit.

    Meg Rosoff, nun hätte ich beinah gesagt britische Schriftstellerin, geboren sind Sie jedoch 1956 in Boston, haben in New York gelebt und kamen erst als junge Frau 1977 nach England. Es gibt jedoch eine Verbindung zu Europa, denn Ihre Vorfahren waren osteuropäische Juden, die im 18. Jahrhundert nach Amerika auswanderten. Inwieweit fühlen Sie sich verbunden mit der Kultur der Ahnen?

    Meg Rosoff: Ich spüre eine Verbindung zu meinen Vorfahren, indem ich mich mit Menschen verbunden fühle, die von einem Ort zum anderen ziehen. Und weil ich nicht religiös bin, verbindet mich die Religion auch nicht, sondern tatsächlich die osteuropäische Kultur. Manchmal betrachte ich meine Hände und dann denke ich, ich hab die Hände eines russischen Bauern. Es gibt also eine Verbindung, aber nicht direkt zu England. Ich weiß gar nicht, warum ich mich in England so Zuhause fühle, es gibt dafür keine Erklärung. Vielleicht wenn ich nach Tallinn oder nach Dessau fahren würde, hätte ich das Gefühl, ich wäre bei meinen Leuten, aber in London habe ich das nicht. Trotzdem liebe ich London, aber ich verstehe nicht warum.

    Wegmann: Spielt jüdischer Humor eine Rolle in Ihrem Leben?

    Rosoff: Jüdischer Humor ist in meinem Blut. Der jüdische Humor ist vergleichbar mit dem New Yorker, das habe ich damals dort zu empfunden. Man kann das gar nicht trennen. Der englische ist so komisch, sehr trocken, es ist ein anderer Humor, aber ich bin auch stark mit dieser Art von Humor verbunden.

    Wegmann: Nun haben Sie gerade gesagt, dass Sie sich sehr verbunden fühlen mit London, dort zuhause sind. Gibt es denn auch noch ein Heimatgefühl für Amerika?

    Rosoff: Komischerweise fühle ich mich in Amerika nicht Zuhause. Ich bin seit 25 Jahren da weg, und es kommt mir vor wie ein fremdes Land. Teilweise liegt es daran, dass ich alles, was ich über Amerika höre, aus den Nachrichten erfahre. Und in den Nachrichten präsentiert sich ein Amerika, das religiös fanatisch ist, und wenn du im Ausland lebst, vergisst du leicht, dass es so viele intelligente, reflektierte, linksorientierte Menschen dort gibt. Wenn ich dort bin, sehe ich das wieder, aber ich fühle mich ein bisschen wie eine Fremde. Aber ich fühle mich auch nicht als Engländerin, ich bin auch in England eine Fremde. Immer noch. So ist das mit den Engländern und auch mit den Franzosen: Wenn du dort nicht geboren bist, vergiss es! Wenn du nach NY gehst, bist du nach 10 Minuten ein New Yorker. In London ist das ganz anders.

    "Ich war ein nettes kleines Mädchen"
    Wegmann: Mit 20 Jahren kamen Sie nach London, das waren wilde Zeiten dort. Waren Sie ein Teil der Jugendbewegung? Punk?

    Rosoff: Ich war 19 oder 20. Und ich war ein nettes kleines Mädchen aus einem amerikanischen Vorort mit einem schicken Rock und einer schönen Strickjacke und alle anderen trugen Müllsäcke, die mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurden. Es gab einen Moment, wo ich nur "Hilfe" dachte, und nach Hause wollte. Aber ich blieb und begann das alles zu lieben. Ich liebte die Punkmusik, die verrückten Klamotten, und innerhalb eines Jahres hatte ich mich total verändert. Ich trug High Heels und schwarzen Augenkajal, ich schnitt mir die Haare ab, und mit mir fand eine komplette Verwandlung statt.

    Wegmann: Brigitte Jakobeit ist die Übersetzerin von Meg Rosoff. Sie haben Anglistik, Romanistik und Germanistik studiert, arbeiten seit vielen Jahren als Übersetzerin aus dem Englischen. Die Schriftsteller, die Sie ins Deutsche übertragen, lesen sich wie eine Liste des Who is Who. Paula Fox, Jonathan Safran Foer, William Trevor und Audrey Niffeneger, um nur wenige zu nennen. Sie haben den viel diskutierten Roman "Der Junge im gestreiften Pyjama" von John Boyne und den wundervollen Jugendroman "Luke und Jon" von Robert Williams übersetzt. Inwiefern wächst man über die Sprache mit den Autoren zusammen?

    Brigitte Jakobeit: Zunächst ist da immer das Manuskript, das ich mir sehr gründlich durchlese. Ich habe das große Glück, dass ich mir die Arbeit aussuchen kann, und dass ich von Meg Rosoff alle fünf Bücher übersetzt habe, dass ich von Robert Williams jetzt auch den zweiten Roman übersetze, und man wächst dann in die Sprache mit hinein. Meg Rosoffs Werk zum Beispiel ist durch sehr verschiedene Bücher geprägt. Jedes Buch hat einen anderen Tonfall, das finde ich sehr spannend und das schätze ich sehr. Das Gute ist, dass wir in der Zusammenarbeit so selbstverständlich geworden sind, dass ich jederzeit nachfragen kann. Das ist bei dem Großteil der anderen Autoren auch so.

    Wegmann: Wenn Sie nun sagen, jedes Buch hat einen anderen Ton: Gibt es dennoch so etwas wie ein verbindendes Element aller Meg Rosoff-Romane?

    Jakobeit: Nein, bei Meg Rosoff auf keinen Fall. Das erste Buch "So lebe ich", da dachte ich am Anfang beim Lesen des Manuskripts, das ist aber sehr chaotisch. Es war ein unendlicher Monolog eines Mädchens, das aus NY kam. Es hat lange gedauert, bis ich da den Ton gefunden hatte. "Damals das Meer" ist ein sehr melancholisches Buch, ein sehr wehmütig sehnsüchtiges Buch, ein Ton, der mir mehr liegt. Es ist auch eines meiner Lieblingsbücher. "Oh.Mein.Gott." ist ein vollmundiges, sehr sarkastisches Buch. Jedes Buch ist wirklich anders und das ist auch eine schöne Herausforderung.

    Wegmann: Sprechen wir noch mal über das Übersetzen. Bei Friedrich Schleiermacher, dem Altphilologen, Philosophen und Übersetzer von Platon, heißt es in seinem Aufsatz "Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens" aus dem Jahr 1813: Entweder der Übersetzer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen. Wie halten Sie das, Brigitte Jakobeit?

    Jakobeit: Also wir Übersetzer sagen, es gibt zwei Schulen. Entweder die wörtliche oder ich nehme das Werk, lese es – wir übersetzen ja keine Wörter - und bringe den Inhalt dem Leser entgegen. Das ist die Schule, die ich bevorzuge.

    Wegmann: Wie viel und überhaupt darf man den Text mit Blick auf das Zielpublikum domestizieren?

    Jakobeit: In meinen Augen überhaupt nicht. Ich bin ein strikter Gegner, und ich weiß, dass ich da oft eine Außenseiterposition vertrete, dass Kinder- und Jugendliteratur angepasst wird und dass der Text dem Kind entgegengebracht wird, weil ich glaube, dass man Kinder damit unterfordert, dass man ihnen etwas überstülpt, was eigentlich gar nicht vorhanden ist. Meine Erfahrung mit jungem Lesepublikum ist, dass sie sehr wohl Feinheiten heraushören, dass sie Sarkasmus heraushören. Man spürt das, wenn 13-14-Jährige bei einer Lesung von "Oh.mein.Gott" lachen. Das ist alles vorhanden, das muss nicht geschönt werden oder geglättet werden.

    Surreale Elemente in den Romanen
    Wegmann: Nun haben Sie bereits ein paar Titel genannt, ich will noch weitere Titel von Meg Rosoff nennen: "So lebe ich jetzt", "Was wäre wenn", "Damals, das Meer", "Davon, frei zu sein". Ihre Romane sind in der Realität angesiedelt, manchmal gehen Sie zurück in der Zeit – "Damals, das Meer" spielt in den 60er Jahren, "Davon, frei zu sein" erzählt die Geschichte eines Mädchen, die den Nachbarjungen heiraten soll und sich dieser Forderung durch Flucht entzieht. Ein historischer Roman mit einer starken Mädchenfigur.

    Das Besondere Ihrer Geschichten sind immer wieder auch surreale Elemente, Passagen, die den Leser verwirren, mit Wirklichkeit und Fantasie ein Spiel treiben. So im Besonderen in "Was wäre wenn", der Geschichte eines Jungen, der seinen einjährigen Bruder vor dem Fall aus dem Fenster bewahrt und dessen Leben sich danach radikal ändert. Plötzlich erkennt er die Fragilität des Lebens, sieht an jeder Ecke Bedrohungen, die er als Angriff auf sein Glück und sein Leben empfindet und flieht in eine Rolle. Aus David wird Justin Case, der mit seinem Schicksal ein Zwiegespräch beginnt. Es geht sehr oft um Lebensbedrohung, Tod, Schicksal. Diese Themen verknüpfen Sie oft mit einer Liebesgeschichte. Sind das die wichtigsten Themen in der Zeit der Pubertät?

    Rosoff: Ja – und andererseits denkt man darüber sein ganzes Leben lang nach: Wer wird mich lieben, wird mich jemand lieben? Was mache ich mit meinem Leben? Was bedeutet Leben und Tod? Große Themen. Es gibt Phasen im Leben, da hast du ein Haus, einen Mann, ein Baby und dann bist du abgelenkt, du überlegst, was du zum Abendessen kochst, wann du zur Arbeit musst, aber als Teenager und auch jetzt, in meinem Alter, da schieben sich diese Themen wieder nach vorne. Man kann sie nicht ignorieren. Sie sind die grundlegendsten Themen des Lebens.

    Und es gibt nur bestimmte Phasen im Leben, in denen du die Muße hast, darüber viel nachzudenken. Es ist auch gefährlich, all das sind gefährliche Fragen. Aber auch die Leidenschaft der 14-, 15-, 16-Jährigen bringt die Themen mit sich, wenn du gerade dabei bist, die Welt zu entdecken und alle großen Fragen der Welt: Der ganze Existenzialismus, warum lebe ich ... Was mich betrifft, so glaube ich, dass ich niemals mit diesen Fragen aufgehört habe, sie begleiten mich mein ganzes Leben lang. Ich werde sie nicht los.

    Deshalb würde ich sagen, ich schreibe über das Erwachsenwerden und über Jugend und nicht für Jugendliche. Mich interessiert weniger der Teenager als Publikum, sondern vielmehr Jugend als Seelenzustand oder Gemütsverfassung. Und zwar als ein Zustand, der sich durch das ganze Leben zieht.

    Wegmann: Es gibt ein weiteres wichtiges Motiv: Freiheit. In "Damals, das Meer" entdeckt ein 16-jähriger Ich-Erzähler eine Hütte am Meer, dort lebt der Junge Finn. Allein. Der Inbegriff der Freiheit. In diesem Buch geht es vor allem darum, eigene Lebensregeln aufzustellen, sich nicht in Rollen einzupassen, nicht nur zu funktionieren, sondern sich selbst zu finden.

    Rosoff: Ja, das ist die perfekte Beschreibung meines Lebens. Denn als ich 15 Jahre alt war, sagte man mir, dass ich viel lernen sollte, um gute Noten zu bekommen, damit ich nach Harvard gehen könnte und mein ganzes Leben war schon geregelt. Ich bin dann nach Harvard gegangen, aber es hat mir überhaupt nicht gefallen. So empfand ich alles, was man mir erzählt hatte, als großen Betrug. Schließlich fand ich meine Freiheit in England, weit weg von Zuhause.

    Ich habe dann in verschiedenen Berufen gearbeitet: Im Verlag, in der Werbung, in der Öffentlichkeitsarbeit und der Politik. Ich wurde oft rausgeschmissen, fünf Mal wurde ich aus Werbeagenturen rausgeworfen. Ich konnte mich nie besonders gut anpassen und unterordnen. Als ich 46 Jahre alt war, schrieb ich einen Roman und da endlich fühlte ich mich frei, weil ich nur noch meinen eigenen Regeln folgen musste. Manchmal, wenn ich Fantasy und Wirklichkeit in meinen Romanen miteinander verbinde, denke ich, dass man das in Romanen nicht tun sollte, aber dann sage ich mir: He, das ist mein Roman. Ich kann tun, was ich will.

    Wegmann: Sexualität hat in diesem Roman eine besondere Aufmerksamkeit. Die beiden Jungen verbindet eine tiefe Zuneigung. Erst als Finn sehr krank wird und ins Krankenhaus muss, erfährt der Erzähler, dass Finn ein Mädchen ist. Hat hier die Liebe, die sich von der Sexualität löst, etwas Platonisches, etwas Immerwährendes, eine größere Wertigkeit?

    Rosoff: Ja, schon, aber ich bin mir nicht sicher, dass ihre Liebe 100% platonisch ist. Ich glaube, dass der Erzähler Finn liebt, aber er liebt eigentlich die Reflexion auf sich selbst. Er ist verliebt in die Idee, wie er sein möchte. Ich mag es, dass die Liebe manchmal schrecklich kompliziert ist, und dass Menschen sich falsch verstehen. Er verliebte sich in ein Ideal von einem Jungen, in den Jungen, von dem er glaubte, er sei perfekt, aber dann stellte sich heraus, dass der Junge kein Junge ist. Es gibt so viele Missverständnisse, wenn du dich in jemanden verliebst. Und Finn erscheint ihm so sicher und so pur und der Erzähler kann projizieren, was er in Finn sehen möchte. Ich glaube, das entspricht sehr oft einer Liebessituation, dass du dir die geliebte Person auf besondere Weise zusammenfantasierst. Und dann erfährst du irgendwann, dass die Person nicht so ist, wie du erwartet hast.

    Gott als Teenager
    Wegmann: Freiheit als Schlüsselbegriff, darum geht es auch in dem historischen Roman: "Davon, frei zu sein". Hier entscheidet sich das Mädchen für die Freiheit gegen die Sicherheit. "Oh.Mein.Gott.", der Titel des neuesten Werkes, ein heiterer Roman, in dem sich Gott als sexsüchtiger Flegel und Muttersöhnchen präsentiert, durch dessen göttliches Versagen und mangelndes Berufsethos auf der Erde eine Menge schief geht. Umweltkatastrophen, Klimadisaster, kompliziertes menschliches Miteinander.

    Schließlich geht es auch hier wieder um die Liebe. Bob, Gott, wickelt Lucy um den Finger, vergisst alle Verantwortlichkeiten, hält sich für ein Genie und kümmert sich nicht um die Dinge, die seine Aufgabe sind. Gott, ein narzisstischer Versager. Gut, dass es Mister B gibt, ein älterer, verantwortungsvoller Herr, der den Scherbenhaufen zusammenfegt und die Erde regiert und vor dem Untergang bewahrt. Hoffnung auf eine Liebe, das ist das erste, was Mister B den Menschen gibt. Wie entstand diese herrlich böse Idee zu einem solchen Gott?

    Rosoff: Die Idee, einen jugendlichen Gott zu schaffen, kam durch eine BBC-Sendung über alle Männer, die jemals in Filmen Gott gespielt haben. Es waren alles alte, weiße Männer. Und mein Mann sagte, warum ist das eigentlich immer so langweilig, warum ist Gott immer ein alter Mann und nicht mal ein Teenager. Da hatte ich einen Geistesblitz und dachte: Oh, mein Gott, das macht wirklich Sinn und erklärt die Welt, denn wenn Gott ein Teenager ist, versteht man endlich, warum die Welt so ein Durcheinander ist. Weil er nämlich faul ist, weil er alles zu schnell geschaffen hat und nicht lange genug über einzelne Dinge nachgedacht hat, weil er über Sex nachdenkt, anstatt über die Schöpfung und so weiter. Daraus entstand die Kernidee.

    Unter uns sage ich ihnen, eigentlich ist das mein Roman über die Werbebranche. Denn als ich in der Werbung arbeitete, da tauchten ständig irgendwelche jungen Idioten auf, die der neue Chef von allem wurden und dann hieß es: Er hat zwar keine Erfahrung, aber er hat Energie und Kreativität. Es endete immer im Disaster. Und es gab immer eine ältere Person wie mich, die dachte: Oh, mein Gott, schon wieder das Gleiche. Vielleicht hielt sich der Junge ein Jahr lang, machte einen schlechten Abschluss, dann feuerte man ihn und gab ihm eine hohe Abfindung und stellte jemand Neues ein. Ich war nicht besonders glücklich in der Werbebranche, und mir gefiel die Idee, das Messer ein bisschen in die Wunde zu stecken. Ich bin mir aber sicher, dass niemand das Buch als Roman über die Werbebranche liest.

    Wegmann: Brigitte Jakobeit, wie ging es Ihnen beim Übersetzen? Ich habe diesen Roman als den amüsantesten, und auch als einen der hemmungslosesten empfunden.

    Jakobeit: "Oh.Mein.Gott." war für mich ein wunderbarer Plot. Ich hab das Buch sehr, sehr geliebt und weil ich die Idee, dass Gott ein kopfloser, verantwortungsloser Chaot ist, sehr komisch fand und wenn man es genauer betrachtet, das ganze Chaos auf der Welt betrachtet, ist es so weit entfernt nicht von der Realität. Die Herausforderung bei diesem Buch ist die Vollmundigkeit und diesen Level an permanenter Wortgewaltigkeit beizubehalten und das hat großen Spaß gemacht.

    Wegmann: Starke Figuren, anspruchsvolle Wechsel der Erzählebenen, teils ungewöhnliche Szenarien, manchmal brutal wie eine gewaltige Flughafenexplosion in einem der ersten Romane, Szenen, in denen die Figuren in eine existenzielle Krise gestürzt werden, das alles gepaart mit einem guten Schuss Humor – das präsentieren sich die Romane. Und wenn ich dann weiter auf alle Romane schaue, dann gibt es so etwas wie eine Grundidee: Es gibt für jeden einen Platz in dieser Welt. Gib die Suche nie auf! Das lese ich in allen Romanen.

    Rosoff: Auf jeden Fall. Das ist meine Suche. Autoren hassen die Frage, ob ihr Buch autobiografisch ist, aber natürlich ist es autobiografisch. Was ist anderes in deinem Kopf als dein eigenes Leben! Ich war 46 Jahre alt, als ich meinen ersten Roman schrieb, also für mich war das eine lange Reise. Einige Leute wissen schon mit 21, was sie werden möchten, oder sogar mit 16. Aber bei mir endete das Erwachsenwerden erst mit 46, bis ich endlich verstand, welche Aufgabe ich in der Welt habe. Das hatte mit einer Unklarheit in meinem Leben zu tun, ich sah mich nicht, vielleicht war es für die anderen ersichtlicher, dass ich eine Schriftstellerin werden sollte.

    Shakespeare sagte: "The readiness is all". Bereit sein ist alles. Und für mich kam das Bereit sein erst in meinen Vierziger. Auf eine Art bin ich froh darüber, denn – hätte ich mit 21 Jahren beschlossen, Schriftstellerin zu werden, hätte ich womöglich 70 Romane schreiben müssen, bevor ich sterbe. Auf diese Art und Weise muss ich vielleicht nur 15 schreiben. Ich glaube, mehr schaffe ich nicht.

    Wegmann: Unsere Sendung geht zu Ende. Herzlichen Dank an die Schriftstellerin Meg Rosoff. It was a pleasure and an honour to welcome you in our studio.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.